Sonntag, 30. Dezember 2018

Burg – Zelt – Höhle – die Paul-Gerhardt-Kirche in Schöneberg

Im Innern der Kirche hörte ich ein Konzert des Kirchenchors. War es Händels Messiah? Ein Bach-Oratorium? Oder das Ohrenlerchen-Stück von Einojuhani Rautavaara?



Wohlanständiges Bildungsbürgertum tummelte sich wie im Buche beschrieben. Sie verkörperten und verkörpern Werte des Selbermachens, der Kunst und Kreativität. Ein traditionell gutmenschlicher Anstand im positiven Sinne findet sich hier in einer Blüte, wie man sie in Berlin kaum für möglich hält.

Und dann trat ich vor die Tür: direkt gegenüber hatte der afghanische Supermarkt noch geöffnet, schräg gegenüber widersetzte sich der halbverfallene Sexshop allen Anstürmen des Internets(*). Getunte BMWs mit dunklen Scheiben fuhren über die Kreuzung, Sonderangebotsrufe des türkischen Supermarkts (neben dem afghanischen Supermarkt) schallten über die Straße und die internationale Crowd sammelte sich vor dem Eingang des englischsprachigen Kinos. Hier treffen und trafen Welten an einer Kreuzung aufeinander.

Paul-Gerhardt-Kirche von Norden




Ich drehte mich um, betrachtete die Kirche, aus der ich trat: Die Paul-Gerhardt-Kirche in Alt-Schöneberg: Dreiecke, übereinander gestapelt mit einem hohen steilen Turm. Umgeben von einer gestalteten Gartenfläche, die sich anschickt ein Park im Miniaturformat zu sein.

Sonntag, 9. Dezember 2018

Wasserwelt Langenhagen: Schwimmen im Hallenbad bei Hannover


In Langenhagen stand das ultimative Schwimmbad. Nicht, weil es größte, bunteste oder schönste Schwimmbad war. Obwohl dieses Bad groß, lichtdurchflutet und für seine Zeit ein echtes Prachtbad war. Sondern schlicht und einfach, weil ich im alten Langenhagener Bad schwimmen lernte. Für mich wird dieses Bad immer das ultimative Bad bleiben.

Dort verbrachte ich meine kurze aber ereignisreiche Zeit im Schwimmverein, sprang das erste Mal im Leben vom 3-Meter-Brett, holte meine einzige Ehrenurkunde jemals bei Bundesjugendspielen.

Das ehemalige Schwimmbad Langenhagen (geschlossen und abgerissen 2003). Foto: Holger Finck
Natürlich ist es alleine deshalb für mich das beste Bad aller Zeiten und aller, die noch kommen werden. Aber ausgehend von meinen Erinnerungen an eine hohe lichtdurchflutete Halle, mehrere Becken und eine Wasserrutsche(!) Anfang der 1980er war es auch objektiv ein gutes, schönes Bad seiner Zeit. Dem ist nicht mehr.so In dem was Zeitzeugen eine „Nacht- und Nebel-Aktion“ nennen, wurde das Bad 2003 plötzlich abgerissen.

Ein Nachfolgebau, die Langenhagener Wasserwelt, ließ bis 2017 auf sich warten. Der Bau entstand ab 2016 und sollte den ersten Planungen zufolge 27 Millionen Euro kosten, die das kleine Langenhagen tatsächlich im Haushalt fand, ohne zusätzliche Kredite aufzunehmen.

Das Bad wurde als Freizeitbad konzipiert, weil es Hannover ähnlich wie Berlin geht: die Stadt ist vollkommen damit ausgelastet, die alten Bäder von vor 1990 am Leben zu erhalten, so dass und weit kein Spaßbad oder eine Therme in der Stadt existiert. Alle Bäder, die vage in die Richtung Erlebnisbad zielen, liegen im Umland.


Langenhagener Wasserwelt (eröffnet 2017)

Aber nun ist das Bad da. Und ich bin auch da: Hoffnungsfroh und ängstlich. Was würde mich erwarten? Die Fahrt durch Langenhagen selbst beginnt wenig ermutigend. Die Walsroder Straße, die wir aus dem Norden entlang kamen, sah schon deutlich bessere Zeiten. (*)

Samstag, 1. Dezember 2018

Sofas und Weihnachtsberge - Wikipedia im Museum Europäischer Kulturen

Klippan ist ein klassisches Sofamodell des sich schwedisch gebenden Möbelhauses IKEA. Das Sofa wird dieses Jahr 40 Jahre alt und ist neben Billy vielleicht der Klassiker IKEAs. Klippan steht in den Räumen des MEKs, des Museums Europäischer Kulturen, in Berlin. Dort steht es nicht etwa als Ausstellungsstück, sondern als Möbel.

Aber: wenn man ein Museum für Volkskunde und Alltagskultur mit einer Gruppe Wikipedistas zusammenbringt - dann wird auch das Foyersofa zum Ausstellungsstück - und darüber entstehen Wikipedia-Artikel. 

Berlin, Museum Europäischer Kulturen, GLAM on Tour im Museum Europäischer Kulturen (2018) NIK 6039
Klippan im Museum. Bild: Berlin, Museum Europäischer Kulturen, GLAM on Tour im Museum Europäischer Kulturen (2018) NIK 6039 Von: Nightflyer. Lizenz: Creative Commons Attribution 4.0 International license.

Willkommen bei Wiki goes MEK! 2.0. Willkommen bei der zweiten Veranstaltung zwischen Wikipedia, dem MEK und dem Glam-Team von Wikimedia Deutschland.

Sonntag, 25. November 2018

Die Tanne an unserem Garten als Sing- und Sitzwarte

Die Ödnis als Baum: die Tanne. Als Sing- und Sitzwarte für Vögel jedoch eignet sie sich hervorragend.

Vögel am Sing- und Sitzwarten

"EINE Tanne. Das wäre nichts für mich.“ Schräg-gegenüber Nachbar Dietbert ist klar. „Die wird viel zu hoch. Und dann noch allein stehend. Da fehlt die Ordnung. Ich brauche meine Thujenhecke.“ Das ist deutlich zu sehen. Hat Dietbert seinen Yin- und Yang-Schotter doch hinter einer drei Meter hohen Thujenmauer versteckt.

Anders sehen es unsere anderen Nachbarn, Wilhelm und Wilhelmina. Die haben eine schicke Einzeltanne am Ende ihres Grundstücks stehen. Und so wenig ich mir je einen Nadelbaum im Garten wünschte, so apart ist doch diese Gartengrenztanne.

Dass wir einmal Frieden miteinander schließen, der Nadelbaum und ich, hätte ich nicht geahnt.

Donnerstag, 8. November 2018

Die ersten Naziskins der DDR

Wann die ersten Naziskins in der DDR auftauchten, lässt sich nachträglich nicht mehr sagen. Alltagsphänomene in einem Staat der Zensur und Medienkontrolle lassen sich kaum rekonstruieren. Allerdings verdankt sich der zentral gesteuerten Medienlandschaft der DDR, dass man genau sagen kann, wann es die ersten offiziellen DDR-Naziskins gab: 1988.


Bundesarchiv Bild 183-1990-0115-032, Leipzig, Demonstration von "Republikanern", Neonazis
Teilnehmer einer Leipziger Montagsdemo 1990. Laut DDR-Nachrichtenagentur zugereiste Wessis. Bild: Bundesarchiv, Bild 183-1990-0115-032 / Kluge, Wolfgang / CC-BY-SA 3.0

Meine ersten Nicht-Naziskins


Es war eine Klassenfahrt auf die Ostseeinsel Rügen. Wir fuhren im Jahr 1991, knapp anderthalb Jahre nach der Wende. Wir als 15jährige Niedersachsen sollten die deutsche Einheit feiern. Uns war das herzlich egal. Aber unseren Lehrern lag daran. Wir fielen als Touristen in einen Landstrich ein, der noch nicht wirklich darauf vorbereitet war. Die Leihräder hatten wir in Verbindung mit den Rüganer Feldwegen in zwei Tagen in ihre Einzelteile zerlegt. Die ein- oder andere Gastronomie war einer Gruppe Westdeutscher Jugendlichen und deren Ansprüchen nicht gewachsen.

Neben kaputten Fahrrädern und überforderten Kellern blieb aber vor allem eines in Erinnerung: die Gruppe männlicher kräftiger Jugendlicher, die sich am Zaun unserer Jugendherberge versammelte und wartete, bis endlich mal ein Wessie zum Vermöbeln rauskam. Das waren ausweislich ihrer Kleidung noch keine Nazis. Aber nach dem zu urteilen, was sie uns zuriefen: ihre Gedankenwelt schien nahe.

