Seiten

Montag, 16. März 2015

Wikimedia lenken und formen: die erste Antragsgarage von WMDE fand statt.


Da gründet man eine freie Online-Enzyklopädie, wartet einige Jahre - und was passiert: man muss sich mit dem deutschen Vereinsrecht, Satzungen und anderen eher unschönen Formalia rumschlagen. Vor dem Versuch, auf den eigenen Verein Einfluss auszuüben, hat die Welt eine ganze Menge formaler Hindernisse gelegt, und um diese kollaborativ zu überwinden, veranstaltete Wikimedia Deutschland - wie hier schon öfters angesprochen - am 7. März in Berlin die erste Face-to-Face-Antragsgarage statt. Im Vorfeld der Mitgliederversammlung im April in Köln sollten Interessierte zusammenkommen, um zu diskutieren, sich auf die MV vorzubereiten, gemeinsam über mögliche Anträge und die kommenden Themen zur MV zu sprechen.

Insgesamt war dies die erste Veranstaltung dieser Art und als solche noch recht experimentell: im Vorfeld stellten sich Fragen, wer überhaupt kommt, ob es überhaupt Anträge zum diskutieren gibt, ob Menschen aus Ideen kollaborativ Anträge entwickeln wollen etc. Die  zwölf bis vierzehn Anwesenden selbst hatten teilweise auch durchaus verschiedene Vorstellungen über genaues Ziel und Ablauf der Veranstaltung, waren aber alle offen und bereit, sich auf die Vorstellungen der jweils anderen einzulassen. Neben der durchaus konstruktiven inhaltlichen Arbeit - dazu etwas weiter unten mehr - war das fast durchgehend entspannte und von Wertschätzung getragene Diskussionsklima ein erfreulicher Punkt der ganzen Veranstaltung.


Antragsgarage eingang 07.03.2015 09-21-24

Der ganze Workshop gliederte sich in drei Teile: 1 On Stage - mit zwei längeren Vorträgen und dazugehöriger Diskussion, Teil 2: Arbeitsgruppen und Teil 3: Stammtisch in der Kneipe um die Ecke.

Teil 1: On Stage


Am Vormittag fanden zwei Vorträge statt: Alice Wiegand schilderte das kleine 1x1 des Antragschreibens. Es enthielt die Überlegungen zu Sinn und Zweck verschiedene Arten des Antrags und ihre Ziele und Anwendungen. Es ging um Überlegungen, wie man den Ansprechpartner des Antrags dann auch dazu bringt, den Antrag wirklich umzusetzen. Nicht zuletzt führte sie auch die zahlreiche Gründe dafür auf, warum es oft sinnvoll ist, einen Antrag nicht zu stellen.

Über das Schreiben von Anträgen

Nach Alice stellte dann Michael Jahn - Leiter Kommunikation bei Wikimedia Deutschland - den Jahresplan vor. Hierbei ging es weniger um die Inhalte des Plans als um dessen Konstruktion. Es ging um den Zusammenhang der einzelnen Teile und die Frage, inwieweit es für Vereinsmitglieder und andere möglich ist, einzelne Teile des Jahresplanentwurfs zu ändern oder anders zu priorisieren ohne gleich den ganzen Plan zum Einsturz zu bringen. Zweiteres ist schwierig. Diverse Leute sprachen von “Jenga mit verbundenen Augen”, da Änderungen in einem Teil des Planentwurfs immer auch Änderungen in anderen Teilen des Entwurfs nach sich ziehen, die aber aus den veröffentlichten Teilen des Plans her nicht nachvollziehbar sind. Für Außenstehende und Nur-Jahresplans-Entwurfs-Leser, die nicht über privilegierte Informationen verfügen, wird so jeder Versuch der Änderung zu einem gewissen Glücksspiel.

Die Aufzeichnung des Live-Streams (leider aus technischen Gründen ohne die ersten Minuten) ist auf Youtube, Mindestens der Alice-Wiegand-Teil soll nach Überwindung der technischen Hürden auch noch nach Commons, wo Alice dankenswerterweise bereits ihre Slides zur Verfügung gestellt hat.

Teil 2: Die Arbeitsgruppen


Nach der Themensammlung und einiger Diskussion fanden sich schließlich die Arbeitsgruppen “Jahresplan” und “Nicht-Jahresplan” zusammen; beide etwa gleichgroß. Die Arbeitsgruppe Jahresplan versuchte sich dem Jenga-Problem anzunehmen und zu überlegen wie ein Jahresplan aussehen könnte, bei dem die Mitgliederversammlung ihr formal vorhandenes Hoheitsrecht über den Plan auch faktisch ausüben kann. Die andere Arbeitsgruppe arbeitete an den Themen “Wie funktionieren Anträge mit Fernwahl jetzt tatsächlich?”, “Partizipation - was verstehen wir denn nun darunter?” und sie arbeitete an den Anträgen “Ende des FFW” und “Community in die Geschäftsstelle.”

