Sonntag, 28. Februar 2016

Allein mit der Madonna zum Hasen

Darmstadtmadonna

Darmstädter Madonna
Hans Holbein der Jüngere, 1526/1528
Öl auf Nadelholz (?), 146,5 × 102 cm
Sammlung Würth, Johanniterhalle (Schwäbisch Hall)

Wikipedia-KNORKE erwähnte ich ja an dieser Stelle schon einmal. Berliner Wikipedianerinnen und Wikipedianer treffen sich und erkunden zusammen eine ihnen unbekannte Gegend. Soweit so üblich. Diesmal jedoch gab es etwas besonderes: Auf ins Museum!

In Berlin gastiert gerade die Darmstädter Madonna, ein 1526 entstandenes Gemälde von Hans Holbeim dem Jüngeren. Diese Madonna hat eine bewegte Lebens- und Reisegeschichte, ist eines der bedeutendsten deutschen Gemälde des 16. Jahrhunderts und kann Menschen auch über Jahre faszinieren. Wunderbar, wenn man eine kundige Bilderklärung der Autorin des exzellenten Wikipedia-Artikels dazu bekommt.

Wir trafen uns einige Minuten vor der Öffnung in kleiner Gruppe vor dem Bode-Museum und konnten - da alle Anwesenden über eine Jahreskarte verfügten - auch sofort zur Madonna und zur Sonderausstellung "Holbein in Berlin" begeben. Der Raum war noch leer, die Museumswachmannschaft ließ freundlicherweise die leise aber engagiert redende Gruppe gewähren. Ein einziger Saal, in dessen Mittelpunkt die Madonna hängt. Links davon einige Holbein-Teppiche, ansonsten weitere Bilder und Zeichnungen von Holbein, Inspiratoren und andere Madonnen. Nicht überladen, sinnvoll aufbereitet und mit einem klaren Konzept - eine der besseren Kunstausstellungen.

Samstag, 20. Februar 2016

Everybody loves to Cha-Cha-Cha




Tanzen ist so ähnlich wie deutsche Literatur: die Schulzeit gibt sich alle Mühe, Menschen jeglichen Spaß daran auszutreiben. Was schade ist: Es ist ganz allgemein schade und im Besonderen und jetzt im Falle Cha-Cha-Cha. Tanz der guten Laune, des Optimismus und Exotismus. Damals in den 1950ern, als die Welt weit und voller Wunder war. Licht, Luft und Sonne in die Welt kam. Während es andernorts ja durchaus ein beständiges 1950s-Revival gibt - von Straßenkreuzern über Rockabilly bis hin zur Tiki-Culture - dämmert der Cha-Cha-Cha etwas vor sich hin. Ich beschuldige die Tanzschulen!

Aber genug vom Elend der Jugend, schnauzbärtigen Männern, die versuchen, friedlichen jungen Menschen komische Benimmregeln einzuhämmern und allgemein so wirkten als hätten sie ihre Tanzlehrerausbildung bei der Bundeswehr erhalten. Auf zu two-three-cha-cha-cha-two-three.
Geboren in anrüchigen Bars des dekadenten Teils Cubas, geschliffen in den Nachtclub New Yorks und danach über die Welt verbreitet. Als Rhythmus immer noch weit verbreitet, als Tanz aber verbannt in die Tanzschul-Ball-Ecke. Welch Schande.

Ein paar Basics


Für diejenigen, die ihre Jugend-Tanzschulzeit erfolgreich verdrängt haben, oder diesen Initiationsritus komplett umgehen konnten: Cha-Cha-Cha ist nach derzeitiger Klassifikation ein Latein-Tanz. Was bedeutet: mensch steht weiter auseinander; was wiederum dazu führt, dass beide – insbesondere natürlich die Folgenden – mehr Gelegenheit und Platz zu Drehungen, Schleifchen und zu anderen theatralischen Verzierungen haben.  Außerdem darf man sich ab und an ins Gesicht schauen, bleibt im Wesentlichen auf dem Platz (weniger Kollisionsgefahr auf der Tanzfläche) und statt des Oberkörpers ist die Hüfte betont. Wenn man es kann, sieht es ungefähr so aus:



