Mittwoch, 29. Mai 2019

Badestelle Krumme Lanke. Schwimmen im Grunewald.

Ach du meine Güte. Wo kommt die U-Bahn-Station her? Dieser Badesee hat einen U-Bahn-Anschluss! Ich stapfe entrüstet mit dem Fuß auf das rechte Fahrradpedal, nur damit mir das linke Fahrradpedal von hinten an die Wade schlägt.

Meine Vorbereitung war glänzend. Mit dem Fahrrad hatte ich mich auf dem Weg zur Krummen Lanke in Zehlendorf nur zweimal verfahren. Aber nun das. Da hatte Berlin vollkommen unbemerkt von mir eine U-Bahn-Station mitten in den Grunewald gebaut. Die Schilder mit der Endhaltestelle "Krumme Lanke" an der U3 hätten mir einen Hinweis auf die Existenz dieses Bahnhofs geben können. Aber manchmal bin ich blöd.

Mein Plan, beim strahlendem Sonnenschein mit über 25 Grad Lufttemperatur die Berliner Freibäder zu umgehen, und einen abgelegenen See zu besuchen, zerkrümelte vor meinen Augen zu Staub. Zertrampelt von den gut gelaunten Menschen, die aus dem Tor des Bahnhofs in Richtung See strebten. Soviel zur unberührten Natur. Das war mein Krumme-Lanke-Trip 2018.

Ich bin manchmal blöd, nicht dumm. Dieses Jahr fuhr ich mit der genannten U-Bahn und wartete auf einen 18-Grad-bei-grauem-Himmel-Tag zum Besuch des Sees. Auf der Fahrt bestaunte ich die Fast-Welterbe-Haltestelle "Onkel Toms Hütte" der U3 und hatte noch DJ Hüpfburg im Ohr.

Die traf ich zufällig am Heidelberger Platz, wollte fragen, wie das Leben als hauptberufliche Hochzeitswebseitengestalterin ist. Aber sie musste mir vom gemeinsamen Bekannten B erzählen: "B traf ich auf dem Innenhof der re:publica. Wir haben uns ja seit sechs Jahren nicht mehr gesehen. Und der war so stoned. Oh my god! Ja, er schauspielert immer noch. Kann davon nicht leben, aber scheint glücklich. Aber ich muss raus aus der Bahn: Ringvorlesung zur interdependenten interkulturellen Künstlichkeit." Und hinfort strebte sie zur Freien Universität.

Immerhin war ich nach der U-Bahnfahrt noch entspannt genug, um die echt italienische Eisdiele in der Nähe der Haltestelle Krumme Lanke zu würdigen ebenso wie die benachbarten Buchhandlungen. Um die Tradition des letzten Jahres nicht ganz abreißen zu lassen, verfuhr ich mich diesmal nicht auf dem Weg zum See, sondern ich verlief mich.   

Blick auf die Krumme Lanke vom Uferweg. Der See selbst ist sonnenbeschienen, Bäume und Weg liegen im Schatten.
Blick auf die Krumme Lanke


Beide Besuche lagen Anfang Mai, in der Hoffnung auf einen nutzbaren See. Viele Berliner hatten den See- oder Freibadbesuch noch nicht als Möglichkeit der Freizeitgestaltung reaktiviert. Die Wassertemperatur betrug 2018 Anfang Mai und 2019 Ende Mai je 18 Grad. Einige wenige Badende und mehr Sonnende waren 2018 bei strahlendem Sonnenschein anwesend. 2019 teilte ich mir die Wasserfläche mit einem Haubentaucherpärchen und einer Entenmama mit Küken.



Im Sommer sollen sich die Verhältnisse für den Handtuchplatzsuchenden ändern. Was kein Wunder ist. Nicht nur handelt es sich bei der Krummen Lanke, um einen innenstadtnahen Badesee mit U-Bahn-Anschluss. Er ist auch traumschön.

Die Krumme Lanke liegt in einer der Berliner Eiszeitrinnen. Ursprünglich floss durch diese Rinne das Wasser durch eine Reihe von Seen vom Halensee unter anderem über Krumme Lanke und Schlachtensee Richtung Wannsee und Havel. Da Berlin aber seit dem 18. Jahrhundert mit Freuden begann, Kanäle zu bauen, Flüsse umzuleiten und an den Fließgewässern kein Stein auf dem anderen zu lassen, fließt das Wasser an der Krummen Lanke verkehrt herum – von der Havel weg.

