Freitag, 26. Januar 2018

Schwimmbad Potsdam: Kiezbad am Stern

Am Rande der Stadt liegt das andere Potsdamer Bad. Während das Bad am Hauptbahnhof, das Blu, der Neubau des Blus, die Diskussionen um den Neubau des Blus, die Diskussionen um den Namen des Blus und natürlich um seine Kosten und auch noch Diskussion um die Stilllegung des Bads am Brauhausbergs im Zuge des Neubaus des Blus die Öffentlichkeit dominieren, geht Potsdams zweites Bad in der öffentlichen Diskussion verloren.

Jenes andere Bad, das Kiezbad am Stern liegt im Neubaugebiet Stern, stammt aus der Endzeit der DDR und die Potsdamer bauten es mittlerweile fast bis zur Unkenntlichkeit um. Darüber hinaus handelt es sich um ein angenehmes unkompliziertes Nachbarschaftsbad zum Schwimmen.

Kunst am Bau neben dem Eingang des Kiezbads am Stern. Gehalten im Stil klassischer Ostmoderne.
Ostmoderne neben dem Eingang.


Fast hätte ich im Kiezbad den „Typ Berlin 83“ nicht mehr erkannt als ich davor stand. Dabei liegt das Bad inmitten eines typischen DDR-70er-Jahre-Stadtteils, in denen sich so gerne die Typbau-Schwimmbäder aufhalten. In unmittelbarer Nähe des Bades liegen eine Schule, eine Bibliothek, eine ehemalige Kaufhalle. Fast möchte ich sagen, „das Übliche.“

Es ist eigentümlich, wie die DDR gleichartige Stadtviertel über das Land verteilt hat. Die DDR-Bauplanung wirkt, als hätte sie immer  „Sim City“ mit „Copy and Paste“ gespielt und nahezu identische Ensembles auf weitere Wiesen fallen lassen.

Hier eine durch alle Epochen beliebtes Skulturenform auf der Wiese neben dem Bad.


Ich sehe dieses Stadtviertel. Und ich weiß, dass hier im Viertel ein Schwimmbad liegt. Dann es scheint unumgänglich, dass hier ein DDR-Typbau entstand. Die erste Ansicht des Bades allerdings ließ mich ratlos zurück: von außen sah es erst einmal nach gar keinem der üblichen Verdächtigen A, B, C oder D aus. Da war Metall, Holz, Glas, eine nur schwer auszumachende Form - wo landete ich denn hier?


Gebäude


Das Bad stammt aus dem Jahr 1988 und ist einige Jahre jünger als das umliegende Neubaugebiet. Es entstand im letzten Lebensjahr der DDR. Folgerichtig bauten die Potsdamer den letzten Typenbau des Staates: Typ D, offiziell Typ Berlin 83. Das Kiezbad am Stern diente dazu, das Bad am Brauhausberg – die damalige Hauptschwimmhalle der Stadt – zu entlasten.

Hier ist der Typ Berlin 83 erkennbar. Der typische Blick auf den flachen Eingang entlang der längsseite,


Die DDR starb vor einiger Zeit. Die Welt hatte fast 30 Jahre lang die Gelegenheit, das Erbe baulich zu verändern und so langsam kann man sehen wie sich die einst nahezu identischen Typbäder auseinander entwickeln. Hier im Kiezbad gelang der Umbau. Ich hätte den Typ von außen fast nicht erkannt. Nichts von den „Attika“-Platten in der Verkleidung war erkennbar, sondern Holz und Glas zogen die Blicke auf sich. Ein luftiger Eingangsbereich mit großem Tresen empfing mich – der auch als Bistro dient – und die Umkleidekabinen sahen auch anders aus, als alles was ich kannte. Man konnte den Typ 83 schon erahnen. Aber war er das wirklich?

Gelb. Schwimmeister Orange Kabinen. Der grüne Strich kennzeichnet den nachträglichen angebauten Bürzel mit Eingangstresen und neuem verglasten Gang zur Umkleide. Open Street Map © OpenStreetMap contributors, made available under the terms of the Open Database License (ODbL).


Erst in der Schwimmhalle schwanden meine Zweifel. Dort passierte in den letzten 30 Jahren weniger sichtbares. In der Schwimmhalle im Stern sieht es so aus wie in Kaulsdorf, Hohenschönhausen oder im Ernst-Thälmann-Park.

Die gründliche Sanierung erfolgte 2008 samt Umbau der Umkleidekabinen, Fassade und auch von größeren Teilen der Technik. Ein Sanierungsnachtrag  erfolgte 2010, ein halbes Jahr lang über den Sommer. Die erste Grundsanierung war nicht richtig erfolgreich. Wegen Pfusch am Bau lösten sich schon wieder Platten.

Das Bad wurde 2010 am Montag nach Weihnachten – 27. Dezember – mit einem „Mondscheinbaden“ eröffnet. Seit 2010 hübschen die Potsdamer Stadtwerke weiter auf – für die Saunagäste gibt es mittlerweile eine holzgetäfelte Dachterrasse – leider komme ich als Schwimmer nicht dorthin.