Eine Freundin, Trampen auf Rügen 1994, erzählte, dass sie eine interessante Mitfahrt hatte. Bei ihrem Fahrer hat sie das Eiserne-Kreuz-Tattoo zu spät bemerkt, ebenso dann die eindeutige Musik im Kassettendeck. Wirklich mulmig wurde ihr, als er ihr die (Schreckschuß?)-Pistole im Handschuhfach zeigte. Es waren wilde Zeiten. Umso erstaunlicher, dass sich die Szene in wenigen Jahren so stark entwickeln konnte von pöbelnd-gewaltbereiten Jugendlichen hin zu organisierten und bewaffneten Nazis.


Inoffizielle Naziskins


Wann die ersten Naziskins in der DDR auftauchten, lässt sich im Nachhinein nicht mehr sagen. Während es einen untergründigen Faschismus mit Hitler-Geburtstagsfeiern, Verachtung gegenüber Ausländern, und spontaner unorganisierter Gewalt gegen „Andere“ die gesamte DDR-Zeit hindurch gegeben hatte, so fehlten diesem doch Gelegenheit und Möglichkeit sich zu organisieren.
Eine echte Skinhead-Szene mit engen Verwicklungen zu Neonazis entwickelte sich seit Anfang der 1980er.


Sonntag, 28. Oktober 2018

Stadtbad Prenzlauer Berg. Schwimmen im Schwimmbad Oderberger Straße.

Szene Eins: Ich, halbnackt in einer engen Sammelumkleide stehend. Ein Klopfen an der Tür, ein Ruf „Housekeeping“. Und bevor ich mich versehe, steht eine jüngere Frau in schwarzem Kleid mit einer weißen Rüschen-Schürze mit mir in der Kabine.

Szene Zwei: Drei Menschen schwimmen ihre Bahnen. Die beiden Anderen bewegen sich sportlich ambitioniert. Ich als Dritter bin zumindest am Schwimmen. Plötzlich stapft ein Trupp von zwei Männern und einer Frau, alle Mitte in 20 - in voller Straßenkleidung mit Rucksack ins Bad, läuft am Beckenrand entlang und verschwindet an der Rezeption.

Für seine Bauzeit ist das Stadtbad spärlich verziert. Die vorhandene Verzierung aber rockt.

Szene Drei: Ein Bad, das immer mal wieder als „das schönste Bad Berlins“ in der Zeitung erscheint. Ein Bad, das kaum mehr Eintritt kostet als ähnliche Bäder in Neukölln oder Charlottenburg. Es ist Nachmittags, im Prenzlauer Berg rund um das Bad herrscht großen Gewusel auf den Straßen. Und das Bad ist leer. Es ist komplett leer. Ich bin allein.

Szene Vier: ein Herbstvormittag mitten in der Woche. Angesichts meiner bisherigen Besuche rechne ich mit einem leeren Bad und leeren Bahnen. Denkste! Plötzlich sind fast 20 Menschen in dem nicht allzu großen Becken. Vor Schreck laufe ich fast rückwärts gegen die Tür Wo kamen die her?

Hier geht es hinein ins Stadtbad Oderberger.

Willkommen im Stadtbad Oderberger Straße. Willkommen im Bad der Wunder.

Donnerstag, 11. Oktober 2018

Treffen der Wikipedia-Community in St. Gallen. Wikicon 2018.

„Kas!“ Die jungen Frauen vor mir im Flugzeug nach Zürich wissen, welches Sandwich sie wollen. Und sie haben keine Hemmungen, den halben Flieger an dieser Entscheidung teilhaben zu lassen.

Überhaupt beweisen die drei Frauen den ganzen Flug über, dass auch Schweizerinnen eines Benehmens fähig sind, dass ich am ehesten von Engländern in Mallorca erwartet hätte. Aber okay. Nur, dass die kleinste und schmalste von ihnen mir ihre Rückenlehne in die Knie rammt, nehme ich persönlich.


Die Schweiz


Willkommen, in der Schweiz, die bei diesem Besuch einige meiner Vorurteile aus dem Wege räumt.

Blick in die Wikicon-Räume

Da waren die drei jungen Damen im Flugzeug. Oder die SBB, die Schweizer Bahn, die bei zwei von zwei genommenen Zügen Verspätung hatte und mir damit noch einen Gepäcksprint durch den Zürcher Hauptbahnhof bescherte. Oder Sankt Gallen, das direkt vor den Eingang der renommierten Kantonsschule am Burggraben den Tiffany Night Club setzte. Allgemein wies St. Gallen ein Nachtleben auf, dass ich eher in Friedrichshain erwartet hätte.

Blick aus dem Eingang der Kantonsschule. Rechts "Kirche neu erleben." Links der "Tiffany Night Club."


Manchmal aber bestätigte die Schweiz die Vorurteile.


Dienstag, 25. September 2018

Die Rose Betty Prior in unserem Garten

„Wann fangt Ihr an, Euren Garten zu machen?“ Dietberts Frage mochte unschuldig klingen. Aber sie traf. Die Apfelbäume Alkmene und James Grieve wuchsen immerhin schon seit zwei Jahren im Garten. Madame erweiterte stetig das Beet und der Hartriegel hatte schon einen Winter über geleuchtet. „Aber..“, setzte ich an. Dietbert war schneller: „Ich habe da noch Rasenmähtipps für Euch“ Und Dietbert verschwand.

Ja, der Garten wuchs und gedieh. Aber nur im hinteren Teil des Grundstücks. Vorne lagen noch die Bauschuttreste des Bungalows. Die Wasser-Uhr-Grube hatte sich in eine schneckenbewohnte Schlammgrube verwandelt und die Wiese/Lehmstaubwüste Richtung Straße hatte sich noch nicht von den Baumaßnahmen erholt. Dennoch: wozu grabe ich hunderte von Narzissen ein, nur damit Dietbert blöde Fragen stellt!

Hallo, Betty Prior.


Immerhin, damit ist es vorbei. Dietbert, der in seinem Garten einen englischen Rasen, 400 Quadratmeter Schotter und zwei formgeschnittene Kirschlorbeers hat, erzählt nun von Maja Lundes „Geschichte der Bienen“ und wie schlimm das alles ist mit dem Bienensterben. „Die Geschichte der Bienen solltet Ihr unbedingt lesen! Da bekommt man großen Respekt vor der Natur!“

Unsere teil-naturnahe-wiesenintegrierte Gartengestaltung sieht er immer noch nicht als vollwertig an. Und auch den dezenten Hinweis, dass es bei uns Insekten bis zum Abwinken gibt, ignoriert er. Immerhin, er ist allein. Den Rest der Nachbarn konnten wir mit Hilfe einiger durchdringend pink leuchtenden Rosen, die bis November durchhalten, davon überzeugen, dass unser Garten absichtlich so aussieht, wie er aussieht.

Willkommen, Rose, die so aussieht, als würde sie auch ganz ohne Sonne leuchten. Hallo, Betty Prior.

Mittwoch, 12. September 2018

Abbaden in der Nordsee Dithmarschen

Nordsee-Sonnenuntergangs-Baden im Herbst; Stinteck-Wesselburenerkoog..

2017


Dieses leichte Stechen im Oberschenkel, wenn das kalte Wasser kalt bleiben möchte. Die Herbstsonne strahlt über den Deich und die letzten Strandkörbe. Die Reste des ersten Herbststurmes im Jahr 2017 wurden bereits weggeräumt. Jetzt zeigt sich ein Dithmarscher Spätsommeridyll aus grünem Deich, dem Imbiss neben der Deichkrone, einer einsamen Dusche und plätscherndem Wasser, das bei Hochwasser gegen die Steine des Böschungsschutzes pfumpt. Gelbe, in der Sonne leuchtende Andreaskreuze markieren die Stellen, an denen Schwimmer auf die Buhnen achten sollten. Das Meer lädt ein.

Nordsee bei Stinteck. Hohes Hochwasser.

Dennoch: September. Die Wärme der Sonne reicht für die obersten zwei Zentimeter des Wassers. Danach fängt das leichte Stechen an. Es geht auch nach fünf Minuten im Wasser nicht weg. Es ist kalt. Einige Schwimmzüge helfen. Das Salz treibt nach oben, der kaum zu spürende Wellengang macht keinen Unterschied. Eine einzelne abgerissene Alge treibt vorüber.

Eine Radfahrerin unterhält sich mit Madame, die gerade versucht per kalter Dusche Temperaturgewöhnung zu betreiben. Sie beschwert sich, dass es hier flach ist. Ist es gar nicht. Nicht, wenn man den höchsten Punkt der Flut abpasst und dann auch noch harten festen Sand unter den Füßen erwischt.

September 2017. Die drei letzte Strandkörbe und das Meer.

