Sonntag, 5. September 2010

Das DIY-Restaurant

Kaum schreibt man mal 15 Minuten nichts, wird einem der Beitrag über das Kochhaus unter der Nase weggebloggt.. Wenn ich mich Madame Poupou auch vollumfänglich im Fazit anschließen kann, so bleibt mir doch das Privileg der ausufernden Laberei.

Einst war an der Ecke Hauptstra0e/Akazienstraße in Schöneberg eine Spielhalle, das war vor meiner Zeit. Dann hat sich die Gegend dramatisch verschlechtert, und ein Starbucks zog ein. Der ist nun auch weg, die letzten Monate hat offensichtlich ein Haufen Handwerker das Ladenlokal bewohnt.

Die Umbauzeit war eher lang. Auf dem zugeklebten Fenster standen einige Sprüche, die mir einen Tick zu gentrofo... getrifin.. prenzlauerbergmäßig waren. So "Diät ist wenn man trotzdem nascht". In einem Blog, das ich grad nicht mehr wiederfinde, ich glaube Berlin tidbits oder so, entdeckte ich schließlich einen Vorankündigungsbeitrag. Ein "begehbares Kochbuch" soll es werden, in dem man sich quasi Rezepte zusammenkauft. Naja, in einem Land, in dem die Menschen für Kochbücher sehr viel, für Lebensmittel aber sehr wenig Geld ausgeben, vielleicht nicht die schlechteste Marketingidee, um Lebensmittel zu verkaufen. Aber seien wir ehrlich, das klingt immer noch wie eine besonders anstrengende Variante eines Supermarkts.

Dann kam die Eröffnung, wir hatten eigentlich schon auf dem Wochenmarkt Friedenau alles gekauft, was es zu kaufen gibt. Aber was nimmt man nicht alles für Umwege auf sich, um ein Glas Prosecco umsonst zu bekommen. Undschausieheda, alles ist anders. Der Prosecco war Aperol, und der anstrengende Supermarkt entpuppte sich eher als DIY-Restaurant.

Neben Bar und Theke enthielt das Kochhaus eine ganze Reihe Tische mit daneben gestellten kleinen Tiefkühltruhen oder Kühlschränken. Dort sind alle Zutaten aufgestellt, die man für eine Mahlzeit braucht. Man kann die Zutaten einzeln kaufen. Oder man packt alles was man für ein Gericht benötigt zusammen mit dem Rezept in eine Tüte und bezahlt einen Paketpreis zwischen 3 und 10 Euro pro Portion. Das ist nicht total preiswert, aber dafür, dass das durchgehend alles extrem lecker, edel und appetitlich aussah, jetzt auch keine riesige Menge. Lebensmittel zum Schwelgen liegen dort geradezu. Die Lebensmittel wirken überzeugend so, als könnte man am Ende dinieren wie in einem Edelrestaurant. Nur dass man selbst noch Spaß an der Zubereitung hat. Und nicht nachdenken muss, was man will, hat und braucht. Edel. Einfach. Lecker. Lecker. Das muss ausgetestet werden.

Wir werden jetzt Donnerstag wieder im Kochhaus sein, und das ganze probekochen wenn wir Abends ein bißchen Zeit haben. Ob für das Kochhaus als Geschäft das Konzept aufgeht; ob man vermitteln kann was es ist, und was es wird, ob sich der Neuigkeitswert nicht recht schnell erschöpft - ich bin leider immer noch skeptisch.

Andererseits, die Nachfrage sollte da sein. In unmittelbarer Nachbarschaft hält sich der beste Supermarkt der Welt; am anderen Ende der Akazienstraße der stilvollste Wochenmarkt Berlins, schräg gegenüber der Ecke ein eindrucksvoller türkischer Wochenmarkt. Wenn das Konzept wo funktioniert, dann hier. Und meine Einstellung hat sich dramatisch von "naja, falsche Idee" zu "hoffentlich klappt's, hoffentlich klappt's, hoffentlich klappt's" geändert.

1 Kommentar:

dirk franke hat gesagt…

Nachtrag: dann kam die Expansion und die ist dem Kochhaus wohl nicht so gelungen. Nach dem edlen-hippen Kochboxanbieter folgte inzwischen eine noch edlere italienische Pasteria und Spezialitätenladen.