Sonntag, 4. Juni 2017

Schwimmbad Berlin: Tiergarten, Stadtbad

Eine einladende Atmosphäre versprüht dieses Bad nicht. Es trägt ein schweres historisches Erbe. Denn seinem Bau fiel das älteste Bad Berlins zum Opfer. Von außen wirkt das Stadtbad Tiergarten verbaut, von innen dringend sanierungsbedürftig und dieses allüberallige Braun macht mich depressiv. Dennoch: wenige Berliner Bäder wecken so viel Lust auf das Schwimmen. Ich habe lange nicht mehr solche Strecken geschwommen wie hier im Bad.



Das Stadtbad Tiergarten ist das vorletzte Westberliner Bad. Gebaut 1984. Danach entstand nur noch das Wellenbad am Spreewaldlatz 1987. Und in diesen drei Jahren fand die Wende im Schwimmbadbau statt, die bis heute anhält: Tiergarten (1984): 50 Meter Bahn, ein Nichtschwimmerbecken. ein Sprungbecken. Spreewaldbad (1987): über zwei Etagen, verwinkelt mit sieben Becken, Wellenbad, Sprudeldings und Plätscherdöngs.



Der Typ des Tiergarten-Bades hatte noch nichts vom 80er-Jahre-Spaßbad, war im Wesentlichen immer noch der seit den 70er-gebaute Kombbad-Stil von Krieger/Ibaco (wie in Charlottenburg, Mariendorf, Gropiusstadt etc..), hier allerdings deutlich überarbeitet und stilistisch von den 1980ern geprägt.

Eigentlich liegt das Bad extrem zentral, fast direkt neben dem Hauptbahnhof. Neben den Bädern Mitte und Fischerinsel ist es dasjenige der Berliner Bäder, das wirklich in der Stadtmitte liegt.

Das Stadtbad ist nicht nur zentral, es ist auch ein Ort der Berliner Sportgeschichte: nicht weit weg stand das erste Bad Berlins, dazu das Poststadion, das Sommerbad am Poststadion und die alte Schwimmhalle am Poststadion. Das Tiergartenbad liegt inmitten der Historie – nicht, dass man am Bad selber auch nur das geringste davon merken würde.

Geschichtsträchtige Gegend hier. Open Street Map © OpenStreetMap contributors, made available under the terms of the Open Database License (ODbL).


Nun liegt der Hauptbahnhof in Berlin zwar in der Stadtmitte, ist aber dennoch nur mittelgut zu erreichen. Gerade die Ecke nördlich des Bahnhofs ist ein schwarzes Loch der Stadt, das niemand kennt, wo niemand je war und wo niemand einen Grund kennt, dort hinzugehen.



Der Weg ins Bad führt zu Fuß durch größere Gebiete sozialen Wohnungsbaus, aufgelockert durch moderne Townhouses (Stadtmitte!) bevor es in den Sportpark geht. Dessen Historie lässt sich nur an der Patina erkennen, die über allen Schildern und Wegen prangt – aber es ändert sich was. Vor dem Weg zum Schwimmbad geht es erstmal an einer Boulderhalle vorbei, direkt neben dem Schwimmbad liegt eine Hochmoderne und viel zu teure Saunalandschaft – wer’s braucht.

Gebäude


Das Grundprinzip des Bades ist das bekannte aus den Kombibad-Schwesterbädern. Eine Schwimmhalle mit 50-Meter-Bahn, dahinter das Nichtschwimmerbecken. Ein Sprungbecken liegt seitlich versetzt und ganz am Hallenende liegt die Gastronomie. An der Seite sind die Umkleiden. Der Eingang liegt eher versteckt, das ganze Bad wirkt von außen ziemlich verbaut und unübersichtlich.

Der Eingangsbereich erweckt stark den Eindruck, dringend einer Grundsanierung zu bedürfen. Wertschließfächer sind am Eingang (hinter dem Drehkreuz) in einem verblassten Minzgrün und wirken so als könnte man sie öffnen, indem man ihnen beherzt Luft zuwedelt.
Einmalig – und wohl der direkten Nähe des Bahnhofs und diverser Hostels geschuldet: am Eingang  hängt ein Zettel, der – meiner Erinnerung nach sogar zweisprachig – erklärt, wie das mit dem Studentenrabatt geht und welchen Nachweis man braucht.