Leichtes Schaukeln des Wassers. Kämpfen mit dem Auftrieb im fast unbeweglichen Salzwasser. Wenn man lang genug wartet, sticht der Kälteschmerz nicht mehr so sehr am Bein, wandert nach oben. Wissen, warum man schwimmt. Schweben in der Weite des Meeres, von oben strahlende Sonne, von schräg oben das Kreischen der Möwe, ein leichter Salzgeschmack auf den Lippen.   

Stinteck, Dithmarschen. Dorf am Deich. Nicht allzu weit entfernt vom Touristenmagnet Büsum und doch mehr ein Strand, 20 Ferienhäuser und ein halbes Dutzend Restaurants und Bistros. Der nächste Supermarkt oder Bäcker sind in Autoweite oder die Brötchen-werden-kalt, das Eis-fängt-an-zu-schmelzen-Fahrradweite entfernt. Einer dieser seltsamen Dithmarscher Unorte, deren komplettes Leben aus vorbeiradelnden Pärchen im Partnerlook besteht.

2018


Mittwoch, 29. August 2018

Sommerbad Neukölln - Schwimmen im Freibad Hasenheide

Das schlimmste soll es sein. Das allerschlimmste sogar. Das schlimmste Freibad, nicht nur Berlins, sondern Deutschlands, steht in Neukölln. So hat es die Bild gemeldet. Bild bezog sich auf eine „Studie“ von Testberichte.de. Die Autoren hatten weder das Bad selbst gesehen noch beurteilten sie das Bad. Testberichte wertete die Google-Bewertungs-Punkte aus. Von 355 Bädern – das schlimmste.

Ich war skeptisch – einerseits gegenüber der Methodik des Berichts – andererseits auch gegenüber dem Bad. Das Columbiabad hat keinen guten Ruf. Ich erwartete, so eine Art vollbesetztes Bad Humboldthain zu finden; mit kleinen Jungs, die gleich rausfliegen, weil sie schon Hausverbot haben, in einer leicht verlassenen Architektur der 1950er.

Columbia Sommerbad Berlin-Neukölln
Bild: Columbia Sommerbad Berlin-Neukölln. Von: onnola Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic

Welch ein Irrtum! Vielleicht steht hier mein nächstes Stammbad. Sicher aber steht am Neuköllner Columbiadamm eines der schönsten Bäder der Stadt.

Dienstag, 21. August 2018

Hainschwebfliege: Wunderfliege für den Garten

Nein. Die Hainschwebfliege ist nicht gefährlich. Die Hainschwebfliege frisst Blattläuse. Eine dieser Miniaturfliegen frisst hunderte Blattläuse. Und sie ist auch ansonsten ein Hammerinsekt. Hier ein ein Zentimeter geballte Power, die fast so wirkt als könnte sie beamen; ein Tier das dann auch noch die Alpen in mehreren tausend Metern Höhe überfliegt.

Die Schwebe


Ein Ikea-Klapptisch. Auf ihm stehen zwei Tassen Kaffee, Kuchenreste, ein Wäschesprenger, um die Wespen zu verscheuchen und einige gepflückte Miniaturblüten aus dem Garten. Madame liest Zadie Smiths „Swing Time“, ich klicke mich durch die neusten News zum „Sommerhaus der Stars.“ Beide leiden wir noch etwas unter dem sehr guten insgesamt aber doch reichlichen Gin Tonic bei Paulinas Freilichtkinovorführung im Garten gestern(*).

Da stellt Madame fest: „Du musst gar nicht mehr zur Goldrute, um die Schwebfliegen zu sehen und zu fotografieren.“ Ha! Ha! Als ob dieses Insekt sich in freier Bewegung fotografieren ließe!

Hoverfly May 2008-8
Bild: Hoverfly May 2008-8 von: Alvesgaspar Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported

Denn obwohl die Fliege vor allem schwebt, stationär wie ein Hubschrauber an einer Stelle, so macht sie dies nie lange genug. Die Fliege steht in der Luft, dann wusch!, mehr beamen als fliegen, und schon steht sie an einer anderen Stelle.

Zu schnell für das menschliche Auge, dass die Fliege sieht, auch ihr Muster erkennen kann und wusch! Ist die weg. Die 12 Bilder, die das menschliche Auge pro Sekunde aufnimmt, reichen nicht, um der Bewegung der Fliege Herr zu werden. Ihr zu folgen ist fast unmöglich, ihr eine Kamera nachzuziehen, schon nicht mehr trivial.

Donnerstag, 9. August 2018

Freibad Gesundbrunnen: Schwimmen im Sommerbad Humboldthain

Sommerbad Humboldthain bei 30 Grad: dat is Wedding, wa, wie er lebt. Das pure Leben - geordnet, betont und ermöglicht durch die perfekte Anlage des Sommerbads Humboldthain.

Sommerbad Humboldthain, 20 Grad: was für eine Tristesse.

Jedes Freibad hat seine 30-Grad-Geschichte und seine 20-Grad-Geschichte. Selten aber klaffen sie so weit auseinander wie hier im Gesundbrunnen.

Aber der Reihe nach.

Berlin-Gesundbrunnen. Der Stadtteil, in dem ich aus der S-Bahn steige, und schon sehe ich kleine Mädchen in Adiletten, an der Leine eine Kreuzung aus Husky und Rottweiler, die dem Mädchen bis etwas über den Bauchnabel reicht. Das ist Gesundbrunnen, der Teil von Wedding, der sich starke Mühe gibt, jedem Wedding-Klischee zu entsprechen.



Das Sommerbad selbst liegt im Humboldthain: einem ehemaligen botanischen Park, der dann Flakbunker wurde, dann Trümmerberg, dann Volkspark und mittlerweile so eine Art verwilderter Wald mit Graffiti, Schildern und Müll ist.

Das Sommerbad entstand im Übergang der Phasen "Trümmerberg" und "Volkspark" anfang der 1950er. Es liegt in einer Landschaft, die ganz geschickt mit den Niveau-Unterschieden der Gegend spielt. Die Planer orientierten sich offenbar am 30-Jahre-älteren Sommerbad am Insulaner: die Aufteilung und das Raumgefühl der beiden Bäder ähneln sich.

Bekannte Elemente aus dem - gleichzeitig mit dem Bad am Humboldthain vom selben Architekten gestalteten - Sommerbad Wilmersdorf erkenne ich auch: Die Hecken, das prachtvolle Blumenbeet am Eingang, die weite und luftige Gestaltung der Liegewiesen.

Und dann kamen die Achtziger: und ich weiß nicht, wen sie mit der Planung beauftragt haben und wie oft sie zwischendurch die Bauplanung wechselten. Ich bin verwirrt. Aber das waren die Gestalter anscheinend auch.

Donnerstag, 2. August 2018

Nacktschnecke Leopardenmuster schädlich?

Große Schnecken mit Leopardenmuster sind unschädlich und ungefährlich. Es sei denn, man ist eine Nacktschnecke. Für andere Nacktschnecken sind diese großen gemusterten Schnecken - Tigerschnegel – Limas Maximus – bedrohlich.

Tigerschnegel fressen andere Nachtschnecken. Liebe Gartenbesitzer: kuschelt und herzet die Schnegel. Verwöhnt sie und streichelt sie: denn sie fressen andere Nacktschnecken. Die Tigerschnegel sind eure besten Freunde.


Ein Prachtexemplar.




Die Schnecke im Garten


Wilhelm und Wilhelmina stehen mit einem Eimer und einer langen Zange auf dem Rasen. Wir rufen hinüber: „Habt ihr was vor?“. Wilhelmina ruft zurück: „Schnecken! Überall Schnecken! Hunderte! Wir sammeln sie auf!“ Soweit so normal in einem Garten. Kaum ein anderes Lebewesen provoziert so den gärtnerischen Aktionismus wie die gehäuft auftretende Nacktschnecke.

Was allerdings verwundert: der wilhelminische Garten ist nur durch einen Maschendrahtzaun von dem Unserigen getrennt. Ein Maschendrahtzaun stellt kein Hindernis für eine ernsthafte Nacktschnecke da.

Und doch: auf unsere Seite des Maschendrahtzauns verirrt sich nur gelegentlich eine Nacktschnecke. Die beiden spanischen Wegschnecken des Gartens kennen wir persönlich, wissen, wo sie wohnen und im Wesentlichen lassen wir sie gewähren. Keine drei Meter nebenan allerdings, füllen Wilhelm und Wilhelmina einen kompletten Eimer mit den Viechern.

Freitag, 27. Juli 2018

Großer Regen Berlin 2017

An einem Tag fiel mehr Regen als sonst in einem Monat. An einigen Orten fiel an einen Nachmittag mehr Regen als sonst in einem halben Jahr. Die nächsten Tage regnete es wieder. Das Benefizkonzert für den halb versunkenen Ort Leegebruch musste abgebrochen werden - wegen schlechtem Wetters. 2017 herrschte in Berlin und Teilen Brandenburgs landunter. Besonders trafen die Unwetter den Nordwesten von Stadt und Umland. Dort wo unsere Latifundien liegen.

