Montag, 23. April 2018

Thermalbad Bad Krozingen – Vita Classica Therme in Südbaden

Krozingen liegt im Land Baden-Württemberg. Dabei befindet es sich im Landesteil Baden. Es handelt sich dabei um das historische Land Baden, in dessen Zentrum die Stadt Baden-Baden liegt. Eigentlich heißt die Stadt auch nicht Krozingen, sondern Bad Krozingen. Die Bedeutung der Badekultur in diesem Landstrich sollte damit geklärt sein.

Baden ist die Gegend Deutschlands, in der schon Römer badeten und Ruinen ihrer Thermen fast so häufig zu finden sind, wie andernorts Tankstellen? Baden in Baden. Kein Wunder, dass auch in Bad Krozingen am Fuß des Schwarzwalds bei Freiburg, eine Therme steht, die die Badekultur in hoher Blüte vorführt.

Ungewöhnlich ist vielleicht, dass dort am Fuß des Schwarzwalds, das Thermalwasser nicht bereits von den Römern, sondern erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Jahr 1911 gefunden wurde. Wobei die Finder gar nicht Mineralwasser suchten, sondern Erdöl. Jenes "Schwarze Gold" fanden sie nie. Zum Glück für Ort und Gegend fanden sie Mineralwasser, das langfristig eine nachhaltigere Entwicklung Krozingen erlaubte.



Die Quellen unterhalb Krozingens spucken Wasser mit einer Temperatur von 39,4°C aus. Das Wasser ist also ohne Kühlung oder Heizung badefertig. Dabei weist das Wasser einem Mineraliengehalt von über 4.000 mg pro Liter auf. Vor allem haben die Quellen mit 2.200mg pro Liter die höchste Kohlensäurekonzentration Europas und eine der höchsten der Welt.(*) Die Heilwirkung des Wassers geht vor allem von dieser Kohlensäure aus.

Ab 1913 sprudelten die Nena-Quellen - benannt nach dem indischen Freiheitskämpfer Nana Sahib. Die Entwicklung der Quellen folgte einer typisch deutschen Entwicklungslinie durch das 20. Jahrhundert: erst ausgebeutet in einer Art Raubtierkapitalismus zu Beginn, dann als Kurbad mehr oder weniger verstaatlichen und mittlerweile wieder zurück auf dem Weg zur gewinnorientierten Betriebsform.

Aber zurück zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Baden fand damals noch im großen Bottich statt. Das wurde dann aber erst einmal wieder abgeschafft, da sich im Dunkeln im Bottich unschickliches abgespielt haben sollte. Auf die Quelle und ihre Möglichkeiten wollten die Krozinger nicht verzichten: Einige Jahre später wurden Einzelwannen errichtet. Diese wurden ab 1929 in Wannen Erster und Zweiter Klasse unterteilt. Ab 1933 war Krozingen Kurort. Seit 2005 hat die Stadt mit mittlerweile 20.000 Einwohnern auch Stadtrecht. Aufgrund der Quellen siedelten sich im Laufe der Jahrzehnte verschiedene Kliniken im Ort an.



Unbestrittenes Zentrum der Stadt bleiben das Herzzentrum der Uniklinik Freiburg, die sich hier einst wegen des Bades ansiedelte, und das Bad selber. In Bad Krozingen haben sich noch neun weitere Kliniken angesiedelt. Das klassische Kurbad, das in den 1990ern im Rahmen der fast vollständigen Abschaffung des Krankenkassen-Kur-Urlaubs ins Straucheln geriet, nennt sich seit 1995 Vita Classica Therme und bekam im selben Jahr eine Grundüberholung. Seit 1998 existiert  die Saunalandschaft.

Madame und ich waren eher zufällig in Krozingen. Madame allerdings kannte das Bad aus der Ferne, und natürlich waren wir dann beide neugierig. Bei der Erstrecherchere sahen wir das Bad im Internet und fanden dort einen Lageplan. Wir entdeckten sieben Schwimmbecken und dachten an diese Mini-Planschbecken, die gerne ein Schwimmbad flankieren.

Aber nichts da: es handelt sich um sieben ausgewachsene echte Becken – zwei Außenbecken, fünf
Innenbecken - plus diversen Whirlpools, Kneipp-Anlagen und Ähnlichem.