(und wie es ausschaut, muss ich wirklich mal ranten über die Qualität der Youtube-Tanz-Videos, die zu einem Drittel aus recht furchtbaren Tanzlehrern - sie sind im Allgemeinen immer noch nicht besser geworden! - bestehen und sonst zu je einem Drittel aus Vollprofis oder Fernseh-Tanz-Shows, die mit dem was normale Menschen so machen einfach sehr sehr wenig zu tun haben. Über den ästhetischen Wert der Tanzprofi-Darbietungen könnte ich mich eh einmal länger auslassen, aber nicht hier. Aber wo wir dabei sind, nochmal welche der nicht ganz so schlimmen You-Tube-Tanzlehrer:





Wie man vielleicht selbst unter der Mitwirkung von Tanzlehrern merkt: Musik, die einem eigentlich keine andere Wahl lässt als gute Laune zu haben, die nette Mischung aus knackigen Cha-Chas und den prononcierten Figuren, Hüftwackeln und offenbar der direkte Geheimweg zu Gute-Laune-Hormonen. 

Cha Cha beginnings

Soweit ich nachverfolgen kann, entstand Cha-Cha aus Danzon:



und Mambo



Dabei begannen Tänzer und Tänzerinnen die typischen kurzen Zwischenschritte zu machen, der Name Cha-Cha-Cha stammt vom Geräusch der Sohlen, die über die Tanzfläche streifen. In fertig hörte sich die Musik in den 1950ern dann so an:



Cha-Cha hat dabei auch überraschend europäische Wurzeln. Der Danzon wiederum entstand aus dem Contradanza, der wiederum auf die englischen Country Dances und den französischen Contradanse zurückgeht, über die ich letztens schon bloggte. Nun bringt man also englische und französische Tänze durch Spanien über den Atlantik, bringt afrikanische Rhythmik und Synkopierungen hinzu, lässte das ganze ein paar hundert Jahren vor sich hinköcheln und kommt mit einem lateinamerikanischen Tanz heraus.

Cuba war damals noch in der Vor-Fidel-Castro- und Che-Guevara-Zeit. Es handelte sich um eine Art vorgelagertes Vergnügungsviertel der USA ohne störende US-Behörden, aber dafür mit einem ernsthaften Mafia-Problem; aber auch mit Sonne, Sommer, Strand und Meer. Nicht wenige legendäre Cocktails enstammen dem 50er-Jahre-Cuba ebenso wie einiges was heute in der Welt getanzt wird. So auch der Cha-Cha-Cha, der in Nachtclubs besserer und schlechterer (Mafia!) Reputation gespielt wurde. Über Cuba ging es dann nach New York City (Mafia!).

Damit aber nicht genug, der Cha Cha Cha reiste dann von zwielichtigen Bars auf Cuba in nicht ganz so zwielichtige Ballsäle in New York City, wurde da verfeinert, abgeschliffen, rhythmisch vereinfachert und eroberte die Welt. Die große Leistung der USA schon damals: Entwicklungen aufzugreifen und in eine Form zu bringen, mit der die ganze Welt etwas anfangen kann.



In den USA war es ein Riesenhit, nicht zuletzt unsterblich durch



Es ging auch nach Europa:




Und dann in das Welttanzprogramm - Richtschnur für ernsthafte Tanzwettbewerbe ebenso wie für das Tanzschulprogramm. Dann begannen sich Profitänzer und Tanzlehrer auf den armen Tanz zu stürzen. Gut, dass der Tanz überlebte und immer noch rhythmisch, verspielt, schmissig, ironisch und energetisch ist. Wenn man es richtig kann - und professionell tanzt - sieht freie Choreographie nach vage Cha-Cha-ähnlichem Rhythmus ungefähr so aus




Aber wie schon gesagt. Profitanz ist etwas sehr anderes als das Freizeitvergnügen. In echt, wenn man es viel besser kann als ich, sieht es eher so aus (wenn auch meist ohne Kostüme)




Das ist aber immer noch Turnier und Sport und damit potentiell anstrengend. Und deshalb lieber Back to the roots:



Have Fun! Licht, Liebe und Sonne!

Dienstag, 16. Februar 2016

Dunkel, Halbschlaf, nasse Straße


Kramsen, zwei Schlösser, eine Tasche, zwei Handschuhe

und nur zwei Hände.

Aus der Auffahrt, scharf rechts.