In kurzer Zeit war ich so nass wie nie zuvor als ich angezogen war. Ich fiel als Kind einst angezogen in einen See und kletterte dann wieder hinaus. Selbst dort war ich nicht tiefendurchnässt. Wäsche frisch und ungeschleudert aus der Waschmaschine ist nicht so nass, wie die Sachen, die ich an diesem 29. Juni 2017 trug.



Unser Schlafzimmer war nicht mehr benutzbar, da das Wasser durch die Decke genau auf das Bett herunterlief. Das Warmwasser fiel aus, da der Warmwasserkessel im Keller stand - und absoff. Das Dorf Leegebruch stand wochenlang komplett unter Wasser - ebenso wie im ganzen Ländchen Glien tiefer gelegene Wiesen, Weiden, Äcker, Parkplätze und schlecht abgedichtete Keller.

Unsere Datschennachbarin Paulina verbrachte Monate damit ihre – unterkellerte – Datscha wieder auszugraben, abzupumpen und einmal ein komplett neue Drainage und Versiegelung einzulegen. Nie wieder wollte sie einen See im Keller haben.



Seen und Flüsse waren über längere Zeit nicht beschwimmbar, da die Wassermassen allen Unrat mitrissen der auf und an der Straße lag. Berlin leitet dank Mischkanalisation bei solchen Ereignissen seine Abwässer teilweise ungeklärt in die Flüsse, Spree und Havel und alles was flussabwärts von ihnen lag, bekamen eine volle Ladung ungeklärter Berliner Abwässer mit.

Auf dem Acker hinter unserer Datsche konnte das Feld nicht abgeerntet werden - bei allen Versuchen das gesamte Jahr über versanken die Landmaschinen rettungslos im Schlamm. Da, wo hinter unserem Zaun normalerweise ein Rapsfeld ist, entwickelte sich 2017 eine Seen – und Tümpellandschaft, die sich zum großen Paradies für Stechmücken aller Art entwickelte.

Freitag, 20. Juli 2018

Sommerbad Rixe: Schwimmen im Freibad Mariendorf

Im Volkspark Mariendorf existiert ein Bad fast nicht. Es liegt im Park. Es ist schön, Es hat Charme. Es liegt inmitten einer zauberhaften Umgebung. Jedoch lässt es nur selten Besucher herein.

Die wenigen Menschen, die von seiner Existenz wissen, verwechseln das Bad im Park oft mit dem größeren und neueren Bad nebenan, das viel länger geöffnet hat. Willkommen im Sommerbad Mariendorf, dem charmanten Freibad im Zwielicht seiner Schattenexistenz.

Ich könnte stundenlang davor sitzen und es einfach nur anhimmeln.


Diejenigen, die das Sommerbad kennen, vergleichen es innerlich schnell mit dem ähnlich aussehenden, gleich alten, aber größeren, schickeren und besser gepflegten Bad im Nachbarbezirk.

Willkommen im Sommerbad Mariendorf, dem unverdienten Aschenputtelbad am Rande des Volksparks. Ausgestattet ist das Freibad mit dem liebevollen Charme des Underdogs, der historischen Authentizität, die nur lange vernachlässigtes aufweisen kann und dem traurig-schönsten Brunnen der Berliner Bäder.

Freitag, 13. Juli 2018

Der Rotmilan kreist über unserem Garten

Die Sonne schien seit Wochen. Sie zeigte keinerlei Zeichen wieder aufzuhören. Von Regen wussten nur noch die Älteren. Langsam begann der Rasen zu stauben. Das Getreidefeld hinter der Datscha war frühzeitig ergelbt, jetzt schon Mitte Juni.

Wir betrachteten die leeren Regentonnen. Von hinten kam überraschend noch viel mehr Staub herangeweht. Wir standen inmitten einer Staubwolke, die immerhin in der Sonne glitzerte. Hinter diesem verbarg sich der Mähdrescher: Er fuhr Noternte, bevor das Getreide komplett vertrocknete. Während Madame und ich die Strohteilchen aus dem Gesicht wischten und den Haaren zupften, schauten wir noch oben. Dort kreisten sie wieder: die großen, eindrucksvollen Vögel, die so ganz ohne Flügelschlag zu schweben schienen. Die Rotmilane waren wieder da, folgten im sicheren Abstand dem Mähdrescher.


Bild: Milvus milvus (2011-04-17 Switzerland Kanton Schaffhausen Gennersbrunn Von Hansueli Krapf Lizenz:  Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0

Rotmilan, milvus milvus: ein eindrucksvoll aussehender Greifvogel, der sich zu einem Meister des mühelosen Gleitflugs entwickelt hat. Typisch für die Aussicht von unserer Terrasse, wo er immer wieder kreist, und typisch für Brandenburg. Denn hier, quasi direkt an unserer Datscha, liegt ein Schwerpunkt seines weltweiten Verbreitungsgebiets.

Von Harz bis Müggelsee  


Ist das Harzvorland die deutscheste aller Landschaften? Ist der Streit um die Aufstellung von Windrädern der deutscheste aller Streits? Ist der Rotmilan der deutscheste aller Vögel?

Freitag, 6. Juli 2018

Nanas Hannover zu Fuß?

Die Nanas in Hannovers Innenstadt lassen sich zu Fuß erreichen. Aber ist dieser Ausflug sinnvoll?

Kann man die Nanas in Hannovers Innenstadt zu Fuß erreichen? Die Frage wird manchem Besucher der Hannoveraner Altstadt absurd erscheinen: schließlich findet der halbe Flohmarkt der Stadt um die Nanas herum statt. Mir aber stellte sie sich: kannte ich die Nanas doch nur vom  Rücksitz eines fahrenden Autos aus am anderen Ende einer sechsspurigen Straße – im Anderen, geradezu exotisch fremdelnden Teil Hannovers. 

Ein Fluss, die Leine, floss bei den Nanas: Fluss und sechsspurige Straße und irgendwo in der Mitte drei große Skulpturen. Ist es möglich, zu Fuß all‘ diese Hindernisse zu überwinden?

Hinten rechts. Am anderen Ende der Welt. Bild: Leibnizufer Von: AxelHH. Public Domain.


Kann der Besucher vordringen zu diesen Skulpturen, in einer Stadt, die gemeinhin als Paradebeispiel für autogerechtes Baues gilt?


Montag, 18. Juni 2018

Go-go-Musik in Washington, D.C.

Die Boombox boomt. In ihr tönt eine Musikkassette durch das Stadtviertel: eine schlechte Aufnahme mit obligatorischem Rauschen und doch kein Grund den Rekorder nicht noch lauter zu stellen: Drums, Congas, eine Art Freestyle Rap. Rhythm, rhythm, rhythm. Going on and on. So tönte es in den 1980ern und 1990ern durch Washington, D.C. Während sich in der Stadt harDCore entwickelte und in New York City Hip Hop groß wurde, schuf Washingtons Black Community ihre ganz eigene Musik: wie Hip Hop oder Funk oder Synthiepop, nur mit Congas und einer ewig spielenden Percussion. Go-go, Music that is going and going and going.


Graffitto von Cool "Disco! Dan, dem Urgestein der eng mit Go-Go verbundenen Washington-Graffitti-Szene. Bild: Example of the Cool Disco Dan tag. Von: Luc1972 at English Wikipedia Lizenz:  Public Domain. 


Musik geprägt durch einen fast hypnotischen, auf jeden Fall groovigen Groove. Und doch sind diese Sounds aus der Boombox nur ein schwacher Abklatsch dessen, was diese Musik live ausmacht. Go-go ist Livemusik: Funk-Soul-Techno-Rap mit Congas. Entstanden in Washington, D.C. und meine musikalische (Spät-)Entdeckung des Jahres.

Musiktexte sollten am besten mit einer musikalischen Untermalung gelesen werden. Deshalb gleich für den Anfang ein Video, worum es geht:



Es begann mit einer Schlachteplatte


Freitag, 8. Juni 2018

Erstes Freibad Berlins: Deutsches Stadion

Ein Mann steht vor mir. Ein braungebrannter, brustbehaarter älterer Herr lehnt sich an die Tribüne des Olympiabads, ein bisschen rundlich, aber darunter sind noch Muskeln zu erkennen. Um den breiten Hals liegt ein Goldkettchen. Die Badehose scheint mir rosa-bunt zu sein. Ich denke „West! West! West-Berlin!“.  Dabei bin ich doch im äußersten Westen der Stadt angekommen, um Spuren eines alten Gesamtberlins zu finden. Als ein Besuch im Freibad noch nicht bedeutete, ältere Herren lässig lehnend zu treffen, sondern:

„Lachende Jugend darin. Gebräunte Gestalten überall bei fröhlichem Tummeln; heiteres bewegtes Treiben – und doch liegt Ernst im Spiele.“

Hier im Westend, neben dem heutigen Olympiastadion, steht der Rest des ersten Berliner Freibads überhaupt: eine Säulenreihe in antiker Anmutung. Weil Säulenreihen noch nie typische Freibadbauten waren, wird deutlich, dass jenes erste Bad kein normales Freibad war.