Badesee Krumme Lanke in der Dämmerung. Heller Himmel, der sich auf dem hellen See spiegelt. An den Ufern der dunkle Grunewald.
Die hell scheinende Krumme Lanke in Mitten des dunklen Walds. Reizvoll auch bei Sonnenschein. Bild: Krumme Lanke von: Rino Porrovecchio from Palermo, Italy Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 2.0 Generic

Anders gesagt: aus der Havel kommt Wasser in die Krumme Lanke. Durch einen Tunnel, einen Kilometer lang und zehn Meter unter der Erde, fließt Wasser aus dem Wannsee in den Schlachtensee und von dort aus durch den Wolfsschluchtkanal in die Krumme Lanke. Havelwasser im Sommer rockt nicht. Anfang der 1980er blühten im Schlachtensee die Algen. Die Berliner Boulevardpresse spricht von "grüner Götterspeise", die sich damals in den Seen befand.

Aber zum Glück ist die Krumme Lanke auch in Teilen Schutzgebiet für Trinkwassergewinnung. Das Havelwasser und Regenwasser werden bereits am Wannsee in der Oberflächenwasseraufbereitungsanlage (OWA) Beelitzhof gereinigt, bevor sie in die Krumme Lanke kommen. Über den Fenngraben fließt das Wasser schließlich weiter Richtung Grunewaldsee.

An Technisches denkt niemand mehr, der an den See kommt. Der Grunewald um den See herum erweckt den Eindruck natürlicher Abgeschiedenheit. Nur wenn ich die Augen schließe und bewusst hinhöre kann ich die A115 im Hintergrund rauschen hören.

Ich betrachtete einen langgestreckten See, etwa 2 Kilometer lang und knapp 200 Meter breit, der in einem engen Tal liegt. An seiner tiefsten Stelle ist der See 6,60 Meter tief. Die mittlere Tiefe beträgt 3,88 Meter. Auf 14 Hektar Wasserfläche verteilen sich knapp 550.000 Kubikmeter Wasser. Etwa in der Mitte des Sees liegt der namensgebende Knick.

Auf den See mit klarem Wasser scheint die Sonne. Schattiger Wald umrahmt den See auf allen Seiten. Würden Modellbahner Waldseen nachbauen - es sähe aus wie an der Krummen Lanke. Es bleibt ein Wunder, wenn Menschen sich hier im Hochsommer überhaupt bewegen können, ohne dabei andere zu schlagen.

Badestellen


Es gibt den Westen und den Osten. Das Westufer ist Hundeauslaufgebiet und soweit ich sehen konnte, gibt es dort keine echten Badestellen. Der Osten ist Badegebiet. Hier sind größere Strandgebiete direkt am Nord- und am Südende des Sees, soweit zwei kleinere Abschnitte auf halber Strecke.

Badestelle an der Krummen Lanke gesehen vom gegenüberliegenden Ufer
Badestelle gesehen vom Hundeauslaufufer


Im Süden liegt der Strand nah an U-Bahn-Station und Parkplatz, was mich bei Sonne 2018 motivierte, dort nicht zu verweilen. Im Norden soll sich ein Restaurant befinden, dass sich bei meinem kursorischen Uferbummeln aber nicht offenbarten.

Bei Grauheit 2019 blieb ich in Parkplatz/U-Bahn-Nähe, hatte einen sandigen Abschnitt für mich alleine. Ein großer Baum und dessen Wurzeln hielten den Abschnitt zusammen, das Ufer war mit rustikalen Holzkonstruktionen gegen das Abrutschen gesichert. Im Wasser ging es ebenso steil, aber ohne Stufe, weiter wie am Ufer. Kaum fünf Meter im Wasser, reichte mir dieses bereits bis zur Brust. Auf dem Boden setzte sich der feste, gut zu begehende Sand fort.

Die Quelle meiner unvollkommenen Besuchsvorbereitungen schrieb, dass das Krumme-Lanke-Ufer von überall frei zugänglich ist. Menschen, die überall zum Wasser streben,  verursachen erhebliche Schäden im Uferbereich. Tatsächlich war das Ostufer überall, außer an jenen vier Badestellen, durch einen stabil aussehenden Zaun gesichert. Genug Menschen kletterten aber trotzdem über den Zaun oder liefen lange Strecken am Ufer entlang bis zu „ihrer“ Badestelle.


Mit Fahrradschloss gesichertes Tor im Zaun um die Krumme Lanke herum.
Nicht-öffentlicher Zugang zu einer Nicht-Badestelle



Am erstaunlichsten für Berliner Verhältnisse empfand ich den Zustand des Zauns. Dieser wird sicher zahlreich überklettert und dabei auch oft genug durchschnitten. Dennoch befand er sich in einem 1a-Zustand. Dieser Zaun wird aktiv gepflegt.

