Freitag, 30. September 2016

Schwimmbad Berlin: Tempelhof, Stadtbad/ Francke-Bad

Dieses Gelb! Ein Gelb zwischen Butterblume, Butter und Sonnenaufgang. Oh so gelb! Eine ganze weite hohe Wand. Und dann diese Uhr, schwarz, minimalistisch, ein Kreis, zwei Striche und sonst nichts. Ich glaube, ich habe mich ein wenig in eine Wand verliebt. Diese Wand bildet das optische Highlight des  Stadtbades Tempelhof – ein Bad, das sehr spannend zwischen sachlicher Funktionalität, 60er-Jahre-Pop und 50er-Jahre Licht und Weite changiert.

Das Bad entstand in den 1960ern, nach dem Bau in Wilmersdorf und vor dem Bau Lankwitz und bildet sichtbar den Missing Link zwischen diesen. Nicht mehr ganz so frei geschwungen wie Wilmersdorf, aber auch noch nicht so quadratisch-praktisch-düster wie Lankwitz.



Das Bad steht inmitten ausgedehnter Grünanlagen am Rande des Francke(!)-Parks. In der Nachbarschaft befinden sich ebenfalls halb im Park eingebettet eine Bibliothek, eine Turnhalle, Schulen und das Rathaus. Das Bad steht für sich allein, zurückgesetzt von der Straße, und bietet einen eindrucksvollen Anblick.

Leider wird es diesen Anblick wohl nicht mehr allzu lange bilden. Die Berliner Bäder planen einen Neubau in Mariendorf, die ganze Gegend um Rathaus und Park in Tempelhof soll neu bebaut werden, und der Abriss dieses Bades ist mehr oder weniger beschlossene Sache. Ob es in Tempelhof einen Ersatz geben wird? Offiziell ist noch nichts. Aber wo soll er herkommen in diesen Zeiten? Deshalb lohnt es erst recht, das Bad noch zu besuchen, so lange es geht.


Möglich ist das für die gemeine Öffentlichkeit nur am frühen Morgen. Dann glänzt es immerhin besonders. Seine starke Seite, diese gelbe Wand, glänzt  insbesondere zur Zeit des Sonnenaufgangs – und das ist nun wieder das Tragische, dies ist auch die einzige Zeit, zu der der normale Schwimmer das Bad sehen wird, weil es nach 8.00 oder 8.30 morgens der Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich ist. Danach dürfen sich dann Schule und Vereine das Schwimmbad teilen. Update Herbst 2017: Mittlerweile schließt das Bad für die Öffentlichkeit um 7:45h.

Gebäude

 

Quadratisch. Oder um genau zu sein: mehrere Quadrate und Rechtecke auf der Wiese. Ein flaches Eingangsgebäude, flache Kabinengänge und zwischen Eingang und Halle liegt ein kleiner begrünter Innenhof – im Normalbetrieb leider geschlossen. Der Eingangsbereich verströmt noch so ein bräunliches 60er-Jahre-Flair und „funktional“ ist eine treffende Beschreibung. Am Eingang händigt einem die freundliche Kassenkraft den Schlüssel für den Schrank aus. Wertschließfächer gibt es theoretisch auch, da diese aber abgeschlossen sind und es keine Schlüssel gibt, sind sie eher nicht zur Benutzung vorgesehen.  



Duschen, Umkleiden usw.

 

Weiß, kachelig. Eigentlich wirkt es weniger labyrinthig als die Kombibäder. Ich bin in Tempelhof aber schon öfter planlos durch die Gegend geirrt als in jedem anderen Bad. Die Kabinen groß, aus Beton nehme ich mal an, und mit Kacheln verkleidet. Leider mit einem eher ungeschickten Klapp-Schließ-Mechanismus, bei dem die Bank die Türen verriegelt. Oder anders gesagt: wenn man die Türen öffnen oder schließen will, kann man währenddessen keine Tasche oder anderes auf der Bank ablegen.

Die Schränke: ein eher übliches Spind-Modell. 

Den Schlüssel für den Schrank bekommt mensch beim Reingehen an der Kasse und muss ihn dort am Ende auch wieder abgeben. Was natürlich dazu führte, dass ich bei jedem Besuch den Schlüssel aus drömmeliger Gewohnheit im Schloss stecken ließ und erstmal wieder zurück laufen musste.

In den Duschen fehlt das obligatorische „Dusche nackt!“-Schild, dafür hängt  neben der Tür zur Dusche ein viel spektakuläres Schild „Wenn Warnlicht leuchtet nicht betreten – thermische Desinfektion!“. Das Warnlicht hängt dort natürlich auch. 

Die Duschen setzen so ein wenig das Labyrinthkonzept fort. Für die Herren stehen, soweit ich sie fand, zwei Duschräume zur Verfügung und quasi jede einzelne Dusche ist etwas anders eingewandet oder auch nicht-eingewandet.