Sehr leicht bergab, ein mittelguter Radweg. Rote Farbe, Split. *knirsch*

Eine enge Kurve quer über den Bürgersteig, am Kiosk vorbei, auf die Fußgänger aufpassen. 

Ein besserer Radweg, Achtung an der Bushaltestelle.

Rote Ampel an der nie ein Auto fährt. Warten?

Noch eine Bushaltestelle. Unter der Brücke. Achtung eng! Dunkelgrau.

Straße statt Radweg. Freies Feld. Wind. Wieder eine Steigung.

Große Kreuzung, lange warten. Erst geradeaus, dann die Rechtsabbieger. Noch länger warten. Andere Räder kommen von hinten.

Breite Straße, noch mehr Wind. Ein Hauch von Weite. Nein, eher ein Sturm von Weite. Fahnen zeigen Gegenwind.

Blaugraue Straße, blaugraue Häuser, große Parkplätze.

Noch mehr Bushaltestellen. Hier steigt niemand aus und niemand ein.

Vor der Sporthalle stets ein leerer Bus der wartet. Mehr Ampeln, mehr Kreuzungen, viele Autos, wenige verlorene Fußgänger.

Warten, los treten, in Schwung kommen, bremsen, warten. Hier sammeln sich die Radler.

Bergab: yuuuuuuuiiiiih! Unter der Brücke. Und hccchzzz, bergauf.

Scharf rechts, ins Gewerbegebietslabyrinth. Kurve nicht zu weit nehmen, sonst frontal in den Bus in die andere Richtung.

Enge Durchfahrt, ein großer Parkplatz. Wenn es stürmt, dann und hier jetzt richtig. Früh morgens um fünf einsame LKW-Fahrer. Noch mehr Split.  *KNIRSCH*

Müde Menschen schlurfen zur Arbeit.

Endlich wieder ein Gefühl von Stadt. Mehr Gewerbe, rote Häuser, Kreativschmieden und links ein Parkhaus-Supermarkt-Konglomerat.

An der Baustelle links durchmogeln. Endlich mal ein Park. Im weiten Bogen vorbei.

Berliner Nebenstraßen. Wohnhäuser aus dem 19. Jahrhunderts. Weiß-beige-rötlich.

Vollgeparkte enge Gassen. Ein Supermarkt, ein kroatisches Restaurant.

Eine Eckkneipe. Noch eine Eckkneipe. Und noch eine Eckkneipe. Und eine Eckkneipe, die sich als italienisches Eiscafe tarnt.

Eine Hauptstraße schiebt sich wie ein Fluss dazwischen. Querung ohne Ampel. Warten auf eine günstige Strömung.

Mehr Nebenstraßen. Mehr Eckkneipen. Zum Abschluss Rüttel-Kopfsteinpflaster.

Jetzt noch an der meist roten Ampel rechts, bergab. An den wartenden Autos vorbeischleichen, mehr bergab, leicht bergan, an der Ampel über die Straße.

Metallschloss an Metallbügel. Kalt an den Fingern.

Sonntag, 14. Februar 2016

Die Verschwundenen

Crossposting eines Posts von mir aus dem Wikipedia Kurier. Erfahrungsgemäß lesen das dort und hier ja doch andere Menschen.

Wikipedistas kommen und gehen. Manchmal gehen mehr, manchmal weniger. Einzelne davon fallen durch ihr Wirken in der gesamten Wikipedia auf oder versuchen sich wenigstens durch einen spektakulären Abgang in Szene zu setzen. Die meisten Autoren und Autorinnen aber gehen genauso still und leise wie sie gekommen sind und gearbeitet haben.

Die unseligen Autorenschwund-Debatten der unseligen Wikimedias kümmern sich ja um Zahlen und nicht um Autorinnen und Autoren. Wie armselig! Den Meta-aktiven Communitymitgliedern - aka Wikifanten - fallen vor allem die anderen Wikifanten auf, die entschwanden. Dabei zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass es um lauter einzelne Individuen mit verschiedenen Vorlieben, Arbeitsstilen und Interessen geht, die in Wikipedia tätig waren und sind. Es gibt vor allem diejenigen, die kommen, einen Beitrag leisten und dann wieder verschwinden. Der größte Teil der tatsächlichen Wikipedia wird von Menschen und Accounts gestaltet, deren Edits fast nur im Artikelnamensraum aufzufinden sind. Manchmal arbeiten sie unermütlich über viele Jahre, manchmal auch nur einige Wochen an einen oder zwei Artikeln. Viele davon sind als IP aktiv, so dass sich fast nichts über sie sagen lässt. Vielleicht sind die Beitragenden per IP auch gar nicht viele, sondern eine einzige sehr fleißige Autorin? Wer weiß?


 Viele Wikipedianerinnen und Wikipedianer sind derzeit inaktiv.

Anlässlich des Projektes WikiWedding und in meinem Bestreben möglichst viele Wedding-Aktive daran zu beteiligen, lese ich ja derzeit viele Artikel zu einem Themengebiet, das mir in den letzten Jahren eher fremd war und an dessen Entstehung ich nicht beteiligt war. Wer sich in den letzten Monaten am Thema beteiligt hat, ist mir bewusst, wer sich von 2001 bis 2014 des Weddings angenommen hat, musste ich nachlesen. Eine spannende Lektüre voller mir unbekannter Namen und Accounts. Neben einigen mir bekannten Wikipedistas waren dort vor allem mir unbekannte Accounts. Accounts, die oft aufgehört haben zu editieren. Meist sind sie still und leise gegangen. Ihre Edits und Kommentare geben keinen Hinweis warum. Aber anscheinend war es anderswo schöner. Oder sie hatten den Einruck, alles in Wikipedia geschrieben zu haben, was sie beitragen wollten. Um diesen Autorinnen und Autoren zumindest nachträglich etwas Aufmerksamkeit zu geben, um ihre Namen kurz aus den Tiefen der Versionsgeschichten zu retten, sollen hier einfach einige Autorinnen(?) und Autoren gewürdigt werden, die sich um den Wedding in Wikpedia bemühten bevor sie verschwanden.

Mittwoch, 10. Februar 2016

Erste Schritte mit Crocky – ein Erfahrungsbericht mit dem Slow Cooker

Vor einigen Wochen hatte ich es schon angekündigt: in unserer Küche wohnt jetzt Crocky. Crocky ist ein „Crock Pot“ oder Slow Cooker, angeblich deutsch auch „Schongarer“.

Da Slow Cooker im deutschsprachigen Raum keine übermäßige Verbreitung haben, vielleicht noch einige Worte vorweg: Wikipedia definiert„Schongarer, auch „Slow Cooker“ (aus dem Englischen, wörtlich „Langsamgarer“), „Crock-Pot“ oder „Crocky“ (Markenname eines in den Vereinigten Staaten und Kanada verbreiteten Produktes), bezeichnet einen elektrischen Kochtopf zur langsamen Erhitzung zwischen drei und zwölf Stunden von Lebensmitteln bei Temperaturen unter dem Siedepunkt.“ 

Praktisch sieht es bei uns so aus, dass es ein elektrisches Heizgestell gibt, in das ein Keramikeinsatz kommt. Der Einsatz lässt sich entnehmen, ist spülmaschinenfest und sieht auch auf dem Tisch akzeptabel dekorativ aus. Im Einsatz ist das Essen. Durch einen Glasdeckel mit Gummilitze wird das ganze dicht abgeschlossen. Unser Crocky hat die Einstellmöglichkeiten „High“ (120 bis 140 Grad), „Low“ (80 bis 100 Grad) und „Warmhalten“ und lässt sich im Voraus programmieren.



Ursprung der Anschaffung war meine bereits an mehreren Stellen bekundete Leidenschaft für echtes Barbecue und die Schwierigkeit, dieses in Deutschland zu bekommen. Nun kann Crocky nicht räuchern, aber die stundenlange Zubereitung bei niedrigen Temperaturen bekommt der Slow Cooker zumindest hin.

Erste Schritte


Wir gehen erst einmal nach dem Konzept vor „Mach mit – mach’s nach – mach’s besser“ und beginnen uns, an der Top-10-Liste aus dem Crocky-Blog abzuarbeiten: Gefüllte Paprikaschoten, Altbierbraten und Sauce Bolognese.

Das Crocky-Blog von Gabriele Frankenmölle ist eine unschätzbare Wissensquelle für das Gerät und hat uns sowohl bei Anschaffung wie auch Nutzung sehr geholfen. Um so erstaunlicher, da ebenjene Gabriele Frankenmölle auch noch meine liebste deutsche Website für US-Küche betreibt, und damit schon dafür verantwortlich ist, das unfassbar großartige Coffee-Chili in diese unsere Küche einzuführen. Dass beides von derselben Frau stammt, haben wir übrigens erst mitbekommen, als Crocky hier schon in Benutzung war.

Neben den Top 10 haben wir aber auch selber und freihändig gecrockt; Zur Einweihung (natürlich) Pulled Pork, dann eine Lammschulter, ein größeres Stück Hirsch und eine Hühnersuppe. Um das Wichigste dieser Tests vorwegzunehmen: oh wow!



Crocky und Ofen


Erste Frage: warum kein Ofen? Der kann ja auch stundenlang bei niedrigeren Temperaturen garen? Das stimmt natürlich, und für so Gelegenheitsschmoren dürfte das ausreichend sein. Aber grundlegend  gibt es vier bis fünf gute Gründe für Crocky. Zwei praktisch, einen dazwischen, einen aromatisch.

Vorteile in der Theorie:


Crocky vebraucht weniger Energie. Der Energieverbrauch eines Crock Pots liegt – selbst die deutlich längere Zubereitunsgzeit eingerechnet – bei gut der Hälfte eines Elektroherdes. Was nicht verwunderlich ist; erspart man sich das Heizen der vielen Luft, die im Ofen noch so herumfliegt.

Zudem, Punkt zwei, lässt sich Crocky problemlos an normale Haushaltssteckdosen anschließen und verbraucht da nicht mal sonderlich viel Strom. Da er auch nicht sonderlich heiß wird, kann man Crocky ohne größere Bedenken über Nacht laufen lassen oder auch ganz allein, wenn man aus dem Haus ist.

Was zum ersten aromatischen Vorteil führt: fast alle Schmor- und Eintopfgerichte und viele Saucen (Hallo Bolognese!) werden je besser, je länger sie bei niedriger Temperatur vor sich hin schmurgeln. Beim Ofen wird es dann irgendwann unpraktisch so lange auf den Ofen  aufzupassen, Crocky gebe ich da gerne viele viele Stunden, in denen man ohne Sorgen aus dem Haus gehen kann.



Und nicht zuletzt: der Crockpot hat eine gute Flüssigkeitsisolierung. Besonders Gerichte, die es gerne feucht haben – wie die angesprochenen Schmorgerichte, Suppen und Saucen - werden besonders aromatisch. Weder wird Fleisch trocken, noch verschwindet Aroma in die Umwelt. Gerade beim Fleisch übrigens überraschend wieviel aromatische Flüssigkeit im Laufe von zehn Stunden das Fleisch verlässt.

Punkt fünf: Anscheinend ist auch die Hitzeverteilung gleichmäßiger als im Ofen. Halte ich für möglich, habe aber noch keinen praktischen Gewinn gesehen.

Soviel zur Theorie und den zu den Grundsätzen. Wie aber sieht es in der alltäglichen Benutzung aus:

Erkenntnisse aus der Praxis:


(1)    Oh wow. Bei aller gebotenen Bescheidenheit würde ich ja behaupten, dass das Niveau der einschlägigen Speisen in diesem Haushalt schon vorher nicht schlecht war. Aber Crocky hat die geschmacklich noch mal eine Ebene höher gehoben. So saftig. So viel Aroma. Großartig.

(2)    Freie Wochenenden: die Kocherei für das Wochenende hat sich mit Crocky im wesentlichen Freitagabend oder Samstag früh erledigt. Der Rest der Zeit ist frei und man kann sich über die Küchengerüche freuen.

(3)    Neue Planung: der Crock Pot zwingt natürlich dazu, schon ein paar Stunden im Voraus zu wissen, was es geben wird. (inklusive Einkauf eher einen Tag vorher). Dafür reicht das Essen auch für ein paar Tage oder für das Wochenende und der Rest kommt in den Tiefkühler. Anfangs etwas gewönungsbedürftig, aber sonst auch praktisch bei der Verminderung von Alltagsstress.

(4)    Das Gemüsewunder: wie wir lernten. Fleisch wird bei niedrigeren Temperaturen weich als Gemüse. Auch nach stundenlangem Schmurgeln im Slow Cooker, bei denen das Fleisch sich schon in Selbstauflösung befindet, ist das Gemüse noch überraschend stabil und fast al dente.



