Montag, 18. Oktober 2010

One Man: One Joke. Eine komische Welt ohne Urheberrecht

Eine herausragende Eigenschaft an guten Wissenschaftlern besteht darin, dass sie sich ab und an fragen, wie es wäre, wenn alles ganz anders wäre. Es beispielsweise gar keine Urheberrechte gäbe. Und da auch noch einen konkret diesweltlichen Fall finden, wo eben diese formalen Rechte zumindest praktisch nicht existieren.

Dotan Oliar und Christopher Jon Sprigmans haben in Intellectual Property Norms in Stand-Up Comedy, Teil ihres Buchs The Making and Unmaking of Intellectual Property und erweiterte Variante diverser Aufsätze aus den letzten Jahren, genau diesen Fall gefunden: Stand-Up Comedy.

Stand-Up-Comedy hat theoretisch nach urherrschender IP-Lehre ein ausgeprägtes Geistiges-Eigentums-Problem; praktisch auch, aber ein Anderes. Comedy ist de facto Urheberrechtsfreie Zone, da der inhaltliche Schwerpunkt der Comedians ja im Witz, also der nicht-schützbaren Idee, steckt. Oliar/Sprigman zeigen aber, dass zumindest heute ein effektives soziales System existiert, welches Witz-Klau weitgehend verhindert. Es basiert auf verschiedenen Ausgrenzungssystemen, die in seltenen Extremfällen hin bis zu tolerierter körperlicher Gewalt reichen können, Hauptmittel aber scheint es zu sein, einem beschuldigten Dieb durch verschiedenen Mittel die Auftrittsgelegenheiten zu nehmen.

Eine Auswirkung des Systems ist relativ vorhersehbar, wenn man weiß wie das mit formaler und informeller Regeldurchsetzung ist. Das in der Comedy vorherrschende informelle System gestaltet sich weit simpler und einfacher als formelles Urheberrecht. Ein Witz gehört einer Person, weder existiert eine gemeinsame Autorenschaft, noch Zusammengehörigkeit in den Rechten am Witz, noch unübertragbare Rechte. Einfach, simpel, pragmatisch.







Beim Witzeschreiben steht jeder für sich allein.





Was Oliar/Sprigman aber auch erläutern, und zumindest teilweise auf das geänderte Bewußtsein zum Geistigen Eigentum schieben, ist die veränderte Einstellung zu Originalität und Aufführung innerhalb der komischen Zunft. Der geschützte Witz enstand erst in den 1960ern/1970ern, vorher war Material auch informell frei. Die Comedy-Landschaft hat sich geändert.

Comedy war Anfang und Mitte des 20. Jahrhunderts noch auftrittszentrisch: mit Tanz, Gesang, Kostümen etc. wurde eine begrenzte Zahl von generischen Themen und Witzen abgehandelt, die sich gut weitererzählen ließen und oft nur aus zwei oder drei Sätzen bestanden. Heute hat sie sich inzwischen zu einem autorenzentrischen Feld entwickelt. Einsame Männer oder Frauen stehen bewegungslos vor einem Mikrophon und erzählen originelle, längere ineinander verschachtelte Geschichten. Deutlich anspruchsvoller, aber auch weniger sozial - Comedy entwickelte sich vom Feld des Austauschs perfekt inszenierter Banalitäten hin zu einem des Zuhören und passiven Konsumierens anspruchsvoller Texte.

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