Umkleiden/ Duschen


Das Modell Ganglabyrinth. Ein langer Gang, rechts hinter diversen gekachelten Wänden versteckt der Zugang zu den Kabinen. Das Design an sich ist schon immer sehr lichtarm. Die Farbe der Türen – Dunkelbraun - hilft dem ganzen nicht. Im Gegensatz zu diversen anderen Besuchern fand ich das Bad  nicht besonders dreckig – allerdings ist es erkennbar alt und stark abgenutzt und dieses Braun hilft auch nicht dabei, wenn man an Sauberkeit und Frische denken will. Duschen und WCs sind so mittelgut ausgeschildert, die Toiletten haben schon bessere Jahrzehnte gesehen. Die Duschen sind eher klein, farblos und – nun ja – alt.

Schwimmhalle


Ein 50-Meter-Becken!  Drei Bahnen waren geleint, auf einer, kurz bevor ich ging, ein Verein am trainieren. Das Wasser mit 27 Grad am kälteren Ende Berliner Schwimmbadwassertemperaturen, aber typisch für den Bad-Typ. Je länger man schwimmt, desto kälteres Wasser wünscht man sich.

Sechs Bahnen, dennoch gefühlt breiter als die Schwesterbäder. Vor dem Fenster eine Liegewiese, bei wärmeren Wetter ist diese wohl auch öffentlich vom Bad aus zugänglich, indem die Fenster aufgeschoben werden können. Habe es mehrmals versucht, leider war es nie warm und sonnig genug als ich dort war.

Die Halle in so 80er-Jahre-beige mit mittelgroßen Kacheln. Weil diese Kacheln das falsche Format (zu groß) für das typische Kombibad-Kachelmosaik in gelb-orange haben, hängt hier eine Art Bild mit Wellen, Schwimmern, Springern und Wasserballern an der Wand. Das verströmt schon fast 20er-jahre-expressionistische Eleganz und unterstreicht den Anspruch, dass es um Sport geht.

Einmal war das Sprungbecken gesperrt. Warum, erschloss sich mir nicht.

Das Becken ist gekachelt. Bei den Westberliner Kombibädern unterteilt auf 25 Metern eine Konstruktion die Bahn, die bei Bedarf aufgeklappt werden kann. Normalerweise liegt diese auf dem Beckenboden und ist mit Folie abgedeckt – nicht so hier, wo die Folie eingerissen war, und so halb im Wasser schwebte.

Und dennoch. Klares, kaltes Wasser, Platz zum Schwimmen. Ausreichend Licht. Schwimmen war klasse. Es hat mich Überwindung gekostet, das Bad wieder zu verlassen. Bei allen Besuchen blieb ich deutlich länger als ich mir vorgenommen hatte – das passiert in anderen Bädern selten.

Publikum


Das eigentliche Becken war durchaus gut gefüllt. Auf 50 Meter verteilen sich die Schwimmer aber deutlich. Der Anteil der Schwimmer mit sportlichem Ehrgeiz ist recht hoch. Bei einem Besuch, fragte ich mich, ob ich den Besuch des örtlichen Altenheims geraten war – so viele alte Männer auf einmal. Alles in allem aber eine recht bunte Mischung aus so ziemlich allem was in Berlin so rumläuft.


Gastronomie


Ach ja, das Restaurant Nixe. Laut Schild hätte es geöffnet sein sollen, offensichtlich war es geschlossen und es erweckte auch ein wenig den Anschein, als würde dieser Zustand schon ein paar Monate andauern. Insgesamt scheint sich jemand große Mühe gegeben zu haben, die ganze Lokalität aber haargenau im braunen Zustand von 1985 zu erhalten.



Ein andern mal sah es geöffnet aus. Aber ich gebe zu, ich war nicht mutig genug, einen Blick hinter die Türschwelle zu werfen.

Fazit


Sagen wir freundlich: es hat Patina und man sieht dem Bad an, dass schon sehr viele Leute intensiv eine gute Zeit dort gehabt haben. Aber auch: es gibt kaum ein Berliner Bad, in dem sich so gut schwimmen lässt.



Sonstiges


Und dann gibt es noch die tragische Geschichte von dem Freibad, das 2015/2016 neben das Stadtbad gebaut werden sollte – für das es Geld gab und eigentlich auch alle vage dafür waren, es aber doch nicht kam, und bis heute sind sich Senat und BBB nicht einig, wer es nun eigentlich vergeigt hat.
Ach, Berlin.

Mehr


Alle Iberty-Schwimmbadposts finde sich unter: Schwimmbäder nah und fern. Ausblick und Rückblick 

Bianca Schwimmbadblog schwamm dort auch schreibend: Stadtbad Tiergarten

Ausführlich zur Geschichte des Poststadions: Rolf Lautenschläger 1994 in der taz: Im Schatten des Superdomes.

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