Sobald man dann die doch sehr weißen und kacheligen Duschen verlässt, steht man plötzlich in einem Gang aus Gelb! Zweimal um die Kurve und es folgt die Schwimmhalle - an deren Längsende die Mutter aller gelben Wände steht.

Schwimmhalle

 

Ein Schwimmerbecken, 25 Meter, 6 Bahnen mit Drei-Meter-Brett und ein Nichtschwimmerbecken.  Das Nichtschwimmerbecken liegt inmitten einer Art Schwimmbadhöhle mit niedrigen Decken, direkt hinter der Dusche. Am Nichtschwimmerbecken vorbei geht es zum eigentlichen Becken vorbei an der Karawane der Schwimmnudeln - einem guten halben Dutzend abgeschlossener Gitterwagen diversester Vereine und Schulen in denen jeweils Schwimmnudeln, Bälle, und anderes Wassergerät lagern.

Das Schwimmerbecken selbst folgt in einer großen Halle (Hohe Fenster! Hohe Decke!). Neben der gelben Wand sind auch die Kacheln im Becken selbst in einem wunderbaren dunkelpastellblau gestaltet. Zusammen mit dem Sonnenaufgangslicht, das ich jetzt bei jedem Besuch dort erlebte:Farbschock de Luxe. 

Das Becken ist im Eingangsbereich nur knapp hüfttief, im hinteren Bereich dann tief genug für ein Drei-Meter-Brett. Wiesbadener Rinne - also das alte Modell bei dem die Rinne deutlich unter dem Schwimmbadboden liegt. Hat diverse Nachteile, aber langsam werde ich nostalgisch dafür.

Der Übergang zwischen hinteren und vorderen Bereich ist steil und abrupt. Auch wenn es mich verstört, wenn ich beim Schwimmen mit der Hand den Beckenboden berühren kann, so hat doch dieses Zuschwimmen direkt auf den Abgrund einen kleinen Hauch von Spannung und Abenteuer. Auch ein Sondereffekt des flachen Bodens: Männer, die auf einem Bein hüpfend gymnastische Übungen im Wasser machen und um die ich dann herumschwimmen durfte.
  

Publikum

 

Menschen, die vor 6 Uhr aufstehen, um Schwimmen zu gehen. Man kennt sich. Schon mit verschiedenen Fertigkeitsstufen und sportlichem Ehrgeiz, aber die Menschen dort wollen schwimmen und nicht mit anderen Sachen die Zeit vertüddeln. Dabei größtenteils entspannt, altersmäßig durchaus gemischt und nett. Den einzigen Zoff erlebte ich beim ungefähr siebten Besuch, als ein Rentnerpaar im gemächlichen Tempo gleich drei Bahnen auf einmal einnahm und alle "Schnellschwimmer" - nach ihrer Definition ungefähr 90% der Anwesenden auf die eine abgeleinte Bahn schicken wollten. Bei mehreren weiteren Besuchen wartete bereits ein hibbelige Schulklasse im Eingangsbereich. Auch ein spannendes Erlebnis im Halbschlaf.


Gastronomie

 

"Pool-Pizza". Hat um 7 noch nicht geöffnet.


Preise/Öffnungszeiten

 

3,50 € Berliner Frühschwimmtarif, was anderes geht ja nicht. 

(Öffnungszeiten 2016) Di, Mi, Fr: 6.30-8.00, Do 6.30-8.30h

Wobei bei den Berliner Bädern die Regelung gilt, dass man eine Stunde vor Betriebsschluss nicht mehr in das Bad kommt und eine halbe Stunde vorher aus dem Wasser muss. Und, wie mir die BBB auf Nachfrage bestätigten, das gilt auch für das Frühschwimmen. Also tatsächlich: Ankommen im Normalfall zwischen 6.30h und 7.00h, donnerstags reicht 7.30h. Schwimmen dann zwischen 6.30h und 7.30h – vorausgesetzt man sprintet bereits in Badeklamotten vom Eingang quer durch die Umkleide bis ins Becken ohne Zeit mit Umziehen oder Duschen zu verlieren.

   

Sonstiges 

 

Berliner Bäder werden ja gerne umgangssprachlich nach den angrenzenden Straßen benannt: das Prinzenbad in der Prinzenstraße, das Baerwaldbad in der Baerwaldstraße, das Leonorenbad in der Leonorenstraße etc.. da das Tempelhofer Bad ja quasi im Francke-Park liegt, sollte man es doch Francke-Bad nennen.

 Seit 2017 wohnt im Gebäude übrigens noch eine Spezialpraxis für Spastik- und Bewegungstörungen.

 

Fazit

 

Was soll ich sagen. Das Francke-Bad mit schönem Becken, der Nichtschwimmerhöhle, dem besten Gelb Berlins und einer Dusche mit Warnblinklicht. Schade, dass es so schwer ist, dort überhaupt hinzukommen.

Weiterlesen


Alle Iberty-Schwimmbadposts liegen unter: Schwimmbäder nah und fern: Rückblick und Ausblick

Keine Kommentare: