Donnerstag, 18. Juni 2020

Schwimmen Nordsee Wesselburenerkoog

„Summ-Summ“

„krqiiiiiiiiiiiii“

„Summ-Summ“

„krqiiiiiiiiiiii“

Das sterbensniedliche Alien-Kind fleht auf der Kino-Leinwand hoffnungsvoll. Es versucht, das Raumschiff zum Starten zu bringen. Hilflos versucht es die magischen Knöpfe zu finden, die magischen Worte zu sprechen. Doch es fehlt der Schlüssel. „Summ-Summ“. Nichts passiert. „Krqiiiiiii“ Sein flehendes Summ-Summ auf der Leinwand wird kurz übertönt vom quietschenden Scheibenwischer direkt vor meiner Nase.

Badestelle Wesselburenerkoog bei Nipptide. Nordsee, Wolken am Himmel, das Wasser reicht zum Deichfuß.
Meer, Salzwiese, Himmel.

Im Heider Autokino am Fernsehturm ist in wenigen Minuten ein Regenschauer niedergegangen. Sonne, fünf Tropfen, Sonne. Die Nordseegegend gibt sich Mühe mit dem Nordseewetter. Der Scheibenwischer quietscht sich seinen Weg über die trockene Frontscheibe. Ich bin so vertieft in „Shaun 2 – Ufo-Alarm“, dass ich erst daran denken muss, den Scheibenwischer wieder auszuschalten.

Heide / Dithmarschen, die Metropole im Nordseewind, war Berlin um Wochen voraus. Bereits Mitte Mai hatte die Stadt mit Hilfe der Lokalprominenz Freshtorge und „Holzi“ Holst ein Autokino auf die Beine gestellt. Samstags ergänzt um die Autodisco. Bei der alten Telefon-Post. Kaptain, Madame und ich mussten hin.

Der Kaptain war enttäuscht. Die Lautsprecher zum Ins-Auto-hängen ihrer Jugend ersetzten Kinobetreiber vor Jahrzehnten durch UKW-Sender. Auch versicherten Madame und ich auf wiederholte Nachfragen des Kaptains, dass wir keine wilden Knutschorgien vorhatten. „Aber dafür ist Autokino doch da!“. In des Kaptains Jugend war Autokino spannender.

Der Kaptain ließ sich dadurch besänftigen, dass sie im Kino ihre E-Zigarette („Rum-Traube-Nuss“) paffen durfte. Zudem konnte sie sich durch die Autofenster über den Parkplatz mit Hardy, dem Tuba-Spieler vom Spielmannsug Blau-Weiß unterhalten. Nach dem zweiten Umrangieren hatte ich als Fahrer die Grundlagen der Sichtphysik im Autokino verstanden: Hinten ist besser. Hinten sehe ich mehr als das Dach des eigenen Subarus.



Collage aus zwei Bildern: oben Szenenfotoa su Shaun2-Farmageddon mit Schafen am Stricken und Schachspielen, unten Foto Schafe am Nordseedeich
Shaun-Schafe (oben) und Wesselburenerkoogschafe (unten)

Madame ist von Shaun, wie wir alle, begeistert. „Die Schafe sind so englisch. Sie sind so schafig.“ Da hat sie recht: Die Claymation-Figuren wirken wie Schafe. Auch wenn die echten Viecher am Deich so aussehen, als würden sie herumstehen. Im Innern stricken sie und trinken Tee und spielen Schach. Das vorwitzige Lamm treibt sich mit Außeridischen herum.


Wir können das beurteilen. Wir waren am Deich: Schwimmen in Wesselburenerkoog.

Freitag, 12. Juni 2020

Die unverwüstliche Windows-Kommandozeile

Vorgestern dachte ich kurz, ich hätte meinen ersten wirtschaftlichen Corona-Kollateralschaden entdeckt. Ein leerer Späti, taube Fenster, ein einsamer Zettel klebte im Fenster. Dort würde ich meinen Brief nicht mehr loswerden. Aber denkste: "Aufgrund einer Steuerprüfung und eines schlampigen Anwalts müssen wir den Laden aufgeben. 31. August 2019." In manchen Geschäften bin ich seltener, als ich wahr haben möchte.

Um so mehr freue ich mich, dass der Lucha-Libre-Fuck-Trump-Mexikaner neben dem Job-Center in Tempelhof und Fisch-Möller in Büsum noch aufhaben. Burrito- und Schollennachschub sind gesichert. Irgendwann kommt man doch zur Überzeugung, dass Familienbesuch das derzeit geringe Risiko wert ist und tritt eine sozial distanzierte Reise an die Nordsee an. Die letzten Tage waren so sozial ereignisreich wie nichts seit Anfang März. Sogar im Schwimmbad war ich. Mir gefällt es so leer im Sommerbad am Insulaner.

Aber noch leben wir in Corona. Die Zahl der Neu-Infizierten in Berlin ist so hoch wie zuletzt Ende April. Noch ist das Home Office ein großes Thema. Und es wird zum alles verschlingenden Arbeitsthema, wenn das Internet nicht geht. Ich bloggte auf Fahrrad-Datenautobahn: "Verbunden, kein Internet" - Was tun?

Samstag, 6. Juni 2020

Schwimmen in Schopfheim, Hallenbad Krone, Wiechs

Der soziologische Springteufel. In meinem Hinterkopf spukt er herum. Gelegentlich springt er heraus. Das Kästchen öffnet sich. Von der Feder nach oben geschleudert, drängt sich das Männchen mit roten Hörnern, langer Nase und spitzem Kinn ins Bewusstsein. Mein soziologischer Springteufel heißt Thomas Voss und lehrt an der Universität Leipzig Mikrosoziologie. Er lehrte dort schon Rational Choice Theorie und Mikrosoziologie als ich in Leipzig studierte. Mein innerer soziologischer Springteufel ist Mikrosoziologe und trägt eine Brille.

So lese ich die Artikel zu den Corona-Verschwörungsdemos. Ich wundere mich kurz „Es ist seltsam, dass die Demos je größer werden, je lockerer die Beschränkungen werden. Das ergibt keinen Sinn.“ Da springt mein innerer Thomas Voss heraus, der Springteufel, direkt in mein Gehirn und wedelt mit dem erhobenen Zeigefinger. „Ha! Das war schon immer so! Revolutionen und Aufstände brechen immer in dem Moment aus, indem der angenommen Missstand sich abschwächt. Das lässt sich per Rational Choice problemlos erklären! Das beweise ich schon seit den späten 1980ern!“

Metall-Türschild der Krone Wiechs. Klassicher Stil aus Metall mit stilisierter Krone. Der Schiftzug in Gold.
Türsschild der Krone Wiechs. Willkommen zur Hallenbad-Wellness. Mit Spätzle.


Da mir die innere Auseinandersetzung mit Rational Choice zu anstrengend ist, wandle ich zu Madame in die Kammer und rede drauflos, während sie versucht, an der Tonspur ihres neuen Screencasts zu basteln. „Weißt du was ich am IKEA-Parkplatz gesehen habe? Ein Radfahrer mit Rückspiegel am Helm. So ein MAMIL, ein MittelAlter-Mann-in-Lycra, mit oranger enger Hose, Rennrad, orangem Helm. Und am Helm ein einem Ausleger ein Rückspiegel. Etwa so groß wie ein 2-Euro-Stück. Das sah bizarr aus. Aber auch cool.“ Madame erblickt ein gefährliches Leuchten in meinen Augen. Ich ergänze: „Wie so ein kleines Horn, das spiegelt.“

Mittwoch, 3. Juni 2020

Die mittelfrühe Wikipedia hatte ein exponentielles Wachstum

Let's-Dance-Zuschauer wissen mehr. So wussten wir bereits seit 2016, dass Attila Hildmann ein echt komischer Mensch mit bizarrem Weltbild ist. Bei dessen Tanzversuchen es so aussah, als würde seine Tanzpartnerin versuchen, ein halbvolles Planschbecken über das Parkett zu schieben. Seine weitere Entwicklung seitdem: nur Folgerichtig.

Anderes blieb rätselhaft: warum macht Vanessa Mai, die vielleicht spektakulärste Teilnehmerin aller Zeiten und in jeder Körperspitze musikalisch, selber so komische Schlagermusik? Sie muss doch hören, was sie beim Singen von sich gibt. Wieso haben Profisportler entweder die Beweglichkeit einer Schrankwand oder wirken so, als wären sie als Salseros auf die Welt gekommen? An der Sportart kann es nicht liegen. So gab es beispielsweise Fußballspieler die jenes und diesen konnten.

Der Handballer Pascal Hens, 2,03 m groß und locker über 100 Kilo schwer, schwebte wie ein junger Gott über das Parkett. Der Fußballer Thomas Häßler, in seiner aktiven Zeit filigraner Technikkönig, wirkte stets als hätte er ausversehen die falsche Studiotür geöffnet. Wäre er gegen die Kulisse gelaufen, hätte es niemand gewundert.

Über die Jahre konnte man sehen wie sich die Tanzstile änderten. Die Salsa der frühen Staffeln ein raumgreifender Showtanz, heute eng getanzt auf wenig Raum, sehr viel mehr Club-like. In den Kulissen, den Gesichtern, lässt sich die Geschichte der Bundesrepublik sehen
 
Diese Staffel 2020 wird historisch werden . Eine Live-Sendung während der Coronakrise. Begonnen noch wie wir die Welt halt kannten. In kurzem Zeitraum ein leeres Studio, riesige Abstände, Trennwände, Videozuschaltungen per Tablet und jetzt zum Schluß wieder leichte Normalisierung.

Historisch wird auch der Drosten-Podcast werden. Die frühe Wikipedia ist dies schon längst. Darüber bloggte ich nebenan auf Fahrrad-Datenautobahn: Wikipedia Manske Polymerase-Kettenreaktion