Montag, 4. Oktober 2010

Wikipedia für Anfänger. Für rechnende Biologen und spammende Kühe

... dann solltest Du ein paar Sachen beachten. Die Tage sind mir zwei relativ gute Texte in die Hände gefallen, die versuchen, Wikipedia-Neuautoren das Leben leichter zu machen. Beide sind vergleichsweise gut, beide allerdings... ...sehr verschieden und so decken sie ein Großteil der Wikipedia-Erfahrung ab.


Ten Simple Rules for Editing Wikipedia
ist von Logan DW, Sandal M, Gardner PP, Manske M, Bateman A und als Editorial in PLoS Computational Biology erschienen. Offensichtlich wendet es sich an Wissenschaftler, die als Autoren sehr erwünscht sind und zeichen ein gutes und präzises Bild der netten Seite der Wikipedia.

Link Building On Wikipedia ist auf einer Seite namens gamblingcashcow.com erschienen, hat keine Autorennennung, wird dafür aber von einer eigentümlichen Comic-Kuh geziert. Er ist offensichtlich um das Wikipedia-Karma für eigene Zwecke auszunutzen, also für Leute, die bei Wikipedia deutlich unerwünscht sind. Der Artikel legt seinen Fokus deshalb deutlich stärker auf die Umgehung von Abwehrmechanismen.

Letztlich sind die bei gamblingcashcow beschriebenen Techniken aber nicht nur für SEOs hilfreich, sondern eigentlich in jeder der zahlreichen Konfliktlagen, in die man in der Wikipedia geraten kann.

Ein paar Regeln bei Computational Biology sind jetzt eher nicht Wikipedia-spezifisch. Schamlose Selbstanpreisung wird eigentlich nirgendwo gern gesehen, Urheberrechtsverletzungen auch nicht, um Hilfe zu fragen ist in fast allen Umgebungen eine gute Idee etc.

Wichtig und relativ wikipediaspezifisch sind bei Computional Biology vier Punkte. "Cite, Cite, Cite" ist bei Wissenschaftlern nun an sich keine sonderlich originelle Forderung. Allerdings ist das Belegwesen in Wikipedia auch nach Jahren noch relativ umständlich und die entsprechenden Regeln auch eher mäßig gut auffindbar. Gerade die Tatsache, dass man nicht genau weiß wie es geht und deshalb vorsichtshalber gar nicht zitiert, dürfte aber zu den konfliktträchtigsten für Neueinsteiger gehören.

Der "neutrale Standpunkt" hat sich auch gerade bei Wissenschaftlern immer wieder als problematisch erwiesen. Zum einen wissen Wissenschaftler im Zweifel besser als andere, dass ein neutraler Standpunkt eine Wikipedia-Lebenslüge ist, und haben deshalb größere Probleme sich zumindest annähernd auf diesen Wert überhaupt einzulassen. Zum anderen steht er mit der lange eingeübten wissenschaftlichen Schreibpraxis, die eben einen Punkt machen und neue Erkenntnis generieren will, in offensichtlichem Konflikt. Auseinandersetzungen sind da wohl unvermeidlich, aber es hilft schon, wenn man sie vorhersehen kann.

Mit dem letzten Punkt bei Computational Biology, "Anmelden", kommen wir zum umfangreichen Kapitel des sozialen Spiels Wikipedia. In vielen Themenfeldern dürfte das keine Rolle spielen. Entweder sind diese unbeachtet genug, dass man eh niemandem begegnet, oder das Wissen in einem Fachbereif ist so gesichtert, dass es keine großen Meinungsverschiedenheiten gibt.

Verlässt man aber das Feld des friedlichen Vor-Sich-Hin-Schreibens, kommt man in de Bereich, wo Ruf und Freunde zählen. Computational Biology beschreibt das noch recht nett als "By logging in you can build a record of good edits, and it is easier to communicate and collaborate with others if you have a fixed, reputable identity", Gamblingcashcow beschreibt es weniger nett aber nicht unzutreffender "Play the popularity contest and make friends within the community. As in life, friends will help stand up for you when you’re in a pinch".

Wie man diese Freude gewinnt, schreibt die Gamblingscashcow dann auch: Entferne Vandalisms, entferne Spam, trage sinnvoll bei, sei gut sichtbar darin, wenn du die Gemeinschaft tatsächlich voranbringst, benutze den Account nur gelegentlich dafür, wirklich kontroverse oder ungewünschte Aktionen zu tätigen. Und wo die spielende Kuh deutlich realistischer ist, als die Biologen, ist es beim Insistieren darauf sich umzusehen. Die Beobachtungsliste ist fast unverzischtbar, wenn man seine eigenen Artikel im Auge behalten will.

Noch wichtiger vor dem Bearbeiten ist aber der Blick in die Versionsgeschichte. Hat jemand den Artikel in letzter Zeit bearbeitet, aber war vor längerer Zeit aktiv? Wer ist derjenige? Welche Einstellung vertritt er? Ist er ausgesprochener Vertreter einer Meinung, oder noch schlimmer: stellt er sich als einziger Kämpfer echter Neutralität da? Ist seine persönliche Diskussionsseite eher konfliktgeprägt oder eher von friedlicher Kooperation gezeichnet? Finden sich dort inhaltliche Konflikte die die eigenen Artikelpläne betreffen könnten?

Wenn es einen solchen Autoren gibt, dann Hände weg vom Artikel. So verlockend es ist, einen offensichtlich tendenziösen Artikel verbessern zu wollen, gegenüber einem Neuling wird selbst der schlimmste und Communityintern unbeliebteste Rechthaber bei "Play the popularity contest and make friends" uneinholbar überlegen sein, und im Zweifel diese Überlegenheit rücksichtslos ausspielen. Als Fachmann kann man sich in der deutschen Community recht schnell einen guten Ruf erwerben, und das Freunde gewinnen geht auch mit der Zeit recht einfach. Vorher aber sollte man sich nicht in inhaltlichen Konflikten verbrennen, und zumindest für den Anfänger ist es das sinnvollste erstmal die schlimmsten Konfliktfelder zu meiden und sich grundlegende Wikipedia-Erfahrung anzueignen.

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