Freitag, 16. September 2016

Der Kleine Kohlweißling fliegt langsam und gaukelnd.

Der Kleine Kohlweißling gehört vernichtet, ausgemerzt und bekämpft wo er seinen Kopf über den Erdboden erhebt. Er ist der Feind! Meine ehemaligen Dithmarscher Nachbarn waren sich in diesem Punkt ziemlich einig.

Allerdings preist sich Dithmarschen auch als "größes Kohlangebautgebiet Europas" und der Kohlweißling - beziehunsgweise seine Raupe - ernährt sich hauptsächlich von Kohl. Raps mag er auch. Das erhöht des Schmetterlings Beliebtheit unter Landwirten ebenfalls nicht.



Nun bin ich allerdings schon länger nicht mehr in Dithmarschen, sondern in Brandenburg. Auf den Feldern steht Mais und Roggen, und in unseren Garten verirrt sich allenfalls die ein oder andere windverschleppte Rapsplanze. Ansonsten wachsen dort Wilde Möhren, Sauerampfer, und natürlich jede Menge Stauden und ähnliches. Kohl würde vermutlich wegrennen, wenn er das Brandenburger Klima kennte. Kohlweißlinge lieben Raps auch dann wenn sie Schmetterlinge sind. Und Wilde Möhren. Und Sauerampfer.




Die weißen verhuscht-verwehten Falter kreisen über unseren Garten. Jeder Dithmarscher Bauer würde einen Herzklabaster bekommen, wir aber denken an verwehte Federn. Leicht, weiß, die braunen Punkte auf dem Flügel nur aus der Nahbetrachtung zu sehen. Der Flug "langsam und gaukelnd" wie es ein Insektenforum beschreibt.

Weiß an Gelb auf dem Raps. Weiß an Lila auf dem Lavendel. Weiß an rötlich-grünlich auf dem Ampfer. Weiß neben Gelb neben der Hummel. Und selbst der Körper bei näherer Betrachtung weiß.



Ungewöhnlich. Ist doch neben dem Großen Kohlweißling kaum ein anderer heimischer Schmetterling wirklich weiß. Der Zitronenfalter ist gelb, die anderen Schmetterlinge entweder bunt - oder noch viel häufiger braun-schwarz-grau. Nur der hier nicht. In vier Generationen im Jahr, herfallend über die Kohlernte oder langsam gaukelnd über unsere naturbelassenen Gartenstellen.

Schön.

Tatsächlich. So mit Garten ist man bei Schmetterlingen ja immer ein wenig ambivalent. Der Schmetterling gaukelt ja nicht nur durch die Lüfte - vor allem robbt er sich raupend durch die Gegend. Wo man den Schmetterling gemütlich vom Liegestuhl aus mit dem Cocktail in der Hand beobachten kann, muss man sich für die Ansicht der Raupe ins Unterholz werfen und der Spur der halben Blättern mit Loch folgen..

Pieris rapae (Klein koolwitje) rups
Bild: Pieris rapae, Klein koolwitje rups op broccoli Autor: Rasbak Lizenz: Creative Commons Attribution 3.0 Unported

Und was man dann sieht: wo der eine flatterhaft, leicht und bezaubernd wirkt, ist die andere unförmig und gefräßig. "Schmetterlinge im Bauch" klingt so ganz anders als "Raupen im Bauch". Nur geht das eine nicht ohne das andere.

Und seien wir ehrlich: wenn man nah genug herangeht, stellt auch der Schmetterling eine insektische Fremdheit zur Schau, wirkt plötzlich unheimlich und wie ein mit dem Ufo gekommen. Andererseits sind Raupen, die Seegurken der Felder, mit die bizarrsten, ungewöhnlichsten, faszinierendsten Tiere, die die heimische Natur zu bieten hat.

Pieris rapae close Richard Bartz
Bild: Der Kleine Kohlweißling (Pieris rapae) ist ein Schmetterling (Tagfalter) aus der Familie der Weißlinge und gehört zu den am häufigsten in Mitteleuropa vorkommenden Tagfaltern. Autor: Richard Bartz, Munich aka Makro Frea Lizenz: Creative Commons Attribution-Share Alike 2.5 Generic

Aber sie sind gefräßig. Nun ist das ein Wesenszug, den ich für nachvollziehen kann. Allerdings nehme ich es dann doch persönlich, wenn es um die armen Blumen und Pflänzchen geht, die den Garten bevölkern sollen. Das Recht der Raupe endet dort, wo das Recht der Rose beginnt.

Schmetterlingsflieder und Lavendel oder absammeln und bioogische Kriegsführung? Aber sie gaukeln so schön. Und so lange wir vollauf damit beschäftigt sind, die Wühlmaus - ein gar grausigerer und garstigerer Feind alles Pflanzenwesens - in Schach zu halten, dann doch lieber eine Berliner Weiße, ein Gartenstuhl, ein Buch und den langsam gaukelnden federleichten Fliegern zusehen.

 

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wie kommt es eigentlich, dass du als gelernter Sozialwissenschaftler und selbsternannter Communityfachmensch dich seit geraumer Zeit hauptsächlich mit Fauna und Flora auseinandersetzt? Bringt das die veränderte Lebenssituation, sprich, das platte brandenburger Landleben mit sich oder ist das eine Seite, die du aus Dithmarschen mitbringst und bislang sträflich vernachlässigt hast? Oder gibt's noch einen ganz anderen Grund?

dirk franke hat gesagt…

Ganz spannende Frage. Ich schreibe ja schon immer was mir so vor Augen ist, das waren ja unter anderem auch die ganze Meer- und Nationalparkartikel in Wikipedia; zur Zeit sind es halt eher Gartentiere und ähnliches - zumal ich die meiste Zeit zum Schreiben und nachdenken am Wochenende habe, wo ich halt im Garten bin. Wobei es im Blog ja vor allem deutlich weniger Wikipedia und Wikimeida gibt und der Rest dann anders wirkt. Und das nun wiederum ist Absicht.

Anonym hat gesagt…

Findest du Wikipedia / Wikimedia nicht mehr so spannend?