(5)    In der Slow-Cooker-Szene scheint es verschiedene Auffassungen zu geben, ob anbraten nötig ist oder nicht. Für das Anbraten spricht das Aroma, gegen das Anbraten der zusätzliche Aufwand. Andererseits: selbst das Anbraten eines großen Stückes Fleisch dauert eigentlich nie länger als eine Viertelstunde und ist auf jede Fall weise investierte Zeit.

(6)    Es bringt nichts, erst mit einem preiswerten Modell zu testen. Das größere Problem am Crock Pot ist weniger der – auch für gute Modelle übersichtliche – Preis, sondern eher der benötigte Platz in der Küche. Wir suchen noch nach einer geeigneten Abstellfläche für die Zeiten der Nicht-Benutzung.

(7)    Den „High“-Knopf haben wir noch gar nicht benutzt, und wofür der sinnvoll sein soll, weiß ich auch noch nicht so genau. Wenn ich was bei highen Temperaturen machen will, benutze ich den Ofen.

(8)    Etwas gewöhnungsbedürftig ist die Sache mit der Flüssigkeit. Mal wird es sehr viel, mal wird es eher weniger. Die Suche nach Gesetzmäßigkeiten ist noch nicht abgeschlossen.

(9)    Aufpassen mit den Knochen: da jegliches Fleisch nach dem crocken butterweich ist, kann man es dann auch schlecht vom Knochen schneiden, weil es von ganz alleine abfällt. Man sollte aufpassen, dass man danach auch wirklich alle Knochenteile aus dem Essen fischt.

Wie weiter: 




So viele Sachen, die es noch zu testen gibt. Geflügel – außerhalb der Hühnersuppe – hat noch gar nicht den Weg in den Topf gefunden. Auch die Dampfnudeln stehen weiter auf dem Programm, ebenso wie die ganzen anderen Süßspeisen, die sich mit Crocky zubereiten lassen. Angeblich kann man mit Crocky Käse aus Milch erzeugen. Gibt es doch eine sinnvolle Verwendung der „High“-Taste? Die Flüssigkeitsskala muss noch justiert werden. Auch die Suppen- und Eintopfexperimente sind erst am Anfang. Besonders die Tomatensuppe verspricht großes. Bis dahin: ich bin ja immer skeptisch bei neuen Küchengeräten. Aber Crocky ist mehr als nur eine Bereichrung.

Montag, 8. Februar 2016

Schritt – Plié – Schritt – Schritt – Schritt – Plié. Menuett im Gemeindehaus

Berlin-Zehlendorf am Samstagabend, so gegen 17:45 Uhr. Janz weit draußen. Eine Einkaufsstraße, an der die meisten Geschäfte bereits geschlossen haben. Die wenigen noch beleuchteten Läden werfen gerade die letzten Kunden raus. Einzig vor einigen Imbissbuden und dem „Bali“, den „Bahnhofslichtspielen“ sind noch Menschen. Vor dem Kino warten sie auf die Vorstellung einer mittelbedeutenden europäischen Komödie. 

Leicht zurückgesetzt und in der Dunkelheit in seiner ganzen Herrschaftlichkeit nicht gleich erkennbar ist das Gemeindehaus der Paulusgemeinde. Gebaut 1930, damals noch als Gemeindehaus und "Volks-Wannenbad" mit Gymnastikkeller und Filmvorführraum. An der Tür ein unscheinbarer handgeschriebener Zettel „Ü300 willkommen". Von oben klingt Musik. Nach dem Gang durch ein herrschaftliches Treppenhaus geht es in einen Gemeindesaal, der so manche Kirche neidisch machen würde: eine Bühne mit leicht improvisierter Scheinwerferanlage, gefühlte 12 Meter Deckenhöhe, Holz allüberall, Fenster mit Glaskunst und noch eine komplette Orgel dazu. Man muss nicht wissen, dass hier einst Größen der deutschen Klassik Platten aufnahmen, man spürt es schon fast. Im Saal probt ein Orchester ein Streichern, Flöten und einigen anderen Instrumenten. Spontan zusammengekommen, aber anscheinend wissen alle  wie ihr Instrument funktioniert. Hier also soll die Ü300-Party stattfinden.



