Dienstag, 18. April 2017

Schwimmbad Berlin: FEZ, Wuhlheide

Folge den Pfeilen zur Weihnachtsmann-Schulung. Lasse dich dabei nicht von der Rohkost-Messe verwirren. Im FEZ – dem ehemaligen Freizeit- und Erholungszentrum in der Wuhlheide - ist immer was los. Das Schwimmbad im FEZ liegt am Rand, ist nur ein Teil des Gebäudes.

Eimgang zum FEZ, ehemals Pionierpalast ("Pipala")

Gebaut wurde das FEZ als Pionierpalast Ernst Thälmann mit DDR-weitem Anspruch als Leuchtturm der Pionierbewegung. In der Wuhlheide war bereits 1950 eine Zeltstadt als Pionierrepublik Ernst Thälmann, als Freizeitpark für Kinder, geschaffen worden. Das Gebäude - der Pionierpalast - kam am 3. Oktober 1979 hinzu.

Die Schwimmhalle im Pionierpalast war dementsprechend keine Nachbarschaftsschwimmhalle, sondern ein Prunkschwimmort mit DDR-weiter Ausstrahlung. Pioniere aus dem ganzen Land, und Pionierfreunde aus der ganzen Welt, sollten sehen, wie sehr sich der Sozialismus um seine Jugend kümmerte und welch schönes Leben er diesen bieten konnte.


Der Pionierpalast war ein Ort des Luxus und der Möglichkeiten, mit Attraktionen vom Theater bis zum höchst beliebten Kosmonautenzentrum: Im Tagesspiegel erinnert sich Stefan Jacobs: "Woher all die schönen Dinge kamen – vom Tropenholz für Flugzeugmodelle bis zu den Bauelementen für elektronische Schaltungen – gehört zu den großen Geheimnissen, die die DDR mit in ihr Grab genommen hat. Sie waren einfach da, wenn man nach der Schule in den „Pipala“ ging, und gekostet haben sie die Benutzer meistens auch nichts" (Tagesspiegel: "Der Zauberkasten")

Das Schwimmbad liegt – anders als alle anderen Ostberliner Schwimmbauten – nicht in einem Neubaugebiet, sondern in einem 100-Hektar-Park inmitten eines Waldes, der Wuhlheide. Neben dem Schwimmbad gehören noch eine Parkeisenbahn zum Gelände, ein großer Park mit Freiluftbühne und Badesee und das restliche FEZ, dessen Dimensionen und Inhalte ich immer noch zu erschließen versuche.

Während die Schwimmhalle in den Erinnerungsberichten damaliger Kinder einen wichtigen Punkt einnimmt, fast jeder Mensch, der damals den Pionierpalast besuchte, auch die Schwimmhalle schildert, scheint deren Bedeutung in den letzten Jahren stark gesunken.

Neues, Innovatives und Beworbenes im FEZ bezieht sich im Jahr 2017 auf anderes als das Schwimmen. Selbst die FEZblogger ignorieren ihr Schwimmbad weitgehend. Die Halle war bis zum Frühjahr 2017 stark in die Jahre gekommen - und wurde immerhin vom 10. April 2017 bis zum 2. Februar 2018 sanier.

Betrieben wird das FEZ samt Schwimmbad nicht von den Berliner Bädern, sondern von der Kinder- und Jugendfreizeitzentrum - Landesmusikakademie Berlin - gGmbH.- was vermutlich die exorbitant ausufernd erscheinenden Öffnungszeiten und den für Berliner Bäder außerordentlichen Service erklärt. Aber immerhin ist die gGmbh „Kooperationspartner“ der Berliner Bäder, was praktisch bedeutet: anders als beim Freizeitforum Marzahn ist das Bad zumindest auf der Berliner-Bäder-Seite gelistet.

Die Eintrittskarten sind dennoch andere, die üblichen Berliner Bäder Mehrfachkarten aller Art gelten hier nicht. Das Preissystem ist ähnlich aber nicht identisch.

Gebäude

Die DDR baute den Pionierpalast von 1976 und 1979, eilte dabei im Spaßanspruch und der Architektur schon den 80ern entgegen. Wie alle repräsentativeren 80er-Jahre-Bauten zeigt sich das Gebäude verwinkelt, mehrere geometrische Formen übereinander gestapelt und hoffnungslos verwirrend. Die Fassade besteht in Teilen aus Glas, in größeren Teilen aus dunklem Lärchenholz, das die Einbindung des FEZs in den Wald symbolisieren soll.

