Donnerstag, 16. Mai 2019

Vom Versuch, das Quartett „Schwimmbäder in Berlin“ über amazon zu verkaufen.

Samstagabend. Die Dunkelheit hat bereits eingesetzt. Ich stehe auf dem Weg zum Branle-Tanzen auf einer Hauptverkehrskreuzung in Berlin-Zehlendorf. In der Hand trage ich den Liter Milch, den ich noch gerade vor Geschäftsschluss aus der BioCompany holen konnte. Das Handy klingelt. Ich schaue einhändig balancierend auf die Anzeige. Das Gerät zeigt eine 09er-Vorwahl. Bayern? Thüringen?

Kurz gehe ich in mich: Kenne ich eine Person in Thüringen-Bayern, die mich samstagabends anrufen würde? Nein. Also nehme ich das Gespräch an. Um mich herum rauschen die BVG-Busse. Mädchen, die noch schnell zum bald schließenden Papiergeschäft wollen, unterhalten sich.

Einige Spielkarten des Quartett Schwimmbäderin Berlin. Unter anderem mit der Schwimmhalle Finckensteinallee und dem Stadtbad Prenzlauer Berg.
Schwimmbäder in Berlin. Die Quartettkarten.

Etwas redet im Telefon auf mich ein. Ich verstehe kein Wort. Bin mir nicht einmal sicher, welche Sprache die Person spricht. Deutsch? Kann nicht sein. Englisch? Auch dann müsste ich einzelne Wörter erkennen. Ich versuche, den Anrufer loszuwerden. Der allerdings insistiert und scheint mich persönlich sprechen zu wollen.

Inzwischen habe ich die Kreuzung verlassen, bin in einen nahe gelegenen Arkadengang geflüchtet. Der Anrufer redet weiter auf mich ein. Das Wort „Amazon“ mache ich aus. Sein Gespräch soll wohl deutsch sein. Ich beginne zu ahnen, worum es geht.



Weitere Sätze habe ich ausgemacht. Der freundliche Anrufer ist Inder. „Ha!“ denke ich. „Wozu habe ich jahrelang das professionelle Telefonieren mit IT-Indern geübt.“ Wir einigen uns auf Englisch. Ich bringe mein Spezial-Englisch-für-Inder-am-Telefon in Anschlag und wir verstehen uns.

Etwa 20 Minuten später klingelt das Telefon erneut. Diesmal mit britischer Vorwahl. Der freundliche indische Kollege hat einige Nachfragen. Wir einigen uns schnell. Eine kleine Saga geht zu Ende. Ich darf das Quartett „Schwimmbäder in Berlin“ auf amazon verkaufen.


Wie kommt das Schwimmbad-Quartett zu amazon? 


Die Saga begann in den 1980ern im Hallenbad Langenhagen und im Freibad Godshorn. Ernstlich begann sie vor einigen Jahren mit dem Plan alle Bäder des Großraums Berlin zu besuchen – zweimal.

Daraus entwickelte sich der Plan eines Buchs – noch in Arbeit – und des Quartetts zu Berliner Schwimmbädern.

Ich recherchierte vor Ort die Basisdaten, basteltete also Vorlagen für die einzelnen Karten, gewann den Traglufthallenhersteller Paranet als Sponsor und mailte mir mit der Druckerei.

Gleichzeitig war war ich mit dem organisatorischen beschäftigt: Gewerbe/ Verlag anmelden. Die Zitronenpresse existiert! Bei der ISBN-Agentur bestellte ich ISBNs und nach dem Druck erfolgte der Eintrag in das Verzeichnis lieferbarer Bücher.

Die Karte Stadtbad Wilmersdorf 1 des Schwimmbadquartetts vor dem Stadtbad Wilmersdorf I
Man muss nicht online bestellen. Übergabe ist auch an jedem Schwimmbad möglich.