Ü300 wie „Über 300“. Es sind allerdings nicht die Tänzer gemeint, sondern die Tänze selber. Das Programm verspricht keinen Tanz, der jünger ist als 300 Jahre. Angeleitet von Tanzlehrer und Choreographen Klaus Abromeit und live begleitet von einer spontan gebildeten Kapelle aus Interessierten, kann man tanzen lernen und tanzen. Ziemlich einmalig übrigens in Deutschland, dass es eine derartige Veranstaltung mit Livemusik gibt.

Veranstaltet vom "Maison Voltaire", einem "Zusammenschluss von Künstlern und Künstlergruppen mit dem gemeinsamen Ziel, historische Theatertechniken für die heutige Bühne zu erschließen". Die Teilnehmer sind bunt gemischt, teils mit offensichtlich langjähriger Erfahrung im Genre, teils wie ich komplett neu beim Thema, teils gewandet, teils - wie ich natürlich - in Jeans- und T-Shirt oder Pullover; von 15 bis 85 mit Schwerpunkt jenseits der 50 und einem leichten Frauenüberschüss.

Für gut drei Stunden folgt dann ein steiles Programm: Pavane, Gaillarde, Branle, Menuett (mit Pas de Cour) und den Country Dances "Hole in the Wall" und "Indian Queen" (Vorläufer des Square Dances, glücklicherweise ohne Cowboystiefel und ohne jemand der einen anbrüllt). Chronologisch ging es durch die Jahrhunderte: vor der Pause Renaissance mit Pavane, Gaillarde und Branle, nach der Pause Barock mit Menuett und dann noch zwei Country Dances.

Ein Vorurteil erledigt sich relativ schnell: wie üblich sieht das deutlich einfacher aus als es tatsächlich ist. Insbesondere: auch wenn das was man von den höfischen Tänzen so in Historienschinken sieht, immer eher so etwas langsam und formell aussieht. Die sind nicht nur von den Schritten recht anspruchsvoll und können auch ein erhebliches Tempo aufweisen. So eine Gaillarde ist schon ziemlicher Sport.



Und selbst ein ersten Blick eher trivial wirkender Schreittanz hat dann doch so einige Tücken, sei es im gewöhnungsbedürftigen Rhythmus, der Körperhaltung oder einfach nur der Koordination aus Simples und Doubles, links und rechts und wenn man dann mal kurz nicht aufpasst, muss man auch noch hüpfen. Der Renaissanceteil besteht aus Schreiten - Hüpfen - und wieder Schreiten. Am Ende sind Wasser, Wein und Imbiss dringend nötig. Wie der ganze Abend sind auch die Imbisse handbereitet, mit Liebe gemacht und so wie man es bei einer Veranstaltung von Freunden erwarten würde.

Beim Menuett erfolgt dann noch ein Schnelldurchlauf durch die fünf Grundpositionen des Balletts und Beinknoterei für Fortgeschrittene. "Man muss mit seinem Körper reden, sonst hört der nicht" Zur Freude der Runde endet das ganze mit den fröhlichen Counrydances in langer Reihe, bei denen das halbe Abenteuer daran besteht sich aus verpeilten Fehlpositionierungen wieder in den Tanz zurück zu retten.

Je später der Abend, desto breiter das Grinsen bei den Beteiligten. Sport macht eh glücklich, Tanzen verbindet, es hilft, eine derart gute Organisation, Gastfreundlichkeit und die Mischung aus Menschen, die sich so richtig ernsthaft auskennen und Menschen, die planlos aber neugierig sind. 

Zur Frage, kann man Menuett an einem Abend zusammen mit sechs anderen Tänzen lernen? Nein. Ich kann natürlich kein Menuett. Aber immerhin bringe ich eine einfache Grundform relativ unfallfrei hin.Und zwar jene:



Um ein Gefühl für den Tanz zu kriegen und eine Ahnung dafür, was sich alles aus dem Menuett entwickelte ist das ein guter Anfang. Es gibt ein Anfangsverstehen, warum die Menschen das damals so gerne tanzten und nicht zuletzt wuchs ein gehöriger Respekt für die damaligen Tänzer. Zudem versteht man wie immer mit Geschichte auch heutige Tänze besser, wenn man weiß wo sie herkommen. Und nicht zuletzt: es hilft extrem bei der Würdigung von Historienschinken. Auf zur nächsten Ü300.