Der Weg zur Schwimmhalle führt durch die Eingangshalle – groß genug um einen kompletten Weihnachtsmarkt oder "Rohvolution - die Vitalkostmesse" zu beherbergen. Es gibt eine Kasse für das gesamte FEZ, die entfernt vom Schwimmbadeingang liegt. Beim ersten Besuch kreiste ich einige Kilometer durch die Halle, bis mir klar war, wo ich die Karte herbekäme, um durch das Drehkreuz zu gelangen. Hinter dem Zugang zum Becken, irgendwo in den Katakomben, lagen die Räume für die angepriesene Weihnachtsmannschulung.



Wo selbst ein Hallenbad mit 50-Meter-Bahn nur ein kleiner Gebäudeteil ist. Open Street Map © OpenStreetMap contributors, made available under the terms of the Open Database License (ODbL).



Der Eingang zum Schwimmbad ist hinten links, ziemlich versteckt, hinter dem Drehkreuz führen 80 Zentimeter Gang bis zur Tür der jeweiligen Umkleiden.

Umkleiden / Duschen


Die Sanitäranlagen scheinen mir bis 2017 noch im Original-DDR-Bestand zu sein. Eine große Sammelumkleide. Die Spinde in so einer Art Ostberlin-Umkleide-blau (wenn auch etwas pastelliger als der Standard) und schon von Beginn an nicht sehr solide konstruiert.

Irritierend: sämtliche Ostberliner Bäder haben kurz vor- hinter dem Drehkreuz den Zieh-die-Schuhe-Aus Bereich, so dass die Sammelumkleiden immer Barfusszone sind. Hier nicht. Hier stapften Männer in dicken Winterstiefeln quer neben anderen in Badehose durch die Umkleide. Gerade im Winter griff der Umkleideboden überzeugend mit Erde und Holz das Waldthema der FEZ-Architektur auf..

Durch diesen Seitengang geht es in das Bad.


Die Duschen waren sehr weiß, sehr unspektakulär und offensichtlich auch schon einige Jahrzehnte alt. Mal wieder eine der Duschanlagen mit der sehr kurz bemessenen Duschzeit. Liebe Schwimmbadbetreiber – ich sehe ja den Sinn des Duschens ein. Aber wenn ich 28-mal auf einen blöden Knopf drücken muss, nur um die Seife wieder vom Körper herunter zu spülen, verleitet das doch sehr dazu, irgendwelche Duschabkürzungen zu nehmen!

Die Sanierung 2017 änderte nichts Grundsätzliches an dieser Konstellation. Die Sammelumkleide immerhin wirkt wie frisch aus dem Ei gepellt. Sämtliche Schrankschlösser und die dazugehörigen Schlüssel sind neu und glänzend. Grundkonstellation und Farben und Materialien blieben aber dieselben. Ob sich in den Duschen etwas getan hat - die eine halbe abgeplatzte Fliese war auf jeden Fall auch schon Anfang 2017 da und der Wassernachschub war je nach Dusche weiterhin sehr unregelmäßig.

Schwimmhalle


Hat man dann die kurzen Gänge durchschritten und ist bis zur Halle vorgedrungen, öffnet sich ein imposanter Raum. Vor einem liegt das 50-Meter-Becken(*), dahinter ein versteckt liegendes Nichtschwimmerbecken, dazu eine größere Tribüne. Die Halle ist eigentlich rechteckig, aber durch die eigentümliche Holzkonstruktion (Waldthema!) an der Ostwand wirkt es überraschend aufgelockert/unübersichtlich. Direkt neben dem Ausgang aus den Duschen liegt ein Ausgabeschalter und stehen einige Plastikstühle des Bistros. Die hohe, große Glaswand öffnet auf den FEZ-Vorplatz, die Bänke sind breit und groß und werden gerne zum Sitzen und Liegen genutzt, Alles, passend zum FEZ-Stil, sehr 80er-Jahre-beeinflusst und leicht runtergerockt seit der 2017er-Sanierung glänzend und scheinend.

Schwimmhalle, Außenansicht.


Bei allen Besuchen war eine Leine durch die Mitte des Beckens gezogen, die es in zwei gleich große Teile trennt. Warum, verstand ich die ersten Besuche nicht, bis ich ein Mal zufällig beim Spaßbaden ankam. In einer Hälfte schwamm das Spielgerät, die andere Hälfte war zum Schwimmen freigegeben. Dies ergab Sinn.

Das Highlight bietet das Schwimmbecken mit seinen acht 50-Meter-Bahnen. An einer Längsseite steht der Sprungturm mit 3-Meter-Brett. Das bedeutet auch, an dieser Seite geht das Becken auf 4 Meter Tiefe herunter, auf der anderen Seite sind es dann 1,80 Meter. Auf beiden Seiten stehen hellblaue Startblöcke, denen man die achtziger Jahre ansieht, die sich aber überraschend zeitlos gehalten haben.