Ein schönes Gefühl überkam mich. Aber auch Sorgen: So sehr ich Buchhandlungen mag: wie viele Menschen gehen heutzutage noch in eine Buchhandlung, die in der Lage ist, an den Großsortimentern KVN und Libri vorbei Bücher direkt beim Produzenten zu bestellen? Wer schreibt eine Mail an eine unbekannte Adresse eines unbekanntes Verlags? Die Menschheit möchte eine Click-Bestell-Lösung. Also griff ich zur Lösung mit der weitesten Verbreitung: Amazon.

Der Plan war simpel: ich erstelle ein Konto auf dem Marketplace und verkaufe über dieses das Quartett. Die Umsetzung gestaltete sich schwieriger.


Der Marketplace


Amazon bietet für Marketplace-Anbieter zwei Optionen. Basis oder ernsthaft. Ernsthaft, bei amazon "Professionelles Verkäuferkonto" genannt, kostet 39 Euro Gebühren im Monat (plus evtl. Umsatzsteuer und Verkaufsgebühren pro Artikel) und hat einige Extrafunktionen. Dazu gehört beispielsweise die Bestimmung über die Versandkosten. Basis kostet neben den prozentualen Verkaufsgebühren noch ein Euro pro verkauftem Artikel. Die vorsichtige schwäbische Hausfrau in mir wollte das Basiskonto.

„Prima!" Dachte ich. "Amazon, ich komme“ Im Internet hatte ich gelesen, dass amazon die Daten aus dem Verzeichnis lieferbarer Bücher übernimmt. Ich loggte mich ein, las die Verkäuferforen und gewann zwei wesentliche Erkenntnisse aus den dortigen Diskussionsbeiträgen (1): Kunden sind anstrengend. (2) Mit amazon kann man leicht hohe Umsätze machen, aber kaum Gewinn.

Ich war allerdings nicht zum Stöbern in Foren gekommen, sondern wollte verkaufen. Dazu musste ich mich als Verkäufer für das Produkt eintragen. Ich suchte in der entsprechenden Maske das Produkt mit entsprechender ISBN oder Produktcode – ich fand nichts. Schritt 2: Dann war der Abgleich VLB/amazon noch nicht erfolgt. Ich musste das Produkt erst einmal selber anlegen. Ich bekam eine Fehlermeldung.


Die Fehlermeldung


Also wandte ich mich an den Service: per Onlineformular auf der Seite. Eine Frau, polnisch klingender Name, schrieb mir eine E-Mail, bat um Details. Offensichtlich ein Formbrief, da er auch Details abfragte, die ich schon gegeben hatte.

Unter anderem enthielt die Mail den Satz „Zusätzlich benötigen wir von Ihnen einen Nachweis der Echtheit der GTINs, die Sie zum Einstellen der Produkte verwenden: Eine Kopie des Briefs oder die E-Mail des Herstellers oder Markeninhabers, aus der hervorgeht, dass die EAN oder UPC, die Sie verwenden, gültig ist“ Ich antwortete also, dass sie ja sehen können, dass ich der Hersteller bin, gerne aber einen Brief an mich selber schreibe, dass ich mein eigenes Produkt verkaufen darf.

Katalogeintrag der DNB zum Quartett Schwimmbäder in Berlin.Verlag Dirk Franke / Zitronenpresse
Katalogeintrag bei der Deutschen Nationalbibliothek.

Einige Zeit später: die Dame erinnerte mich „leider fehlen noch einige Informationen.“  Ich antworte wieder, ausführlicher. Am nächsten Tag erreichte mich die Mitteilung, dass das Ticket wegen mangelnder Beteiligung meinerseits geschlossen wurde.

Also zurück auf die Website. Nach längerer Lektüre des Kleingedruckten stelle ich fest, dass mir amazon zwar E-Mails von echt wirkenden Absendeadressen schickt, diese aber nicht gelesen werden. Die einzige Variante der Kommunikation ist das Ticketsystem auf der Website.

