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Donnerstag, 30. Juni 2011

Jimmy, schau mal nach ob die Russen schon da sind.

Stellen wir uns mal dumm, und glauben, dass Dmitri Anatoljewitsch Medwedews Begeisterung für freie Inhalte tatsächlich daher stammt, dass er als einziger Spitzenpolitiker weltweit Urheberrechte verstanden hat - so komplett irrsinnig wie die politische Urheberrechtsdebatte verläuft ist selbst das immerhin nicht auszuschließen. Dann können wir uns einfach freuen, dass die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti Teiles ihres Archivs freigibt.

Wer weiß, welch großen Fortschritt die Wikipedia-Bebilderung durch die Bundesarchiv-Bilder genommen hat, wird sich über die Sicherung vom Erbe der Menschheit freuen. Auch wenn es diesmal nur 800 Bilder sind, die das Archiv bis Ende des Jahres in Freiheit versetzt, sollen es immerhin die populärsten und nachgefragtesten sein.

Hier ist die Bildübersicht:

Hier ein paar Beispiele:

RIAN archive 543 A battalion commander

RIAN archive 5634 Antiaircrafters guarding the sky of Leningrad

RIAN archive 225 IL-2 attacking

RIAN archive 611206 Soldiers of mopping up anti-tank battalion

Soweit ich sehe, alles Aufnahmen aus dem Großen Vaterländischen Krieg. Also quasi das direkte Aufeinanderreffen mit Bundesarchiv-Bildern. Noch mal zum Abschluss das zivilste aller von mir gefundenen Bilder:

RIAN archive 137811 Children during air raid


Und hier nochmal der Link auf den Hinweis: Auch bei dieser institutionellen Bilderspende ist deine Hilfe dringend notwendig!
* füge (sinnvolle) Kategorien hinzu
* übersetze die Bildbeschreibung ins Deutsche (aus dem Englischen oder Russischen)
* füge Geo-Koordinaten hinzu
* baue die Bilder in die Wikipedia bzw. ihre Schwesterprojekte ein







An der S-Bahn dachte ich ja noch, es kommen nur kleine Mädchen #fußball-wm

Ich bin ja ein eher simples Gemüt, und meine Ansprüche sind simpel. Was Fußball im Stadion angeht, erwarte ich eigentlich nur zwei Sachen: links hinter mir den verkannten Cheftrainer, der sich das Spiel über zwischen "Mann, mann, mann, Abgeben!" und "Lauf doch Du faule Sau" bewegt, und auf dem Spielfeld, das Umtreten fremder Menschen.

So gesehen, war das WM-Auftaktspiel Deutschland-Kanada ein voller Erfolg. Der Hintergrundkommentar setzte schon vor Anpfiff an, das erste grobe umrennen ließ auch keine zwei Minuten auf sich warten. Doch ansonsten war es ein spannender Nachmittag: Lustig, irgendwie so ähnlich wie ein Hertha-Spiel im Oly, aber dann doch ganz anders.

Für den Anfang: der verhinderte Trainer hinter mir war diesmal eine Frau, wie auch sonst viele andere Besucher in meiner Ecke. Viele Pärchen, viele Frauengruppen, fast keine Männergruppen. Das habe ich so bei einem Fußballspiel noch nicht erlebt. Wie ich auch den Eindruck hatte, dass ein größerer Teil der Besucher noch nie ein Fußballspiel erlebt hatte. Studienrätinnen für Deutschland!

Berliner Olympiastadion day

Noch weiter am Anfang: ich bin seit Jahren nicht mehr durch so eine entspannte Sicherheitskontrolle am Stadioneingang gekommen, wie auch die Stimmung sonst deutlich entspannter war als sonst so in den großen Stadien. Die Leute im Stadion freudig erregt, begeistert mitgehend, aber doch auch deutlich weniger geübt was Gesänge oder ähnliches anging. La Ola hat hingegen gut geklappt, und die Ehrentribüne musste sich Pfiffe gefallen lassen beim Sitzenbleiben.