Antragsgarage raum 07.03.2015 15-03-49

Partizipation an sich


Während die Diskussion zur Partizipation erwartungsgemäß nicht direkt zu konkreten Ergebnissen führte, war doch zumindest allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern klar, dass es noch sehr unterschiedliche Ideen dazu gibt, mit welchen Ziel wer wann partizipieren sollte oder müsste. Auf jeden Fall gibt es aber unterschiedliche Gruppen von Menschen da draußen, die verschiedene Formen der Mitarbeit und Einbindung benötigen. Mangelnde Einbeziehung im Vorfeld sorgt nicht nur bei Wikimedia für Stress und die Neigung zu sehr weitreichenden Beschlüssen im Nachhinein. Partizipation bedeutet auch eine Kulturänderung bei denjenigen ie diese praktisch durchführen (also vor allem der Geschäftsstelle). Es ist notwendig weg von Partizipation als getrennter Maßnahme oder einer von vielen Stufen hin zu kommen und diese zu gelebtem Alltag zu machen. Für eine ausführlichere Wiedergabe empfehle ich die Aufzeichnungen zur Diskussion-Partizipation im Forum.

Antragsgarage ag-tisch 07.03.2015 17-42-39

Anträge und Antragsarten


Die Beschäftigung mit der Möglichkeit, Anträge per Fernwahl abstimmen zu lassen, und die Entscheidung auf breitere Schultern zu stellen, stellte sich als recht desillusionierend heraus: das derzeitige durch die Satzung bestimmte Verfahren in Kombination mit dem JHJHJHJLKJKL deutschen Vereinsrecht, macht es erforderlich auf der ersten MV zu beschließen, dass es eine Fernwahl gibt, die dann auf der nächsten MV durchgeführt wird. Im Schnitt liegen so also ungefähr 7 Monate zwischen Antragsstellung und Abstimmung..

Die Diskussionen zu den beiden konkreten Anträgen kreisten vor allem um entstandene Missverständnisse aus dem Antragstext und führten mittlerweile auch zu Überarbeitungen der Anträge. Das Protokoll zur Diskussion um Anträge und Antragsarten findet sich im Forum.  Die beiden diskutierten Anträge sind mitterweile als direkte Folge der Diskussion umfassend überarbeitet, eine Darstellung der verschiedenen Arten des Antrags zur späteren Wiederverwendung ist gerade in Arbeit.

Modularer Jahresplan


Die Jahresplangruppe, bei der ich nicht anwesend war, setzte sich erwartungsgemäß mit dem Jahresplan auseinander und der Frage, wie dieser so aufbereitet werden kann, dass er von Außen verständlich und änderbar ist. Am Ende entstand so ein modulares Konzept, in dem der Plan nicht mehr ein schwer-durchschaubares Gesamtkustwerk ist, sondern es verschiedene Module gibt, die einzeln geplant werden und an denen sich Community- und Vereinsmitglieder iM Rahmen ihrer Zeit beteiligen können. Auch ist es so am Ende des Planungsprozesses möglich, die verschiedenen Module anders zu gewichten und mit anderen Ressourcen zu versehen, so dass diese Entscheidung über Gewichtung und Priorisierumg einzelner Ziele tatsächlich auf der MV liegt. Ein erster Entwurf für diesen Jahresplangestaltung befindet sich ebenfalls im Forum.


Teil 3: Folgen und Dokumentation

 

Da es nicht jedermenschs Sache ist, für so einen Workshop zur Besprechung möglicher Anträge für eine Mitgliederversammlung eines Vereins nach Berlin zu fahren, haben wir uns bemüht, möglichst viel davon auch Online zu stellen: es gab zeitweise einen Livestream, zeitweise ein Etherpad und den größten Teil der Zeit waren Teilnehmerinnen und Teilnehmer im IRC-Chat erreichbar.

Deshalb noch einmal in Kürze alle Links zu weiterführenden Materialien und Dokumentation des Workshops:

* Die Workshopseite: Im Wikimedia-Forum (Anmeldung erforderlich, Vereinsmitgliedschaft nicht)
* Die On-Stage-Teile sind auf Youtube
* Die Slides zu Alice Wiegands Vortrag 
* Das Diskussionsprotokoll der Arbeitsgruppe Nicht-Jahresplan
* Der Vorschlag zum modularen Jahresplan 
* Einige Fotos auf Commons (und wie immer sind Wikipedianerinnen und Wikipedianer fotoscheu)




1 Kommentar:

  1. Das mit der verzögerten Fernwahl habe ich nicht verstanden. Die Satzung sieht vor, dass die MV beschließen kann, dass eine Antrag den Mitgliedern zur Entscheidung per Fernwahl vorgelegt werden soll. Das haben wir zwar noch nie gemacht, aber das Prozedere sollte dann eigentlich so aussehen, dass in einem überschaubaren Zeitraum nach der MV eben eine (Fern-)Abstimmung unter den Mitgliedern für und wider den Antrag durchgeführt werden soll. Das Ergebnis dieser Abstimmung bestimmt dann, ob der Antrag erfolg hat oder nicht.

    Wie seid ihr darauf gekommen, dass man bis zur nächsten MV warten müsste?

    AntwortenLöschen