Freitag, 10. November 2017

Schwimmbad Marzahn, Schwimmhalle Helene-Weigel-Platz "Helmut Behrendt"

Ein weiter Platz. Der Wind pfeift. Allüberall Hochhäuser, dazwischen breite Schneisen in denen der Wind über den Beton pfeift. Die „Springpfuhl-Galerie“ mit einem Norma und einem Billigjuwelier. Vor dem Gesundheitszentrum steht ein Automat für Spritzenkanülen. Drumherum weitere Geschäfte des preiswerten Bedarfs. Einzig das „Kino Sojus“ vermag etwas Flair zu bringen – wenn auch nur Ruinenchic. Das Kino erweckt den Anschein, als wäre es seit Jahrzehnten verlassen. Marzahn gibt sich am Helene-Weigel-Platz jede Mühe, allen Marzahn-Klischees zu entsprechen.



Ein großes Schwimmbad? Wo soll das sein? Weder vom Parkplatz noch von der S-Bahn-Station aus, ist es zu sehen. Für Ortsunkundige ist ein leichter Irrgang über die marzahnsche Platzsteppe fast unausweichlich. Versteckt hinter dem ehemaligen Rathaus und dem Gesundheitszentrum. Und dann ist es da.



Dieses leichte, fast fliegende Schwimmbad mit 50-Meter-Bahn, einer ästhetischen Doppelpultdachkonstruktion, Empore, Luft und Licht, Wasser und Bewegung. Ein wirklich schönes Bad. An diesem Ort. Licht in der Dunkelheit, Wärme im garstigen sibirischen Nullgradwind. Hinter dem Kino dann auch noch der Springpfuhl selbst. Ein ansprechender Teich mit schönem Uferbewuchs und einem Park drumherum. Ach, Marzahn. Hier wirst Du richtig schön. Warum versteckst du das so?


Der gesamte Helene-Weigel-Platz  entstand in den Planungen Ende der 1970er als erster Teil der Großbausiedlung Marzahn. Inspiriert irgendwo zwischen Russland und Ihme-Zentrum führt der Weg dorthin viele Kilometer über Felder und durch Gewerbegebiete bis da plötzlich diese Wohntürme im Nichts stehen. Das ist mal was anderes. Neben den Wohntürmen entstand das Rathaus (seit Auflösung des Bezirks Marzahn ein Bürgerzentrum), ein Kino, eine Poliklinik (heute Gesundheitszentrum) und jenes erwähnte Schwimmbad.


Umgeben von Gesundheitszentrum, Sozialstation. Bürgeramt und "Lara Beach". Open Street Map © OpenStreetMap contributors, made available under the terms of the Open Database License (ODbL).



Mein Schwimmbadbuch geht unverständlicherweise mit einem halben Absatz über den Bau hinweg. Vielleicht passt es nicht ins Buchkonzept an dieser Stelle. Gebaut wurde das Bad Helmut Behrendt in den 1980ern. Nun hat aber  eben jenes Buch die 1980er zum Jahrzehnt der Spaßbäder erklärt. Da passt dieses Bad nichts in Konzept. Hier geht es um’s Schwimmen. Aber wie.

Gebäude


Gebaut Mitte der 1980er, umfassend saniert zwischen 2007 und 2009 und seitdem immer mal wieder kurzfristig wegen Legionellen in der Dusche geschlossen. Eine Halle mit Doppelpultdach, der höhere Dachteil mit Oberlichtern liegt über der eigentlichen Schwimmhalle, der niedrigere über den Umkleidekabinen.

Das Gebäude ist sehr großzügig mit Glasscheiben in alle Richtungen versehen. Während des Schwimmens kann man nett nach Draußen. Hat man Umkleidekabinen verlassen und läuft an den Föhnen vorbei zum Ausgang läuft, kann man noch netter nach Draußen sehen. Ein großzügiges Foyer. Es lädt ein.


Umkleiden/Kabinen


Die Berliner Bäder sind weiterhin einfallsreich, was die Variationsmöglichkeiten der Frage „wie komme ich an Schrank und Wertschließfach“ angeht. Mehrere Schilder fordern mich zwar auf, ein Wertschließfach zu benutzen – gesehen habe ich allerdings keines.

Blick auf den Kabinentrakt

Hier gibt es auch keinen Pfand, sondern man holt sich an der Kasse einen Chip am Armband ab, der dann beliebige Schränke verschließt. High-Tech bei den Berliner Bädern! Die Umkleiden sind typischer Ostberliner Stil: eine Sammelumkleide in Weiß und dunkelblau. Die Gesamtanlage ist etwas größer, die Gänge dafür deutlich schmaler und labyrinthischer als in anderen Ostberliner Bädern. Persönlicher Kontakt wird hier groß geschrieben. Die Chance, in den Kabinen um eine Kurve zu laufen und dann im engen Gang Aug in Aug mit einem nur Zentimeter entfernten nackten Mann zu stehen, ist immens.