Im Becken selbst liegt das schönste, beste, abgefahrenste Kachelmuster eines Berliner Bades, das ich je sah. Kleine Kacheln in verschiedenen Blautönen, die vom Farbmuster überzeugend wirken wie See in der Sonne. Die haben auch die Sanierung überstanden. Einzig der Beckenkopf besteht nun aus dem schwimmbadüblichen Metall, aber nach einigen Zentimetern kommen wieder die Kacheln. Eines muss allerdings bei den Bauarbeiten schief gegangen sein: der Bereich zwischen Bahn und 5 war direkt an der Beckenwand gesperrt wegen unterseeischer Verletzungsgefahr. Die acht Bahnen geben das Gefühl von Weite und Größe, wie es nur große 50-Meter-Becken können.

Publikum


Mich verstörte der ältere Herr, der auf einer Bank nahe der Ein- Ausstiegsleiter des Beckens saß und hingebungsvoll an seinem Fuß rumknippelte.

Ansonsten: da wo, auf den Außenflächen des FEZ’es Kinder herumspringen und sich tollen, sind im Schwimmbecken Erwachsene. Nicht überraschend, ist dessen größte Attraktion doch ein 50-Meter-Becken. Die Erwachsenen waren jeweils reichlich vorhanden, vergleichsweise jung und eine bunte Mischung aus ambitionierten Schwimmern und Freizeitplantschern.

Unterhaltsam: das Dreiergrüppchen, bei dem beide Männer jetzt nicht so dolle schwammen, aber sich große Mühe gaben, der Frau – die das mit dem Schwimmen besser konnte – zu imponieren.

Gastronomie


Noch im FEZ, aber auch mit Bestelltresen zur Schwimmhalle hin, liegt ein echtes Bistro mit einer kleinen Karte. Die Karte beinhaltet das Schwimmbadübliche. Und auch der Kaffee war recht ordentlich.

Preise/Öffnungszeiten 

Zwar gilt nicht die Tarifsatzung der Berliner Bäder. Der Normaltarif mit 5,50 Euro und der Tarif für besuchsschwächere Zeiten sind mit 3,50 Euro aber identisch. Einzig die Verteilung der beiden Tarife auf die Zeiten unterscheidet sich von den Berliner Bädern. Für Berliner Verhältnisse gibt es exorbitante Öffnungszeiten. Sind halt nicht die Berliner Bäder.

Fazit
 

Das FEZ in der Wuhlheide.

 

Das Schwimmbecken ist ein echtes Highlight: riesig und schön. Dem Rest hat die Sanierung 2017 deutlich gut getan. Die für den Besucher sichtbaren Anlagen bleiben der ursprünglichen Gestaltung treu, sind aber derzeit alle noch wie aus dem eEi gepellt.

Sonstiges



Was mir noch auffiel. Eher untypisch für ein Berliner Bad, waren ziemliche alle Menschen, die professionell da waren (sowohl die Damen, die mir die Karten verkauften, über die Verkäuferin im Bistro bis zu den Schwimmmeistern) ziemlich grummelig und wirkten eher unfroh. Das war überraschend, denn bei allem was man über die Berliner Bäder sagen kann: im Normalfall haben die echt nettes, freundliches, aufmerksames Personal. Aber das waren ja auch nicht die Berliner Bäder.


Anmerkungen



(*) Der Legende nach ein 49,xx-Meter langes Becken. Angeblich ließ Margot Honecker die Beckenlänge um einen Tick verkleinern, damit das Becken nicht mehr Wettkampfanforderungen gerecht wurde und die Leistungssportlicher nicht anfangen, den Kindern und Jugendlichen das Schwimmbad streitig zu machen. Ich habe beim FEZ nachgefragt, ob die Legende stimmt. Bekam aber bisher keine Antwort.

Weiterlesen

Nachdem sich die DDR mit dem Bad im Pionierpalast schon einmal vorsichtig auf das Spaßbadterritorium traute, kam mit dem SEZ (Sport- und Erholungszentrum) der große Sprung. Das Bad existiert nicht mehr, steht deshalb in Iberty unter: Keine Schwimmbäder nah und fern: Abgänge.

Das nächstgelegene Bad ist vermutlich die Schwimmhalle Allendeviertel in Köpenick.

Und das andere 50-Meter-Becken in Ostberlin die Schwimmhalle Helmut Behrendt in Marzahn.

Alle Iberty-Schimmbadposts sind unter Schwimmbäder nah und fern: Rückblick und Ausblick

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