Das Bad. Gut zu erkenne die Säulenreihe, durch die die Athleten kamen. Ausschnitt aus A Deutsches Stadion megnyitó ünnepsége 1913. június 8-án. Fortepan 86192.jpg . FOTO:FORTEPAN / Schmidt Albin Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported


In Berlin stand einst ein Freibad mit 100-Meter-Becken und einem 10-Meter-Sprungturm. Im Becken schwammen Karauschen und andere Fische, die das Wasser säuberten. Dieses 100-Meter-Bad, mit mehreren Tausend Tribünenplätzen, war nicht etwa der Endpunkt einer langen Entwicklung, sondern das erste Sommerbad(*), das je in Berlin gebaut wurde! Willkommen zum Bad im Deutschen Stadion.

Das Bad war das größte Freibad, das Berlin je hatte. Gebaut und geplant ohne großartigen Erfahrungen mit dem Bau einer solchen Anlage und eigentlich auch eher als „Beiwerk“ eines größeren Stadions. Letztlich erwies es sich wie das gesamte Stadion als wenig anforderungsgerecht und sollte bereits 21 Jahre nach seiner Eröffnung durch einen neuen Bau ersetzt werden.

Freitag, 1. Juni 2018

Vegan Straight Edge in der Wikipedia

Eine gelöschte Schlachteplatte führte mich in die Vergangenheit zu zwei rundlichen Herren mit Schnauzbart auf dem Straight-Edge-Konzert. Der Wikipedia-Schreibwettbewerb sorgte dafür, dass ich nachträglich noch beeindruckt von Nirvana war. Ich verstehe Widersprüche, die ich mit 19 einfach so hingenommen hatte:

„Vegan Straight Edge, Eigenbezeichnung auch xVx, oder VSxE war eine Szene innerhalb der Punk/Hardcoreszene. Leitsätze der Szene waren "kein Alkohol, keine Drogen, keine tierischen Produkte". Sie entwickelte sich Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre aus der Straight-Edge-Szene, als diese zunehmend auch vegane Ernährung propagierte und sich politisch für Tierrechte engagierte.“

Dieser Satz steht seit einigen Wochen in der Wikipedia. Er steht dort als Einleitung zum Artikel [[Vegan Straight Edge]], den ich Anfang März 2018 zu schreiben begann. Der Artikel befindet sich schon länger im Stadium des Unfertigen, denn ich habe Probleme. Gab es Vegan Straight Edge wirklich als abgrenzbare Szene? Oder war es eine Szene oder doch zwei verschiedene in den USA und Europa? Kann man sie klar genug vom restlichen Straight Edge trennen? Um die Frage, auf die Rechtschreibung einzudampfen: war es vegan Straight Edge oder Vegan Straight Edge?


Wurstbruehe
Wurstbrühe beim Kochen (Hausschlachtung) von: Jens Jäpel Lizenz: Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“

Fragen über Fragen, die eigentlich nur entstanden, weil sich in der Wikipedia ein linksbewegter Autor und ein landwirtschaftsnaher Autor in einen epischen Streit über Schlachteplatten und Massentierhaltung hineinbewegten. Schließlich kamen beide zum Schreibwettbewerb. Beim Wikipedia-Schreibwettbewerb schreiben Autoren in einem Zeitraum von einem Monat zu einem bestimmten Thema. Eine Jury aus Wikipedianern bewertet den besten Artikel. Die meisten Preise stammen von anderen Wikipedianern und bewegen sich im Rahmen zwischen selbstgemachter Marmelade und Buch-Gutscheinen.

Youth of Today at SO36 (2010)
Youth of Today (2010). von: Libertinus Yomango Lizenz: r Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 generisch“ (US-amerikanisch)

In diesen Wettbewerb nun gerieten die beiden Autoren und eskalierten beim Schreibwettbewerb weiter. Schließlich führte es dazu, dass der eine Autor eine Schlachteplatte als Preis für den besten Artikel mit Veganismus-Bezug aussetzte. Der andere lief kreischend und hyperventilierend um den virtuellen Block lief. Ich dachte „Hausgemachte Schlachteplatten sind super, Veganismus ist spannend. Gerade den veganen Punk-Tierrechtler bin ich schon oft genug in der Realität über den Weg gelaufen. Es wird Zeit, einen Wikipedia-Artikel zu schreiben!“ Die ersten Recherchen sprachen für das Thema: es gibt Autoren, die Vegan Straight Edge als eigene Szene sehen.

Freitag, 25. Mai 2018

Wiki Loves Jules Verne. Mit Wikipedia in Braunschweig.


Mensch-Maschine Braunschweig


Im ICE ist Deutschland. Der Zug fährt ein und hält. Das Schild am Gleis behauptet tapfer „Zugdurchfahrt“. Die Türen lassen sich öffnen. Am Zug steht nichts geschrieben, außer Wagennummern, die nicht zu den Reservierungen passen. Das Publikum bleibt irritiert. Etwa die Hälfte der Anwesenden geht in den Zug und bleibt im Wageninnern ratlos stehen. Die andere Hälfte steht ratlos am Bahnsteig. 

Schließlich: Lichter gehen an. Der Zug verkündet mittels seiner Anzeigen nun auch, nach Kassel zu fahren.  Eine Frau entschuldigt sich über die Lautsprecheranlage über die falschen Wagennummern, man solle ich immer zehn wegdenken „Also 22 statt der angezeigten 32.“

Ein Mensch mit re:publica-Bändchen am Arm verscheucht die ältere Dame ohne Reservierung von seinem Platz und liest den gedruckten Spiegel. Ich höre ein angeregtes Gespräch zwischen einem Musicaldarsteller und einer Abteilungsleiterin im Innenministerium, die sich gerade kennenlernen über, den relativen Wert von Musikgymnasien in Berlin. Geht es noch deutscher?

Illustration aus dem Buch ""Le tour du monde en quatre-vingts jours" Alphonse de Neuville & Léon Benett


Passenderweise habe ich ein entsprechendes Buch mitgenommen. Nils Minkmars „Mit dem Kopf durch die Welt.“ Das hat schon auf dem Cover ein ICE-Fenster und geht der Frage nach, was Deutschland bewegt. Minkmar lässt sich über deutsche Normalität aus. Der deutsche Ingenieur, lange Jahrzehnte Sinnbild der Normalität, sei nicht mehr normal. Minkmar erzählt aus seiner französisch-deutschen Kindheit:


„Meine Mutter nannte dann immer eine Berufsgruppe, die uns besonders fern war, nämlich les ingenieurs. Wir waren in Deutschland […] und das ganze frisch aufgebaute Land ruhte auf Säulen, die les ingenieurs berechnet, gegossen und zum Schluss noch festgedübelt hatten. […] Viele Jahre später sollte ich die Gelegenheit haben, diese seltene Spezies besser studieren zu können. Sie saßen direkt hinter mir, zwei ausgewachsene Exemplare: Ingenieure, Familienväter, auf der Rückfahrt von einer Dienstreise. Sie plauderten über die sich verändernden Zeiten. […] Fernsehen, Marken, Politiker, auf keinem Gebiet fanden sich diese beiden braven Männer wieder, alles zu grell und bunt, zu aufgeregt. Ihre spezifischen Werte und Tugenden, Sorgfalt und diese stille Freude an der eigenen Biederkeit, das alles war an den Rand gerückt. Ingenieure waren nun Exzentriker. […] Diese Männer fanden sich kulturell kaum zurecht.“

Wenn „der deutsche Ingenieur“ nicht mehr normal in Deutschland ist, sind es jetzt Ministerialbeamtinnen und Musicaldarsteller?

Freitag, 18. Mai 2018

Brandenburg-Hymne: Geschichte mit Nazis

Oh Du Brandenburger Adler

(Teil 2)


Zur Vorgeschichte: Regelmäßig fahren Madame und ich mitten im märkischen Wald an einem Gedenkstein vorbei:

"Hier im Krämerwald, in der ehemaligen Jugendherberge Neu-Vehlefanz, hat Gustav Büchsenschütz im Jahre 1923 das Lied ‚Märkische Heide, märkischer Sand' gedichtet und komponiert."
Zuerst überraschte es mich, dass überhaupt eine Hymne, die inoffizielle Hymne des Landes Brandenburg, quasi aus der modernen Zeit kommt. Die Märkische Heide ist zwar nicht die offiziele Hymne Brandenburgs - das Land hat keine Hymne - wird aber regelmäßig zu offiziellen Anlässen gespielt. Ihr Dichter war kein romantischer Poet des 19. Jahrhunderts in Gamaschen mit wallendem Haar, sondern Leiter des Steglitzer Bäderamtes. Nach etwas mehr Recherche offenbarte sich allerdings eine Geschichte, die idealtypisch eine Berlin-Brandenburger-Geschichte des 20. Jahrhunderts darstellt.