Braun die Kabinen/ Duschen. Open Street Map © OpenStreetMap contributors, made available under the terms of the Open Database License (ODbL).


Der Platz sich tatsächlich umzuziehen geriet hingegen spärlich, die Bänke die dafür zur Verfügung stehen auch eher kurz und eng, ich muss zugeben der Anteil persönlicher Nähe in diesen Umkleiden war mir eher zu hoch.

Die Duschen ein langer Schlauch - wieder weiß/dunkelblau. Schon wieder sehr kollektiv und weiterhin um persönlichen Kontakt bemüht. Ungewohnt: bei allen Besuchen beschallte ein Dudel-Schlager-Radiosender im Hintergrund die Duschen,

Angesichts dessen, dass das Bad gar nicht so voll war, waren bei all meinen Aufenthalten dort, die Duschen stark gefüllt. Anscheinend auch von älteren Herren, die dort leben. Womit sich auch das übliche „Zieh! Dich! Aus!“-Schild obsolet war. Die Herren sprechen einen durchaus an, wenn man sich nicht hygienisch genug benimmt. Wer benötigt Schilder, wenn es auch soziale Kontrolle gibt.

Ansonsten wirkten die Duschen aber schon eher etwas schäbbig, was auch noch dadurch unterstrichen wurde, dass zwischen Duschen und Schwimmhalle so ein Plastikvorhang hing wie ich ihn jetzt eher in der Angebotsabteilung des Baumarktes vermutete als in einer professionellen Schwimmhalle. Aber egal. Kommen wir zum herausragenden Teil.

Schwimmhalle


50-Meter-Bahn. Eine wunderbare leicht-luftige Dachkonstruktion. Licht von allen Seiten. Dazu eine kleine Empore an der Seite und noch eine freischwebende Aussichtsplattform. Neben dem Sportbecken (acht Bahnen) gibt es noch ein kleines Nichtschwimmerbecken mit Rutsche. Am Rande ein kleines Mosaik mit Fisch und Wasser. Durchaus nett. Das eigentliche Schwimmbecken ist laut Anschrift 1,90 Meter tief – wenn das stimmte, wäre ich aber plötzlich um 20 cm auf 1,70m geschrumpft.

Laut Aufschrift hatte bei meinem Besuch das Wasser 28 Grad – ich halte das auch an gefühlter Temperatur für plausibel. Nachmittags waren einmal zwei Bahnen durch „Stopp! Schulen und Vereine“ gesperrt, auch wenn die Menschen die dort schwammen sicher keine Schüler und auch nicht unbedingt Vereinsmenschen waren.

Abends dann vier Bahnen gesperrt, die gesperrten Bahnen eher spärlich benutzt, dafür sahen die Nutzer überzeugend nach Verein aus. Kabinengespräche drehten sich unter anderem um Deutsche Jugendmeisterschaften. Weitere Bahnen gab es für sportlicheres Schwimmen und drei der acht Bahnen waren ein großes Becken für alle anderen halt.

Publikum


Ältere, fitte Menschen, um dem Ganzen einen vagen Oberbegriff zu geben. Die Anwesenden waren schon deutlich zum Schwimmen dort und nicht zum Baden und das tendenziell auch eher gekonnt. Dennoch glücklicherweise weit entfernt von dem angestrengten Ehrgeiz, der einem im Stadtbad Mitte oder im SSE gerne empfängt

.

Die Schwammen halt einfach und das ziemlich gut. Ansonsten hatte ich den Eindruck, es kannten sich viele der Anwesenden untereinander und das Personal auch und als Schwimmbadfremder fällt man eher auf. Ist mir gerade in Ostberlin jetzt mehrfach passiert, aber bei so einem großen Bad wie am Helene-Weigel-Platz wunderte es mich doch.

Sonstiges


Die Schwimmhalle ist nicht nur eines der schwimmfreundlichsten Bäder der Stadt, sondern auch das mit der irritierendsten Beschallung. Ein Schlagerradio. Bei allen Besuchen eher laut gedreht. Ganz gut, dass man den Kopf beim Schwimmen ja oft unter Wasser hat.

Gastronomie


Ein Süßigkeitenautomat – defekt. An der Empore war noch eine Art freischwebende Ausbuchtung über der Halle, die versprach Ruhen, Essen und Trinken. Leute habe ich dort keine gesehen, und da ich kein Bargeld in der Schwimmhalle anbei habe, habe ich dann auch nicht gesucht, ob es dort Kaffee gibt.

Kino Sojus - Mag hier nicht mal jemand ein stylisches Café einrichten?


Fazit
 

Der Springpfuhl.
Der Weg ist nicht das Ziel. Hinter den sieben Gewerbegebieten bei den sieben Wohnhochhäusern, da ist eine schöne Schwimmhalle. Hinter dem engen Umkleidelabyrinth und der seltsamen Dusche ist ein richtig schönes Schwimmbecken. Schwimmbecken hui, der Weg dahin ein wenig anstrengend.

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