Meine 2018 ausgesuchte Badestelle war am Uferweg vielleicht 40 bis 50 Meter breit, verengte sich zum See hin. Die Anlage war in drei Terrassenstufen aufgeteilt, in deren Mitte einige wenige Bäume standen. Ich suchte diese Badestelle danach aus, dass sie weniger schattig wirkte als die andere Mittel-Badestelle. Die Sonne bot mir trotz voraussehbar eisiger Wassertemperatur nach dem Baden eine Chance, wieder aufzuwärmen.

Der Eingang ins Wasser war einfach. Entweder über eine Holzschwelle oder seitlich an dieser vorbei bei flacherer Steigung. Der Einstieg ins Wasser dort ist wie geplant: so steil, dass es mit jedem Schritt etwas tiefer geht, aber ohne wirklich steilen Abhang,

Wasser


Es war klarer als befürchtet. Die Unterwassersichtweite reichte immerhin bis zu meinen Fingerspitzen und es fühlte sich einfach gut an. Mit tiefen Ein- und Ausatmen versuchte ich den Körper an die 18 Grad Wassertemperaturen zu gewöhnen.

Es fühlt sich so weich an. Da hat Freibadwasser(* Ausnahme Naturbad wie in Riehen) leider keine Chance gegen sauberes See- oder Meerwasser. Ein ganz leichtes Lüftchen. Links und rechts der sonnenbeschienene Wald.

Aus der Ferne wehen Stimmen herüber und in einiger Entfernung schwimmt eine Mandarinente.

Ich bin kurz davor, den Mann, der sinnierend auf einer Bank sitzt, zu greifen und am Kragen ins Wasser zu ziehen unter dem Aufruf "Du verpasst das Beste!"

Publikum


Für einen Wochentag waren die Sonnenden überraschend jung. Es wirkte, als wären viele Schüler der John. F. Kennedy School anwesend. Der Anteil der native english speakers war überraschend hoch. Sonst waren an dieser Badestelle, die entweder den Einsatz eines Fahrrads oder eines längeren Fußwegs nötig machte, vor allem Gruppen Jugendlicher und junger Erwachsener, die sich aber zu dieser Zeit geradezu vorbildlich benahmen; etwas planschten, etwas schwommen, viele miteinander redeten und die Sonne genossen.

Reste einer Party am See Krumme Lanke. Eine Graffitti-beschmierte Bank und Alkoholflaschen aus dem Mülleimer.
Nicht immer geht es so brav zu wie bei meinen Besuchen.


Dazu kamen doch noch eine deutlich kleinere Zahl Einzelbesucher, die aber fast alle kamen, ins Wasser gingen, eine Runde schwammen, und wieder verschwanden.


Fahrrad abgeschlossen, in dem ein schweres Schloss am Fahrradrahmen befestigt wurde - und am Wildzaun, der sich mit jeder Gartenschere durchtrennen ließe.
Fahrrad-Abschließ-Verbesserungs-Potential.

Gastronomie


Das angeblich dort seiende Restaurant sah ich nicht. Am Südende, beim Parkplatz, steht ein Food Truck, der sowohl Currywurst/ Pommes wie auch "Naturkost" und selbstgemachte Erbsensuppe anbietet. Die von mir getestete Bratwurst gehört zur obersten Badestellenliga. Die U-Bahn-Station beherbegt einen kleinen Asia-Imbiss.

Sonstiges


Nach dem Baden stieg ich dann aus dem Wald und sah mich unvermittelt einer eigenwilligen Wohnsiedlung gegenüber. Diese liegt idyllisch im Wald und erinnert vage an den Siedlungsbau der Weimarer Republik, der in Berlin ja durchaus häufig ist. Nur sehen die Häuser anders aus: eine Mischung aus mundgeschnitztem Holzbau, Heidi, Forsthaus und einer deutschen Modellbahnanlage.

Blick entlang der Straße in der Wohnsiedlung Krumme Lanke. Ein kitschiges Holzartiges Haus steht unter Nadelbäumen.
Wohnsiedlung Krumme Lanke


Das passt schon nach Steglitz-Zehlendorf und unterscheidet sich stilistisch kaum von vielen der dort stehenden alten Villen. Andererseits wirkt es seiner überbordenen Holzkitschigkeit als Großwohnsiedlung reichlich bizarr. Ein Schild der Häuserverwaltung informiert mich, dass die „Waldsiedlung Krumme Lanke“ ist, die Lektüre zu Hause klärt mich dann weiter auf, dass dies eine ehemalige Nazi-Siedlung für SS-Kader ist.


Weiterlesen


Nicht weit entfernt, ähnlich beliebt, und doch vollkommen anders: das Strandbad Wannsee.

Auch in der Nähe, aber verschieden, da ein Hallenbad: die Schwimmhalle Hüttenweg.

Mehr zur Eiszeit und Rinnen. Flugsanddünen.

Dieses Jahr im See, 2017 in der Nordsee: Anbaden.

Das Berliner Badegewässerprofil.

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