Mehr zur Vorgeschichte, siehe den Post Roter Adler Brandenburg Hymne.

Die Geschichte


Ein junger Mann schreibt ein schlechtes Lied. Ein Ereignis, das auf dieser Welt häufiger vorkommt. Interessant wird das Werk wie so oft in der Kunst durch sein Nachleben. Büchsenschütz selbst schrieb das Lied bei einem Wochenendausflug von Berlin aus mit dem Zug nach Velten und dann wandernd weiter durch das Brandenburger Eiszeitland.

Die Gruppe, laut Büchsenschütz „zehn, fünfzehn Jungs und Mädels“ wanderten vom Ofenmuseum Velten über die Alte Hamburger Poststraße und durch den Krämer Wald. Sie landeten in der Jugendherberge Neu-Vehlefanz. Oder mit Büchsenschütz:

„Das nannte sich Jugendherberge, aber es war nur ne olle Bauernkate, links vom Flur Zimmer, rechts ne Stube, in der Mitte ne Küche. Olle Feld-Bettstellen und olle Decken, das war alles ganz, ganz primitiv. Das sanitäre Häuschen auf dem Hof. Morgens früh waschen an der Pumpe mit kaltem Wasser.“

Dort verbrachte er den langen, anscheinend einsamen Abend und am nächsten Morgen war ein Lied zum Wandern und Singen geboren.

Nun ist es deprimierend genug für Brandenburg, dass die Brandenburg-Hymne von einem Berliner auf Wochenendausflug geschrieben wurde. An diesem Ort zu dieser Zeit treten dort noch jede Menge deutsche Geschichtsverirrungen hinzu.

Der Bismarckorden


Vom Bahnhof Velten nach Neu-Vehlefanz wanderte Büchsenschütz nicht in irgendeiner Wandergruppe, sondern in einer Jugendgruppe des Bismarckordens. Der Bismarckorden war eine radikalere Abspaltung des Bismarckbundes, der wiederum der DNVP – der Deutsch-Nationalen-Volkspartei - nahestand.

Bundesarchiv Bild 102-09993, Potsdam, Reichstreffen des Bismarckbundes
Der Bismarckbund marschiert. Büchsenschütz' Bismarckorden war dessen militante Abspaltung. Bild: Das grosse Reichstreffen des Bismarckbundes in Potsdam! Der grosse Vorbeimarsch der Mitglieder des Bismarckbundes vor dem Reichsführer H.O. Sieveking im Luftschiffhafen in Potsdam. Quelle:
Bundesarchiv, Bild 102-09993 / CC-BY-SA 3.0

Die DNVP und der Bismarck-Bund verfolgten in der Weimarer Republik einen strikt konservativ-monarchistischen Kurs. Sie trauerten dem verflossenen Kaiserreich nach, lehnten die Republik ab und wollten zurück in eine Monarchie.

Mittwoch, 9. Mai 2018

Roter Adler Brandenburg-Hymne?

Oh du Brandenburger Adler

(Teil 1)


Manchmal sitzen Madame und ich in unserer Datsche und schauen nach dem kreisenden Rotmilan. Wir freuen uns an den Erd- und Ackerhummeln, die auf dem Lavendel wippen, und hören im Hintergrund den durchdringenden Sound der röhrenden Motorräder auf der Speedwaybahn.

Rotmilan; manchmal als Roter Adler bezeichnet.


Nicht weit weg von Erdhummeln und Rotmilan, in Wolfslake, hat einer der zehn Klubs der deutschen Motorrad-Speedway-Bundesliga sein zu Hause gefunden. Dort liegt die Speedway-Sandbahn, umgeben von Erdwällen auf denen die Besucher stehen. Das Parken erfolgt auf der Wiese. Auf der Bahn finden im Jahr knapp zehn Wettkämpfe statt.

Speedway Wolfslake gegen Stralsund 07.06.2015 14-07-53
Speedwaybahn Wolfslake

An ebenjenem Speedway-Stadion führt der Gustav-Büchsenschütz-Weg vorbei. Er beginnt am Stadion in Wolfslake, geht einige Kilometer durch den Wald und die Siedlung Neu-Vehlefanz, bis hin zum Gemüsefeld, wo wir frischen Blumenkohl vom Feld schneiden. Man kann sagen: dank des Gemüsefeldes sind wir regelmäßige Gustav-Büchsenschütz-Weg-Fahrer. Das aufregendste, was uns auf der Straße je passierte, war die Sichtung einer Ringelnatter, die auf dem Asphalt lag.

Freitag, 4. Mai 2018

Schwimmen Berlin: Strandbad Wannsee

Mein erstes Berliner Bad. Das Strandbad Wannsee war nicht das erste Bad, das ich besuchte, oder auch nur das erste, das ich sah. Aber es war das erste Bad, dessen Namen ich kannte. Denn natürlich hatte ich damals schon den Schlager gehört; den Conny-Froboess-Badehosen-Schlager. Nicht, dass ich sicher wusste, dass dieser Wannsee überhaupt in Berlin lag. Sicher hätte ich keine Ahnung gehabt, dass der See eigentlich eine Bucht der Havel ist – oder dass ich gewusst hätte, was die Havel ist. Und ganz sicher wäre mir nicht im geringsten bewusst gewesen, dass hier eine Architekturikone der Moderne steht. Das Bad verkörpert den radikale Bruch mit dem betulichen Hoffmann-Stil der Berliner Stadt, hin zum Anspruch eine Weltstadt zu sein.

Blick vom Höhenweg auf das Sonnendeck eines der Bauten. Weiter hinten der über einen Steg erreichbare Aussichtturm für die Rettungsschwimmer.


Das Wannseebad – ein Bad zwischen Symbol und echter Badeanstalt. Wenn es auch eher Symbol ist für die 1950er und West-West-Berlin in seiner fröhlichen Sommerfrische als für die 1920er und den gescheiterten Aufbruch. Ein Symbol ist es aber, das zum Glück aber jedes Jahr durch hunderttausende Besucher fest im hier und jetzt verankert wird.

Freitag, 27. April 2018

Wasserball gegen Homophobie. SG Regenbogen Neukölln und der SSV Esslingen.

Man stelle sich die Szene vor: Hertha BSC spielt das letzte Spiel der Saison in Solidarität gegen Homophobie in Regenbogenhosen und Trikots. Der Mannschaftskapitän kann leider nicht mitspielen, weil er sich beim Aufhängen der Regenbogenfahne im Stadion verletzt hat. Und im Café verkauft derweil ehrenamtlich Bayern München Solidaritätsbier für einen Euro.

SG Neukölln vor dem Spiel


Klingt absurd – ginge es um Fußball. Absurd ist das aber nicht im Wasserball. Denn so ist es geschehen. Nur spielte nicht Hertha BSC, sondern die SG Neukölln. Und das Bistro besetzte nicht Bayern München, sondern die Wasserfreunde Spandau 04. Wobei Spandau 04 sehr viel erfolgreicher spielt als Bayern. Und das ganze trug sich nicht im Olympiastadion zu, sondern in der Allianz-Arena des Berliner Wassersballs: der Sport- und Lehrschwimmhalle Schöneberg.


Im Spiel. Angriff auf das Neuköllner Tor.

Zum ersten Mal beim Wasserball


Ich habe in meiner Kindheit im Verein geschwommen und war gar nicht so schlecht. Ich habe dann in meiner Jugend nicht nur American Football, sondern auch Handball gespielt und war immerhin einst  Kreismeister im Kleinfeldhandball im Landkreis Hannover. Die logische Verbindung aus Handball und Schwimmen – Wasserball - ignorierte ich bis zu diesem Tag.


Montag, 23. April 2018

Thermalbad Bad Krozingen – Vita Classica Therme in Südbaden

Krozingen liegt im Land Baden-Württemberg. Dabei befindet es sich im Landesteil Baden. Es handelt sich dabei um das historische Land Baden, in dessen Zentrum die Stadt Baden-Baden liegt. Eigentlich heißt die Stadt auch nicht Krozingen, sondern Bad Krozingen. Die Bedeutung der Badekultur in diesem Landstrich sollte damit geklärt sein.