Umkleiden / Duschen


Typ83 bietet den wenigsten Platz aller Typbauten für Umkleiden.  Eine elegante Lösung mit diesem Platzproblem umzugehen, fiel noch niemand ein. Im Zuge diverser Sanierungen entstanden im Großraum Berlin verschiedene Varianten von „zu eng“.



Die Lösung in Potsdam ist originell und diejenige, die bei mir am wenigsten Raumangstgefühle auslöst: zwei größere Bereiche, je einer für Männer und Frauen. Die Spinde sind in einer Art Dreiergruppierung mit je Raumteilern und Bänken zum Sammelumkleiden untergebracht. Längsseitig wurden Einzelkabinen angebracht.

Auch wurden freundlicherweise beim Umbau Duschen und Toiletten mit einer echten Wand voneinander getrennt. Die Duschen sind leicht verbaut, eher eng und nicht weiter erwähnenswert - typtypisch.

Schwimmhalle


Nachdem ich zum Becken gelangt war, gab es keine Frage mehr, ob ich mich im Typbau befinde oder nicht. Ein Schwimmerbecken an der Längsseite, schräg versetzt ein kleines Nichtschwimmerbecken. Fünf Bahnen. Bademeisterkabine zwischen Schwimmer- und Nichtschwimmerbecken. Die Dekoration an den Wanden war sehr spärlich. Am Ende des Beckens stand eine große Bank. Dieses Hallendesign wirkt extrem lieblos – jedes Mal in jeder Variante des Bades.

Bild: Bäderlandschaft Potsdam


Die einzige Hoffnung für die Atmosphäre des Bades scheint in der Beleuchtung zu stecken – die Schwimmhalle Ernst-Thälmann-Platz in Prenzlauer Berg kann das. Im Kiezbad war ich nur bei Tageslicht und ausgeschalteter Beleuchtung. Fotos machen in Potsdam Hoffnung auf Besseres am Abend.

Fünf Bahnen, das Becken 190cm tief. Drei Bahnen waren geleint, davon eine für Kurse (erst ein Kinderschwimmkurs, dann später Aqua-Schlager-Rumms-Gymnastik) zwei weitere für normale Schwimmer. An einem Startblock hing ein wunderbar handgemaltes Zeichen „Schnellschwimmer“

Publikum



Ich staunte. Mein erster Besuch fand zufällig einige Tage nach der Neueröffnung des „Blu“ statt und ich rechnete mit einem öden, leeren Bad – ein wenig, weil es Sommer war und heiß und die Freibadsaison lief, aber noch mehr, weil ich vermutete, dass die Potsdamer voller Neugier ihr neues Bad besuchen. Ich täuschte mich. Menschenmassen im Wasser. Es lässt sich nicht anders sagen.

Gastronomie


Der Tresen verkauft einige Kleinigkeiten. Zusätzlich existiert auch noch ein Kaffeeautomat. Der Kaffee vom Tresen schmeckte überdurchschnittlich.

Fazit

 
Bild:Bäderlandschaft Potsdam

Ein nettes Nachbarschaftsbad wie es mir wünsche. Fernab des großen Innenstadttempels Blu. Der Typenbau Berlin 83 gehört nicht zu meinen Lieblingen. Aber dafür gelang der Umbau überraschend gut. Und eines Tages werde ich es schaffen, mal im Dunkeln vorbeizukommen und das Bad bei standesgemäßer Beleuchtung zu betrachten.

Sonstiges




Im Winter gibt es Kerzenschwimmen montags abends, im Sommer Lampionsschwimmen.

In Forst, in Brandenburg, sind sie so angetan vom Potsdamer Typ83-Umbau, dass sie den jetzt auch durchführen wollen. Forst will künftig baden gehen wie Potsdam.

Als leicht raumängstlicher Mensch, der Hitze schlecht verträgt, ist Sauna nun gar nicht meins. Aber den Fotos nach zu urteilen, die es zum Sauna-Gelände gibt, scheint auch diese nett zu sein:

Bild: Bäderlandschaft Potsdam

Bild: Bäderlandschaft Potsdam

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Für weitergehende Ambitionen, in jeder Hinsicht vom sportlichen bis zum architektonischen, lohnt die Fahrt in die Potsdamer Innenstadt zum Blu.

Der erste Typbau des Berlin-83-Typs steht in Berlin/Prenzlauer Berg im Ernst-Thälmann-Park. Wer den Typ noch in einer wenig veränderten Wendezeit-Variante sehen will, kann sich nach Berlin-Buch begeben.

Generelleres zu den Typenbädern steht im Hintergrundtext: B, C oder D? Eine Bestimmungshilfe für Volksschwimmhallen.

Alle Iberty-Schwimmbadposts liegen unter Schwimmbäder nah und fern: Rückblick und Ausblick


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