Samstag, 22. Januar 2011

Auf dem Nachttisch 2.0: Rights were not granted

Wer erinnert sich noch? Im Juni 2005 startete Wikipedia-Autor Southpark eine Seite mit dem Titel "Auf dem Nachttisch". Da konnten andere Wikipedianer reinschreiben, welche Bücher sie gerade lesen und bis heute erfreut sich die Seite offenbar einiger Beliebtheit (der letzte Eintrag ist vom 15. Januar 2011).

Nun liegt bei mir – seit ich nur mit zwei Koffern in den USA angekommen bin – kein Buch mehr auf dem Nachtschrank, sondern ein iPad. Das ist praktisch und seltsam leblos zugleich. Praktisch deshalb, weil ich alle meine Bücher mit auf Reisen nehmen kann und leblos, weil ich es schrecklich vermisse, an Regalen entlangzugehen, einzelne Bücher in die Hand zu nehmen und darin zu blättern (Wann hab ich das nochmal gekauft? Oh, da liegt ja noch eine Postkarte zwischen den Seiten…).

Kürzlich habe ich mir Julie Flavells Buch When London Was Capital of America auf mein iPad heruntergeladen. Flavell bereitet darin ein großartiges Panorama Londons in den 1760er und 1770er Jahren vor dem Leser aus und beschreibt sehr anschaulich die Alltagskultur der Amerikaner in der mit weitem Abstand größten Metropole Europas im 18. Jahrhundert. Getrübt wird das Lesevergnügen lediglich dadurch, dass durchgängig alle Bilder in der elektronischen Version des Buches fehlen. Stattdessen steht da: "Rights were not granted to include this illustration in electronic media. Please refer to print publication".



Da reibt man sich dann doch erstaunt die Augen, stammen doch ohne Ausnahme alle Abbildungen aus dem 18. und 19. Jahrhundert und sind damit ganz klar gemeinfrei. Ein Beispiel: die oben im Screenshot fehlende Abbildung stellt den dritten Herzog von Richmond bei der Jagd mit seinem Diener dar. Das Gemälde wurde von Johann Joseph Zoffany um 1765 angefertigt und befindet sich heute in der Paul Mellon Collection des Yale Centers for British Art.



Nun geht mir dieser Copyfraud (d.h. die Beanspruchung eines nicht existierenden Copyrights) ehrlichgesagt ziemlich gegen den Strich und ich frage mich, was man dagegen tun kann. Oder vielmehr: an wen muss ich mich denn da überhaupt wenden? An Amazon? An die Yale University Press, wo der Band von Flavell erschienen ist? An das Yale Center for British Arts? Hier lesen doch bestimmt ein paar unserer Fachleute aus der Wikipedia mit – wer kann mir weiterhelfen?

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ein erster Schritt wäre sicherlich, keine Produkte der Apple-Zensoren mehr zu kaufen. Denn die interessiert die Freiheit ihrer Nutzer am wenigsten.

Anonym hat gesagt…

Ich kenne das amerikanische Produkthaftungsgesetz nicht. Würde mir das in Deutschland passieren, würde ich zunächst einmal das Buch wegen eklatantem Sachmangel reklamieren. Ein Ausgabe eines Buches, in der die Bilder fehlen, ist meines Erachtens unvollständig, womit der Kaufvertrag nicht erfüllt wurde.

snotty hat gesagt…

das flavell buch ist es ohnehin (leider) nicht wert gelesen zu werden, das erste kapitel ist schon so laienhaft fehlerbehaftet dass ich es weggelegt habe.

AndreasP hat gesagt…

Wenn Verlage (und University Presses) in vorauseilendem Gehorsam den Copyfraud akzeptieren, nur um später ja keine Bildquellen jemals als "Feinde" zu haben, kann man nichts dagegen machen. Außer Protestbriefe schreiben, und solche Bücher nicht kaufen.