Baden ist die Gegend Deutschlands, in der schon Römer badeten und Ruinen ihrer Thermen fast so häufig zu finden sind, wie andernorts Tankstellen? Baden in Baden. Kein Wunder, dass auch in Bad Krozingen am Fuß des Schwarzwalds bei Freiburg, eine Therme steht, die die Badekultur in hoher Blüte vorführt.

Ungewöhnlich ist vielleicht, dass dort am Fuß des Schwarzwalds, das Thermalwasser nicht bereits von den Römern, sondern erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Jahr 1911 gefunden wurde. Wobei die Finder gar nicht Mineralwasser suchten, sondern Erdöl. Jenes "Schwarze Gold" fanden sie nie. Zum Glück für Ort und Gegend fanden sie Mineralwasser, das langfristig eine nachhaltigere Entwicklung Krozingen erlaubte.



Die Quellen unterhalb Krozingens spucken Wasser mit einer Temperatur von 39,4°C aus. Das Wasser ist also ohne Kühlung oder Heizung badefertig. Dabei weist das Wasser einem Mineraliengehalt von über 4.000 mg pro Liter auf. Vor allem haben die Quellen mit 2.200mg pro Liter die höchste Kohlensäurekonzentration Europas und eine der höchsten der Welt.(*) Die Heilwirkung des Wassers geht vor allem von dieser Kohlensäure aus.

Ab 1913 sprudelten die Nena-Quellen - benannt nach dem indischen Freiheitskämpfer Nana Sahib. Die Entwicklung der Quellen folgte einer typisch deutschen Entwicklungslinie durch das 20. Jahrhundert: erst ausgebeutet in einer Art Raubtierkapitalismus zu Beginn, dann als Kurbad mehr oder weniger verstaatlichen und mittlerweile wieder zurück auf dem Weg zur gewinnorientierten Betriebsform.

Aber zurück zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Baden fand damals noch im großen Bottich statt. Das wurde dann aber erst einmal wieder abgeschafft, da sich im Dunkeln im Bottich unschickliches abgespielt haben sollte. Auf die Quelle und ihre Möglichkeiten wollten die Krozinger nicht verzichten: Einige Jahre später wurden Einzelwannen errichtet. Diese wurden ab 1929 in Wannen Erster und Zweiter Klasse unterteilt. Ab 1933 war Krozingen Kurort. Seit 2005 hat die Stadt mit mittlerweile 20.000 Einwohnern auch Stadtrecht. Aufgrund der Quellen siedelten sich im Laufe der Jahrzehnte verschiedene Kliniken im Ort an.



Unbestrittenes Zentrum der Stadt bleiben das Herzzentrum der Uniklinik Freiburg, die sich hier einst wegen des Bades ansiedelte, und das Bad selber. In Bad Krozingen haben sich noch neun weitere Kliniken angesiedelt. Das klassische Kurbad, das in den 1990ern im Rahmen der fast vollständigen Abschaffung des Krankenkassen-Kur-Urlaubs ins Straucheln geriet, nennt sich seit 1995 Vita Classica Therme und bekam im selben Jahr eine Grundüberholung. Seit 1998 existiert  die Saunalandschaft.

Madame und ich waren eher zufällig in Krozingen. Madame allerdings kannte das Bad aus der Ferne, und natürlich waren wir dann beide neugierig. Bei der Erstrecherchere sahen wir das Bad im Internet und fanden dort einen Lageplan. Wir entdeckten sieben Schwimmbecken und dachten an diese Mini-Planschbecken, die gerne ein Schwimmbad flankieren.

Aber nichts da: es handelt sich um sieben ausgewachsene echte Becken – zwei Außenbecken, fünf
Innenbecken - plus diversen Whirlpools, Kneipp-Anlagen und Ähnlichem.


Montag, 16. April 2018

Schwimmbad Friedrichshain? Nein.

Friedrichshain, Du Hort vergangener Schwimmbadherrlichkeit. Friedrichshain – der Berliner Ortsteil am nördlichen Spreeufer, direkt östlich von Berlin-Mitte-Mitte-Mitte. Hier war schon Arbeiterviertel als in Kreuzberg und Wedding noch die Kartoffeln auf den Äckern blühten.

Friedrichshain war der Ortsteil Berlins, an dem einst das prächtigste Freibad der Stadt lag. In Friedrichshain erblickten mehrere Badtypen das Licht der Welt. Die frühe DDR trug hier ihre Sportwettkämpfe aus. In Friedrichshain stand das erste und einzige Spaßbad der DDR. Wenn es um Berliner Schwimmbäder ging, war Friedrichshain stets dabei.

Bild: Kühle Duschen für Groß und Klein im Freizeitpark des Sport- und Erholungszentrums.
Attribution: Bundesarchiv, Bild 183-1982-0723-028 / Zimmermann, Peter / CC-BY-SA 3.0

Was wurde aus Dir, Friedrichshain? Vom Quell des Berliner Schwimmsports hin zur heutigen Wüste. Einzig blieben das Badeschiff - als Symbol brauchbarer denn als Bad. Und es blieb ein 40 Jahre altes DDR-Bad mit Öffnungszeitenproblemen, welches uns bald verlassen wird. Der geschichtsträchtigste Ortsteil des Berliner Schwimmens wird bald auf dem Trockenen sitzen.

Bild: Übersichtskarte der Straßen und Ortslagen in Berlin-Friedrichshain von: Alexrk2 Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported

Wenn Schwimmbäder für den Alltag der dort wohnenden Menschen stehen, so ist der Ortsteil von einem der lebendigsten Ortsteile Berlins zu einem Schatten seiner selbst geworden.

Es war einmal in Friedrichshain

Montag, 9. April 2018

Ex-Bad. Baden in der Schwimmhalle Holzmarktstraße.

Hier steht ein Original. Hier steht das Original. In Friedrichshain steht die älteste Volksschwimmhalle Typ C der Welt. Und die einzige dieses Bautyps, die noch weitgehend im Originalzustand vorhanden ist. Ursprünglich war die Halle hier nahe der Spree erst die dritte gebaute Halle des Typs. Allerdings sind die ersten beiden entweder dem Abrissbagger zum Opfer gefallen (Weinstraße/Friedrichshain) oder rotten seit Jahren geschlossen vor sich hin (Pankow). Was nimmt es Wunder, dass auch die Dritte Halle, nämlich diese, zu den Sommerferien schließt und vermutlich nie wieder öffnet.

Noch aber lässt sich der Typ in seiner vollen Blüte betrachten. In vielerlei Hinsicht steht in Friedrichshain der Höhepunkt dessen, was die DDR je an Schwimmbädern auf die Beine gestellt hat.

Neben dem Typ-B-Bad am Baumschulenweg ist die Schwimmhalle in der Holzmarktstraße die einzige Berliner Halle, die im Inneren unverändert aus der DDR der 1970er bei uns angekommen ist. Immerhin wurde sie noch nicht abgerissen, aber auch noch keiner Sanierung für würdig befunden. Dennoch: die Zeit, die Halle noch zu sehen, ist knapp, die Chance kommt niemals wieder.



Allerdings haben die Berliner Bäder diese Besichtigung nicht einfach gemacht. Fast nur geöffnet wird die Halle für Vereins- und Schulschwimmer und auch für diese wird das Bad immer gerne einmal überraschend geschlossen.

Für Normalsterbliche ist die einzige Zugangsmöglichkeit das Frühschwimmen. Sprich: ich musste zwei Mal morgens um kurz vor Sieben aus Schöneberg kommend in Friedrichshain angekommen sein, damit sich das Schwimmen noch lohnt. Dafür hatte ich bei alen Besuchen überraschend brauchbare Laune, bis ich ankam.

Sonntag, 1. April 2018

Ostern? Hase? Tradition?

Ostern ist blau. Ostern ist grün. Wenn ich tief in mich gehe, was Ostern eigentlich für mich ist, dann entdecke ich die rationale Schicht mit dem christlichen Feiertag, der christlichen Bedeutung ebenso wie der soziologisch-historischen Bedeutung, warum es im Jahr 2018 in Deutschland so gefeiert wird, wie es gefeiert wird.





Die christo-emotionale Schicht


Weiter auf der inneren Entdeckungsreise folgt die christo-emotionale Schicht. Der Restchrist in mir taucht auf, der immer noch ein wenig beleidigt ist, dass Weihnachten das große Fest hier ist – wo diese Stellung doch eigentlich Ostern zustände.

Kreuzigung und Auferstehung stellen das zentrale Ereignis aller Evangelien dar. Jesu Geburt hingegen ist eine Nebenstory eines Evangeliums ist, die überhaupt nur bekannt ist, weil Sie am sich seines christlichen Ursprungs schon lange entledigten Weihnachtens, mit durchgeschleppt wird.