Nicht inbegriffen sind bei dieser Zählung der Saunabereich und der Privatbehandlungsbereich, den wir beide ignorierten.

Vorweg: den Versuch ernstlich zu schwimmen, sollte man nicht unternehmen. Toben-Rutschen-Rumspringen geht auch nicht. Aber Baden funktioniert in jeder Hinsicht. Und bauhistorisches Freizeitforschen funktioniert auch ganz hervorragend: dieses Bad ist in Ringen gewachsen. Im und um das Bad herum lassen sich alle Bauphasen von den 1950ern bis in die 2000er entdecken.

Gebäude


Gebäude ist eine unpassende Bezeichnung für diesen Komplex aus all‘ den Schwimmhallen, mehreren Geschäften, dem Café, Veranstaltungsräumen und anderen. Das einzige was dem Besucher eine Rest-Orientierung zu wahren, ist die Eigenschaft, fast alles ebenerdig zu halten. Von Außen hin sieht das unspektakulär aus. Es wuchs über Jahrzehnte, mit seinen stärksten Wachstumsimpulsen in Zeiten, in denen von Außen spektakuläres Bauen nicht in erster Linie gewünscht war.



Spektakulär ist allerdings der Parkplatz, der mich schon fast an die Schöneberger IKEA-Bauhaus-Kombination erinnerte. Er ist groß. Und er war fast voll. Ich erwartete riesige Menschenmengen im Bad – die vermutlich auch in der Therme waren, sich aber in all‘ den Hallen verliefen.

Umkleiden


Die Umkleiden stammen von 2011 und schaffen es gleich, jedes Kurbad-von-1965-Feeling zu vertreiben. Sehr positiv und umfassend großartig sollte ich für ein Bad dieser Größe erwähnen, dass die kompletten Anlagen ebenerdig sind. Das freut nicht nur die Barrierefreiheit – die hier natürlich groß geschrieben wird – sondern auch sonstige Besucher, die sich auf- und abrutschen auf Treppen sparen.

Die kleinen blauen Punkte sind ausgewachsene Schwimmbecken. Die gesamten Bereichen zwischen diesen eigenen sich auch zum Baden. Open Street Map © OpenStreetMap contributors, made available under the terms of the Open Database License (ODbL).


Ich erinnere mich an große Kabinen, schwarze Gänge, Spinde, die mit Hilfe der Karten funktionierten und auch so eine Ablage-Klapp-Vorrichtung zum Verriegeln der Kabine, die mir praktisch vorkam, Madame aber erst einmal verwirrte.

Die Duschen waren gut gepflegt, mit Einzelkabinen, funktional und weder shiny noch luxuriös. Sie wurden ihrem Anspruch aber mehr als gerecht.

Schwimmbecken


Luxuriös.. meine Güte. Wir hatten fast Probleme den Überblick über die Becken zu behalten. Was auf jeden Fall auffällig war: der Kohlensäuregehalt des Wassers. Der liegt zwar immer noch deutlich unter dem von mit-Kohlensäure-versetzten Getränken und die Bläschen waren deutlich kleiner. Aber die Kohlensäure war im ganzen Wasser zu bemerken - sei es an den Miniaturbläschen, sei es an dem leichten Auftrieb, dem sie einem verschafften.



Es begann mit einer Art Sportbecken, etwas tiefer und offensichtlich in einem der ältesten Gebäudeteile. In dem Becken fand anscheinend ein ewig währender Aquafitkurs statt – ich hatte den Eindruck, man hätte sich spontan anschließen können, möchte aber dafür nicht meinen linken Fuß verwetten.

Nebenan waren noch mehrere angemessen eiskalte Kneippbecken. Von diesem Becken aus ging es durch eine Rotunde – auch älteres Baujahr und spektakulär – in das Erlebnis-Außenbecken. Das war erfreulich groß, hatten sowohl freie Düsen als auch den Düsenparcours mit Gong, den ich in anderen Thermen schon gewohnt war. Die Parkeinrichtung außerhalb des Beckens war auch nett. Auch wenn man zu einem Großteil auf die Gebäudefassaden der Thermen schaute.