Das Spiel selbst haben genug Andere schon beschrieben: größtenteils unterhaltsam, fast immer gut, und genug Frauen sind gefoult worden. Für meine Anprüche mehr als ausreichend. Das Olympiastadion ist ja meines Erachtens ein schönes Stadion, und gerade in der Abendstimmung auch ganz ohne Fußball einfach ein netter Ort, um sich aufzuhalten.

Und zum Ende: auch Brasilianerinnen haben die Musik nicht unbedingt im Blut. 20 Minuten in der U-Bahn mit der grandios falsch wie laut singenden Gruppe der brasilianischen Fan-Mädchen, war doch auf seine Art ein ganz eigener Abschluss.

Nein, kein verzaubertes Fest, keine grandiose Hochstimmung. Aber doch ein sehr angenehmer Abend, der anscheinend eine ganze Mengen Leuten Fußball allgemein und/oder Frauenfußball vermittelt hat.

Und wer ähnliches nochmal in anderen Worten lesen will, den schicke ich doch mal zu Union Berlin. Textilvergehen, auch mit lesenswerten Kommentaren: Fahrgäste und Fußballfans.

Dienstag, 28. Juni 2011

Liebe! Wiki! Kätzchen!

Čáslavsko 5966

Damit Iberty nicht die einzige Website ist auf der es nicht steht. Wikipedia (en vorerst) bekommt einen "Du bist super"-Button zum Anclicken:

Wikipedia users are not very nice. But that's only partially their fault. .. So, in an attempt to solve that problem, Wikipedia has come up with an absurd experiment. .. Going forward, though, the experiment could evolve into a truly useful feature on Wikipedia.

Für Information immer ratsam: Signpost: WikiLove to be rolled out on the English Wikipedia, flanked by new research

Basic-Thinking scheint hingegen mein halbes Wikipedia-Werk zur Hintergrundrecherche geplündert zu haben: Kätzchen für Wikipedia: Woher kommt eigentlich der Katzentrend im Web?


Ich finde das ja super.

Die böse Schwester der freien Inhalt: Private Label Rights

Freie Inhalte sind ja so vage en vogue: Freie Software, Freies Wissen, tauschen, austauschen, und das alles unter einer freien Lizenz. Nun wirft man dem bekanntesten Projekt, Wikipedia. ja durchaus nicht zu Unrecht vor, mit seinen Inhalten andere Anbieter zu überfluten. Die CC-Lizenz dort würde die Inhalte inflationär vermehren.

Nun haben die "freien Lizenzen" aber einen Nachteil: die Lizenz bietet doch einiges an Fallstricken. Besonders mit GFDL war echte Nachnutzung von Text reinstes Rechtsvabanque, und auch unter Creative Commons wartet noch die ein oder andere Tücke. Außerdem hat den Text ja jeder.

Wohl auch deshalb hat sich im Schatten der Aufmerksamkeit das Geschäftsmodell der Private Label Rights entwickelt. Inhalte: billig produziert und meist eher eine Reihung von Wörtern, denn ein Inhalt, die zur freien Nachnutzung gekauft werden können. So frei in der Nachnutzung, dass man auch die Autorennennung unterschlagen, und sich selbst zum Autor machen darf.(*) Der Rechte-Weiterverkauf allerdings scheint mir uneinheitlich geregelt: je nach Anbieter kann PLR das Recht zum Rechte-Weiterverkauf beinhalten, muss aber nicht.

Inhaltlich meist auf die übliche Trias begrenzt "wie werde ich reich, wie finde ich die Liebe meines Lebens, wie wird mein Penis größer", und auch im Handeln untereinander scheinen die üblichen Geschäftsmodelle von Spam-Abos bis zu Betrug weit verbreitet. Aber trotzdem: für ein paar Dollar, alle Rechte an einem Buch.

Zur Zeit erfahren die etwas mehr Aufmerksamkeit, denn jemand hat entdeckt, dass die PLR-Texte sich einfach und unkompliziert zu Kindle-E-Books zusammenpacken lassen. Das Ergebnis: Kindle e-book store slammed by spam "authors" oder auch Spam clogging Amazon’s Kindle self-publishing Oder anders gesagt: wenn man problemlos 100.000e-PLR-Bücher im Kindle-Bookstore einstellen kann, findet keiner mehr die echten Bücher.