Hier tauchen erste Bilder auf: die Barockkirche Wesselburen in Dithmarschen, der Ostergottesdienst im Dunkeln mit Madame und Ms. Moin, lutherische Rituale, die so ritualistisch sind, dass sie schon fast katholisch wirken – und dann der helle Schein, das Licht. Er ist auferstanden.

Montag, 26. März 2018

Schwimmbad Kaulsdorf: Schwimmhalle am Clara-Zetkin-Weg

Tannen. Zäune. Tannen. Zäune. Büsche. Zäune. Vorgärten schließen sich an Hintergärten an, Zäune folgen Zäunen, süße Häuser und das Best-of des Baumarkts schließen sich aneinander an. Und es hört niemals auf. Ich staune, wie lange man durch so ein Wohngebiet fahren kann, wie viele Straßenkilometer man mit Jägerzäunen säumen kann.

Laut Wikipedia befindet sich im Gebiet des südlichen MaHes (Marzahn-Hellersdorf) das größte zusammenhängende Gebiet an Einfamilienhäusern in Deutschland. Und tatsächlich, es fühlt sich an, als würde man über hunderte Kilometer entlang des Jägerzauns nach Osteuropa geleitet. Ich warte innerlich schon darauf, dass hinter ein paar Thujen der polnische Grenzbeamter herausspringt – und dann: auf einen Schlag ändert sich die Umwelt: eine U-Bahn. Einfamilienhäuser, ein Mini-Einkaufszentrum, und da  - auf halber Strecke zwischen der Berliner Innenstadt und Stettin – in Kaulsdorf- eine Schwimmhalle. Groß, hell beleuchtet, einladend.

Blick auf den Eingang und die Treppe zum Eingang der Schwimmhalle Kaulsdorf.
Schwimmhalle Kaulsdorf-Nord: Quadratisch, praktisch gut,

Beinahe hätte ich ja die Halle in meiner Bestenliste der Berliner Schwimmbäder als die vergessenswürdigste aller Hallen aufgenommen. Bereits drei Wochen nach dem Besuch konnte ich mich an nichts mehr erinnern. Aber deshalb fahre ich mindestens zweimal in Hallen, gleiche Notizen ab und freue mich, wenn ich beim zweiten Aufsuchen dann die längst vergessenen Entdeckungen des ersten Besuchs noch einmal mache.

Wobei mir auch klar war, warum ich alles vergaß. Die Schwimmhalle Kaulsdorf ist ein typischer Typbau. Hier in einer Variante ohne jegliche Deko – einfach nur durchgehend weiß. Weder ist das Bad besonders freundlich noch besonders unfreundlich. Es ist vergleichsweise gut im Stand aber jetzt auch nicht neu saniert. Unfassbar funktional würde ich die Halle bezeichnen. 

Sonntag, 18. März 2018

Uri Buri in Akko, heute in Kitchen Impossible

Akko, eine Stadt in der Bucht von Haifa. Unser Blick fällt im Herbst 2017 auf ihren Hafen am östlichen Mittelmeer. Ein junger bärtiger Mann mit Stirnband stellte uns gerade einen Heringssalat vor die Nase. Madame fragt „War Kitchen Impossible schon hier?“. Ich „Nein, aber sie sollten hier drehen.“ Manchmal schon hielten wir uns in Restaurants auf, von denen wir dachten, sie wären eine geeignete Location für die Fernsehsendung. Dies war das einzige Mal, das wir uns wirklich wunderten, warum sie hier noch nicht drehten.

Am Ende des Roten Pfeils liegt Uri Buri,


Kein halbes Jahr später hat uns die Fernsehsendung erhört. Die Kitchen-Impossible-Folge vom 18. März wird in Akko spielen – und in Akko kann es nur ein Restaurant geben: Uri Buri.


Blick auf den Hafen.


Kitchen Impossible


Kitchen Impossible ist – neben the Great British Menu – die beste Kochsendung der Welt.

Donnerstag, 8. März 2018

In 11 Stationen durch die Nordermarsch in Dithmarschen

Alle Landschaft ist Kulturlandschaft. In Mitteleuropa existiert keine Landschaft, die nicht von Menschen geformt und verändert wurde. Die Suche nach unberührter Natur bleibt in Europa müßig. In Europe lohnt es zu suchen nach dem Zusammenspiel von Mensch und Natur, dem Miteinander- und Gegeneinanderwirken der Kräfte, dem Versuch von Mensch, Tieren und Pflanzen sich ein Heim zu schaffen und dabei mit den Elementen umzugehen. Ertragreich suchen kann man in Dithmarschen an der Nordseeküste Schleswig-Holsteins. Hier wurde das Land vom Menschen nicht nur verändert, sondern erst geschaffen.
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Dort, wo heute Straßen, Felder und Häuser stehen, breitete sich vor 500 Jahren - manchmal auch noch vor 50 Jahren - das unzugängliche Wattenmeer aus: Sumpf mit Ebbe und Flut. Wasser, Salz und Strömungen. Bestenfalls befanden sich dort Salzwiesen – Wiesen, die regelmäßig von Sturmfluten überschwemmt wurden. Es waren Gegenden, in denen sich Mensch und Vieh bestenfalls bei gutem Wetter aufhalten konnten. Gegenden, aus denen sie bei oftmals überraschend auftretendem Schlechtwetter fliehen mussten. Menschen änderten die Landschaft, indem sie  Schutzmaßnahmen: Ringdeiche, Wurten, Deiche, Sperrwerke, um länger zu bleiben.

Oder die Landschaft lebte, änderte sich von alleine. Deiche stürzten. Das Meer holte sich Land zurück. Diese Jahrhunderte der Auseinandersetzung haben ihre Spuren in Dithmarschen hinterlassen. Um diese Geschichten zu sehen und zu erfahren, habe ich für Freunde und Verwandte eine kleine Autotour zusammengestellt. Diese Tour lässt im Laufe eines längeren Nachmittags die Geschichte lebendig werden, das Zusammenspiel zwischen Mensch und Meer in dieser Gegend verstehen.

Seedeiche besuchen wir nicht. Die findet hoffentlich jeder von alleine. In Wesselburenerkoog.


Die Route führt entlang der historischen Linie zwischen Alter Marsch und Neuer Marsch. Die Alte Marsch besteht aus den Teile der Marsch, die vor Menschengedenken (seit mehr als 500 Jahren) eingedeicht wurden, die Neue Marsch und denjenigen Teile der Marsch, deren Existenz erst kürzer zurück liegt.

Schülpersiel


Lage: an der Eider

Es beginnt in Schülpersiel.

Sonntag, 4. März 2018

Schwimmbad Brandenburg: Wildorado, Wildau

Wildau im Südosten Berlins. Mit knapp 10.000 Einwohnern handelt es sich um die drittgrößte Stadt des Landkreises Dahme-Spreewald. Durch die Nähe zu Berlin expandiert Wildau in den letzten Jahren stark.

Ich befinde mich in einer Art Innenstadt. Vor mir liegen ein großer Supermarkt und ein Dönerstand.  Menschen hasten vom Parkplatz zum Supermarkt. Am Dönerstand stehen zwei junge Männer mit Rottweiler, scherzen mit dem arabischstämmigen Mann im Stand. Nebenan wartet die Bushaltestelle auf Fahrgäste. Dort fahren zwei Linien: eine zum Flughafen Schönefeld, eine zum A10 Center,

Wildau, im Umland Berlins, gefressen vom Giga-Einkaufszentrum A 10 Center. Das nach Gesamtfläche größte Einkaufszentrum der Region Berlin. Mit mehr als 20.000 Besuchern täglich kommen hier mehr als doppelt so viele Menschen nach Wildau wie in der Stadt überhaupt leben. Überwiegend sind dies übrigens Brandenburger.

Mein Versuch in dieser Kleinstadt an einem Samstagnachmittag etwas Leben zu finden, endete an dieser Bushaltestelle bei Döner und Supermarkt. Mit einer türkischen Pizza in der Hand („Dürum alle!“), inmitten von Häuserschluchten, einer leeren Straße und einem überdimensionierten Supermarkt.

Vorher war ich Schwimmen gewesen: dort war es voll. Menschen mit Kindern bis vier Jahren waren in großen Mengen anwesend bis weit nach Berlin hinein. Aber niemand sonst. Ist es ein Spaßbad? Nicht wirklich. Ist es ein kommunales Schwimmbad? Ich bin nicht sicher.



Vielleicht ist es beides, vielleicht keines. Ein wenig ähnelt das Wildorado damit der Stadt Wildau selbst, die auch nicht zu wissen scheint, ob sie ein echter eigener Ort ist, oder so eine Art Shoppingmallstandort für das Südostumland Berlins.

Aber genug zum A10-Center, ich war ja nicht mal da. Ich war schwimmen. Das Wildorado. Sollte ich sagen, es ist unübersichtlich?