Also startete ich den Prozess von vorne. Diesmal nur über das Formular. Der Kundendienst war diesmal männlich, trug weiterhin einen polnischen Namen, teilte mir nach einigem hin- und her mit, dass nur ernsthafte Premium-Verkäufer Produkte mit ISBN-Nummer verkaufen dürfen.

Also überwand ich die schwäbische Hausfrau in mir, buchte den ernsthaften professionellen Verkäuferaccount und jubelte innerlich: endlich Quartett verkaufen!

Als Quartett-Premiumverkäufer


Mein neues Dasein als Premiumverkäufer begann genauso, wie mein Dasein als Basisverkäufer. Ich suchte, ob das Produkt in den knapp zwei Wochen, die mich meine Interaktionen mit dem Kundendienst gekostet hatte, in den Katalog gelandet war: nein. Ich versuchte es selber anzulegen: die Fehlermeldung war eine andere. Nun war ich in der Premiumsackgasse.

Ich eröffnete ein Ticket, stellte fest. Premiumtickets landen nicht in einer Ticket-, sondern an in einer echten E-Mail-Maske. Wieder schrieb mir jemand mit polnisch klingendem Namen, fragte im Formbrief nach den Details, die ich bereits angegeben hatte.

Ich antwortete. Bekam die Ermahnung, doch bald zu antworten. Merke: nur weil es im Premiumsegment so aussieht, als würde man E-Mails schreiben, läuft die Kommunikation noch lange nicht über Mail. Ich stiefelte zurück ins Ticketsystem: Zum Glück konnte ich einen Link und Screenshot der Deutschen Nationalbibliothek hinzufügen, in deren Katalog das Quartett inzwischen auftauchte.

Man teilte mir mit „Wir haben Ihren Fall an unsere Spezialisten für diese Art von Fragestellung weitergeleitet.“ Die Spezialistin trug einen indischen Namen, war aber in der Lage, das Quartett in den amazon-Katalog zu lotsen. Das Quartett war verfügbar!

Nur glaubt amazon, dass ein Produkt das unter anderem „ein Quartett“ heißt und auf dem es auf den Produktfotos deutlich Karten zu sehen gibt, ein Taschenbuch sei. Nicht zu vergessen, die mittlerweile zahlreichen Fotos des Quartetts und Beschreibungen, die inzwischen zwischen der Zitronenpresse und mir hin- und her gewandert waren. Käufer, die ein Taschenbuch bestellen und ein Kartenspiel bekommen - das hätte mir noch gefehlt.

Also eröffnete ich ein Ticket, dass ein Kartenspiel kein Taschenbuch ist. Von diesem hörte ich bis auf die obligatorische "Danke, dass sie noch ein Ticket eröffnet haben"-Mail nichts. Bis zum schicksalhaften Anruf mit dem indischen Kollegen! Nach diesem Telefonat allerdings ging es schnell: wir einigten uns, dass ein Quartett kein Taschenbuch ist, sondern ein Kartenspiel.

Cover des Quartetts Schwimmbäder in Berlin vom Verlag Dirk Franke / Zitronenpresse mit dem Stadtbad Spandau-Nord als Motiv.
Quartettcover mit dem Stadtbad Spandau-Nord als Covermodell.


Seitdem kann ich verkaufen. Etwa die Hälfte der Verkäufer geht über amazon – die andere Hälfte teilt sich recht gleichmäßig zwischen Direktbestellungen und Buchhandlungen auf. Die Kunden sind nett und nicht im Geringsten anstrengend.

Nachtrag


Mittlerweile bin ich wieder Basisverkäufer. Und darf mein Quartett weiterhin verkaufen. Nur habe ich keine Gewalt über die Versandkosten mehr. Wenn Ihr Euch also wundert, warum Schwimmbäder in Berlin beim Verlag 2 Euro Versand kostet, bei amazon aber 4 Euro: Amazon ist schuld.

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