Erlebnisbecken. Rechts am Rand zu erahnen: die Rotunde. Das hier nicht gezeigte Säulenbecken sah noch schicker aus. Bild: Kur und Bäder GmbH Bad Krozingen


Dann war dort noch der blaue Salon mit zwei „Therapiebecken“ – von denen eines gerade wegen Reinigung gesperrt war. Hier war das Ambiente eher funktional, das Wasser warm und die Becken tief.

Hinter diesen Becken ging es weiter in die nächste Halle mit der echten Therme. Ich glaube, der offiziellen Bezeichnung nach befanden wir uns im jetzt in der Kuppelhalle. Diese entstand durch den Umbau 1995 und zeigt deutlich, dass sie nichts mit Kur und viel mit Wellness zu tun haben will: Gedämpftes Licht, Marmorsäulen, leise säuselnde Musik (oder bildete ich mir diese nur ein?), Lichteffekte – ein Schau- und Atmosphärenbecken. (so sehr, dass extra ein Schild noch einmal auf das explizite Verbot sexueller Handlungen hinwies - womit das Bad den Salto in die Vergangenheit und die Bottich-Zeit geschafft hätte.)

Kuppelhalle. Kur und Bäder GmbH Bad Krozingen


Irgendwie in anderen Gebäudenteilen fanden wir weitere Becken, die entweder „privat“ waren – keine Ahnung wem man wo Geld bezahlen muss, um dort hinzugelangen – und das nächste Therapiebecken, das allerdings tagsüber für Kurse belegt und ansonsten nicht zugänglich ist.

Daneben fanden wir dann aber noch das zweite Außenbecken, das Säulen-Außenbecken. Gelegen in einer Anlage ähnlich einem kleinen Park mit spektakulären Buchsfiguren. Das Becken ist eher groß, hier fließt ein langsamer Strudel einmal um das gesamte Becken. So dass man sich entweder treiben lassen kann, oder am Rande hängen, und die Menschen an sich vorbeitreiben lassen. Sobald ich eine Möglichkeit entwickelt habe, in diesem Becken Bücher zu lesen, werde ich dort einziehen.

Eins der von uns nicht gefundenen Becken. Vermutlich, weil wir bis in den Saunabereich gar nicht erst vordrangen. Bild: Kur und Bäder GmbH Bad Krozingen


Mehr Becken fanden wir nicht. Das bedeutet hier allerdings nicht unbedingt, dass keine weiteren Becken existieren. Diese Weiße Halle, von der die Badische Zeitung spricht, habe ich glaube ich nie gesehen. Weitere Erkundungsbesuche tun not.

Publikum


Ich sehe und staune. Eine Erholungstherme in einem Kurort, die anscheinend medizinisch wirklich genutzt wird. Nie sah ich so viele Krücken und Gehhilfen in einem Bad. Das Publikum hatte einen entsprechend hohen Altersschnitt. Dazu trug sich auch bei, dass wirklich alle Wege im Bad kurz, ohne Treppen, breit und ansonsten hervorragend zu laufen waren.



Aber hier funktionierte, was sich Verfechter der Inklusion von Schulen bis zum Wohnungsbau wünschen: es vermischte sich. Eine nicht unerhebliche Zahl der Besucher war jünger und wirkte dem Augenschein nach nicht behandlungsbedürftig. Wie immer beim Baden in Baden besuchten zahlreiche auch viele Franzosen das Bad – insgesamt eine nette Mischung aus Menschen, die so wirkten als würde das Bad ihnen medizinisch helfen, ohne dass diese speziellen Krankenhausatmosphäre aufkam. Laut den Betreibern selbst, sind 40% der Gäste Reha-Gäste und 60% reine Tagesgäste. Von diesen wiederum kommt etwa ein Fünftel aus Frankreich, der große Rest aus dem Großraum Freiburg.

Auch faszinierend: der Parkplatz war wie gesagt voll. Wenn ich innerlich versuche, die Besucher zusammenzählen, die ich gesehen habe, komme ich sicher auf eine mittlere bis hohe dreistellige Zahl, die gleichzeitig im Bad waren. Und dennoch wirkte es ob seiner Größe immer noch entspannt und luftig.