Was mich aber auch interessiert, und was ich noch nicht gefunden habe: wo kommen die Texte eigentlich her? Wie kriegt man für 10 US-Dollar etwas zusammen, was zumindest vage einem Buch ähnelt? Doch Affen an Schreibmaschinen? Wikipedia-Texte einmal durch Babelfish hin- und zurück? Stammen die alle von 1800?

Auf jeden Fall: wenn ich jetzt auf Iberty einmal täglich schreibe, wie ihr alle reich werdet, dann habe ich doch die 10 Dollar investiert.

Montag, 27. Juni 2011

"Personal Image Filter" #wikipedia

Garment

Dankenswerterweise von Lyzzy darauf aufmerksam gemacht. In den Tiefen der Mediawiki-Technik wartet der "Personal Image Filter":

a system that will allow readers to hide controversial media, such as images of a sexual or violent nature, from their own view.

Die Bilder werden in potenziell anstößige Kategorien sortiert, und die Kategorien können einzeln geblockt werden "with "somewhere between 5-10" global subcategories, and together with local ones "the interface can comfortably support around 10-12 filters before becoming unwieldy"."

Soll ich das jetzt super finden, weil es Konflikte entschärft, und die Wikipedia lesergerechter macht, oder ganz furchtbar, weil es der Aufklärung (also der mit 18. Jahrhundert/Diderot und so) im Weg steht?

P.S.: Temple Garment (Mormonism)

Wikipedistik: Zuwenig Populärkultur in WP

Es hagelt Wikipedistik-Studien. Diesmal gleich zwei zum Thema, wie Menschen auf Wikipedia zugreifen.

Suchmaschinenoptimierende Amerikaner

Die erste Studie, die ich vorstellen will, ist nicht wirklich wissenschaftlicher, und auch nicht wirklich eine Studie, aber aufschlußreich. Die stammt von unseren speziellen Freunden, den Suchmaschinenoptimierern - genauer SEOMOZ -, und untersucht Links, die auf Wikipedia zeigen.

In The Wikipedia Model werten sie aus, wie Wikipedia im Netz verlinkt ist. So stehen beispielsweise 40% der Links auf Wikipedia für sich allein im Text, etwa ein Drittel ist direkt von der Startseite einer Website, und 40% der Links befinden sich auf Websites, die mehr als 10-mal Wikipedia verlinken. Das alles und noch ein paar schöne Grafikem gibt es beim Link. Das Modell Wikipedia bezeichnen sie dann als Idealwert, und verkaufen Software, die andere Websites danach bemisst. Gerade gekaufte (Werbe-)Links zeigen durchaus andere Muster, und die SEOMOZ-These ist zumindest, dass Google die erkennt, und deshalb aussortiert. Wenn man sich hingegen als Wikipedia tarnt..

Wenn also da nichr 30% sondern 70% der Links von der Startseite kommen, ist das ein Fehler, ebenso, wenn die Links immer in Clustern auftauchen, und fast nie allein stehen etc. Und am Ende sieht es für Google so aus, wie eine legitime informative Website. Als SEO und so natürlich echt total evil, aber doch sehr clever.

Australische Popkulturfreunde

Inhaltlich spannender allerdings ist Vivienne Wallers Veröffentlichung: The search queries that took Australian Internet users to Wikipedia. Deren Titel ist ja relativ direkt, und genau darum geht es: Waller hat Suchmaschinenanfragen auf Wikipedia ausgewertet, und nach Themen gewichtet. Dazu hat sie erstmals nicht nur die beliebtesten 100 Artikel oder so genommen, sondern den ganzen Long Tail. Und für einen Teil der Anfragen dann auch noch bestimmt, wer - also welche soziale Gruppe - nach eine, Thema sucht.

Um es kurz zu machen: die meisten Leute suchen nach Populärkultur - während nur knapp 10% der englischen Wikipedia den Themenbereich behandeln, landet knapp die Hälfte der Suchanfragen dort. Und die Popsuchenden sind jünger, und stammen aus wohlhabenderen Schichten als die anderen.

Etwas ausführlicher: Waller benutzte Daten, die ihr der australische Traffic-Analyst Hitweis für die vier Wochen vor dem 25. April 2009 zur Verfügung stellte. Daraus nahm sie ein Sample von 1800 Abfragen (ich finde nicht heraus, wie genau), und hat die näher untersucht.

Einmal hat sie sie nach Sachgebieten codiert, die in 52 Themengebieten landeten, die wiederum zu 12 Oberthemen zusammengefasst wurden: Popular culture // Cultural practice (sport, religion, cultural practice not elsewhere classified) // Computing/Web // Health // History // Science // Place/building // Contemporary issues // Book/author // High culture // Other // Unknown. Wobei ich Fernsehsport ja zu Popular Culture packen würde, aber nun ja..

Über 50 Prozent suchten nach Popkultur oder Cultural Practice, wobei ein Drittel bei Cultural Practice jener beschreibene Fernsehsport war, und knapp 10% sich auf Alltagswissen etc. konzentrierten. Danach kommen dann Naturwissenschaften und Gesundheit mit je 7% der Anfragen, danach Geschichte mit 6&, alles andere liegt noch deutlich drunter,

Darüberhinaus benutzte Waller Daten von Hitwise, die Leute in soziale Gruppen einteilen - bzw. die aus der Ortslage der Abfrage die soziale Gruppe bestimmen. Individuell natürlich immer schwierig, statistisch würde den Weg aber durchaus für gangbar halten:

Comparing the representation of any particular lifestyle group in the Australian online population with their representation in visits to Wikipedia, it can be seen that the distribution of visits to Wikipedia approximates the actual distribution of the online population.. However, the data indicates that amongst visitors to Wikipedia there was a slight over-representation of people who were better-off and had higher educational attainment and a slight under-representation of people who were socially or economically disadvantaged and who lived in rural or suburban fringe areas.


Und zuletzt kann man das ganze natürlich auch noch quervergleichen. Die besonderen Popfans kommen aus urbanen Zentren mit großer Vielfalt, und vielen Gebildeten, aber mäßigem Einkommen, die großen Popverächter haben niedrigen Einkommen, und wohnen in ländlichen Gebieten. Generell: je mehr Stadt und je mehr Bildung, desto Pop.


Low density area, low income.

Die priviligierste Gruppe von allen, wealthy areas of educated professional households, allerdings hat sich eher für Naturwissenschaften interessiert.

Wobei das Leserinteresse stark davon abweicht, was in der Wikipedia zu finden ist:

According to Halavais and Lackaff 's (2008) study of the coverage of Wikipedia articles, the topics with the greatest number of articles on Wikipedia were general history and science, (each with approximately 13% of all articles) followed by geography, social science and literatures. Together, these five subjects account for 57% of articles. The analysis presented here suggests a very different pattern of use, whereby those five subjects accounted for 28% of visits. While articles about music, including popular music, account for 7% of Wikipedia articles, queries about popular music accounted for double that proportion (14%) of visits.


Auch noch auffallend: während Studien, die von den beliebtesten Artikeln ausgehen, etwa 10% Sex-Interesse finden, sind es bei der Studie nur 1%. Was für mich dafür spricht, dass die Sexinteressierten einfach sehr einfallslos in der Themenwahl sind, und immer bei denselben fünf Artikeln landen.

Oder einfach: wenn Wikipedia tatsächlich nicht nur Selbstzweck sein möchte, sondern für Leser, dann braucht selbst die englische einfach mehr Popkultur.

Am Rande: die Studie klingt ja auch spannend: Other research provides evidence to suggest that the likelihood of trusting Wikipedia as a credible source depends on the user's knowledge of the topic. Lim (2009) found that users who are new to a topic are likely to underestimate the quality of the relevant Wikipedia article. This may lead to reluctance to use Wikipedia for more important topics. Muss mal nach Lim, S. (2009). How and why do college students use Wikipedia? Journal of the American Society for Information Science and Technology, 60(11), 2189-2202. suchen.

Sonntag, 26. Juni 2011

Achduje #wikimania

Jetzt muss ich den ja wirklich ausarbeiten...

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Dear Submitter,

I am very pleased to inform you that your submission of a lecture [Chiara Ohoven and the strange tale of German Leistungsethik] to Wikimania 2011 which will be held on 4th - 6th August in Haifa, Israel, has been approved.