Gastronomie


Möglichkeiten für Speis und Trank Geld auszugeben, sind natürlich reichlich vorhanden. Das durch einen Umbau 2017 entstanden vor dem Eingangsbereich noch an der Straße laut Betreiber "eine Flaniermeile und Retrocafé".  Das Café Sahnehäuble bietet draußen ein Café, das uns guten Espresso servierte. Drinnen gibt es auch einen größeren Gastronomiebereich, der in seiner Speisenauswahl deutlich ambitionierter wirkt als sonstige Schwimmbadgastronomie: Die Sachen, die Menschen auf den Tellern hatten, wirkten einladend.



Allerdings muss ich auch sagen: aus Zeitgründen haben wir auf Essen verzichtet. Wenn ich die einschlägigen Foren und Beratungsportale lese, scheint die Qualität des Essens das einzige zu sein, was Menschen wiederholt bemängeln und quasi nie loben. 

Ganz spannend: in einem Keller fanden wir auch noch einen Brunnen, an dem mensch das gesunde Mineralwasser tatsächlich trinken konnte. Und das schmeckte genauso widerwärtig wie man es von ordentlichem mineralhaltigem Wasser erwartet.

Fazit


Was für ein Bad. Von Außen sieht man erstmal einen großen Parkplatz und flache funktional wirkende Nachkriegsbauten. Hat man das aber erst einmal überwunden, kamen wir aus dem Staunen überhaupt nicht mehr heraus. Ich glaube, wenn ich das nächste Mal in Baden bin, nehme ich mir ein paar Bücher, und werde ein bis zwei Tage in Krozingen einziehen.

Preise / Öffnungszeiten


Geöffnet ist jeden Tag von 8.30 Uhr bis 23 Uhr. Die Therme kostet 15.60 Euro, Therme und Sauna zusammen 24,90 Euro.

Sonstiges


Das Beste überhaupt: im Thermalbadkomplex nicht unweit des Eingangs befindet sich eine Boutique, die unter anderem auch Schwimmsachen verkauft: und dort gibt es diese großartigen Blümchen-Badekappen!



Für Kurse in denen echte Schwimmbecken nötig sind, kooperiert die Therme mit dem nahe gelegenen Hallenbad Krozingens, welches den wunderschönen Namen Aquarado trägt.


Weiterlesen

Die Übersicht aller Iberty-Schwimmbadposts liegt unter: Schwimmbäder nah und fern: Rückblick und Ausblick.


Mit Thermen ist es in Berlin/Brandenburg eher schwierig. Die Traditionsbäder in Gesundbrunnen haben schon vor langer Zeit ihren Betrieb eingestellt - was es existiert sind meist unfassbar teure sich exklusiv gerierende Saunalandschaften mit Alibibecken; oder halt diese 1990er-Spaßbadverschnitte Brandenburgs, die Investoren damals den Kommunen aufschwatzten. Das einzige bisher beschriebene Bad im Großraum Berlin, das vage in dieselbe Richtung geht, wie die Therme in Krozingen ist das TURM Erlebnisbad in Oranienburg.

In Baden hat nicht nur das Baden eine alte Tradition, auch das Spaßbaden. Das Laguna Badeland in Weil am Rhein ist ein deutsches Ur-Spaßbad.

Den Fundbericht zur Nena-Quelle veröffentlichten Hans und Maure Thürach 1912. Sie verschweigen allerdings, dass es eigentlich um Erdöl ging.

Und noch ein kleines Stückchen weiter nach Süden liegt das beste Freibad der Welt. Das Naturbad in Riehen. 

Anlässlich des 100. Jubiläums veröffentlichte die Badische Zeitung eine mehrteilige Reihe zur Geschichte des Krozinger Thermalwassers.

Anmerkungen


Wobei dort, wie oft bei solcherlei Superlativen vorsicht geboten ist. Mein Versuch, die Quelle mit der höchsten Kohlensäurekonzentration der Welt zu finden, scheiterte ebenso erbärmlich wie die Suche nach der zweithöchsten Konzentration in Europa. Tatsächlich beziehen sich alle Quellen mit diesem Superlativ auf Krozingen.




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