The selection of lectures has been very difficult, as we had to choose 100 lectures out of more than 220 that we have received.

Your lecture will take place on Thursday, 4th August, and will be about 25 minutes.

See schedule here:

http://wikimania2011.wikimedia.org/wiki/Schedule




Samstag, 25. Juni 2011

Männerfußball ist erklärungsbedürftig

Noch etwas mehr als 30 Stunden, und ich werde sehr gespannt im ausverkauften Olympiastadion sitzen, und Frauenfußball-WM schauen. Dutzende Presseleute und Offizielle, die offensichtlich selbst noch nie ein Ligaspiel im Frauenfußball gesehen haben, erklären, wie wichtig das alles ist, und welche unglaubliche Bedeutung das alles haben wird. Unsinn; wie alle Sportarten bis auf Männerfußball, wird Frauenfußball unterschätzt. Das liegt aber am Männerfußball.

Es existieren dutzende Sportarten, in denen spektakulärer Sport geboten wird, und deren Besten vor ein paar hundert oder wenigen Tausend Zuschauern semiprofessionell vor sich dahinsportlern. Die eine Ausnahme, deren Ausnahmestellung tatsächlich schwer zu erklären ist, ist Männerfußball. Der Sport, der langweiliger ist als Basketball, langsamer als Feldhockey, lascher als Bobfahren, anspruchsloser als Fechten, und weniger fotogen als Turnen. Was ihn aufgrund historischer Zufälle aber nicht davon abhält, in seiner Bedeutung alle anderen Sportarten weit zu überragen.

Auch ist Männerfußball von Fifa bis Premier-League-Fußballerverhalten ein Paradebeispiel dafür, was im Sport alles schief laufen kann. Warum also erwarten jetzt alle für die Frauen diesselben Abfolge historischer Zufälle, nur damit am Ende das Monster Premier League dabei rauskommt? Frauenfußball ist mittlerweile akzeptiertes und erfolgreiches Mitglied der Sportfamilie; kein Grund sich ausgerechnet am größenwahnsinnigen Familienfreak Männerfußball zu orientieren.

Donnerstag, 23. Juni 2011

Neues zum Thema Tätowierungen und Urheberrecht

Wie schon erwartet: im Falle Tätowierer gegen Filmstudio wegen Hangover 2 ist es jetzt zu einem Vergleich gekommen, über den keiner der Beteligten reden darf. Damit gibt es immer noch kein Urteil zum Thema, aber immerhin einen Tätowierer, der qua seiner Urheberrechte eines an Geld eingenommen hat.

Und auch wenn das deutsche Urheberrecht noch kein Urteil zum Thema kennt, ist das deutsche Steuerrecht schon weiter, was die Kunstartigkeit der Tätowierungen angeht. Da für Kunst ein Mehrwertsteuersatz von 7% gilt, gilt es zu Unterscheiden. Im deutschen Steuerrecht gilt: Tätowierungen, deren Rechte beim Tätowierer liegen, sind keine Kunst, und kosten 19% Steuer. Tätowierungen, bei denen die Verwertungsrechte vertraglich beim Tätowierten liegen, sind Kunst, und kosten 7%. Eher irritierend, und mal weiterer Erörterung fällig.

Das Smithosian hingegen hat keine Zweifel: The Smithsonian American Art Museum also added tattoo design work and equipment to its permanent collection in 1986


Montag, 20. Juni 2011

Ballettmontag: Tieftonautoballett

Es hätte so schön sein können. Breitbereifte, dunkelfenstrige Amerikanische Sportwagen der 70er ziehen langsam um eine Herde Hipster, tiefes, gaanz tiefes Töne aus deren Boxen sind kaum mehr hör- aber um so mehr spürbar. Brandenburg meets Berlin-Mitte, und der Konsens ist BASS! Tja, so hätte es sein können.

Angekündigt war ein Subbass-Autoballett:

Jedes Auto für sich klingt unspektakulär, sobald sich die Sinustöne mehrerer Autos jedoch überlagern und von den Wänden reflektiert werden, entstehen rhythmische Veränderungen, Verstärkungen und Auslöschungen – die Musik entsteht im Raum zwischen den Häusern und Autos.

Das ganze fand an einer sonnigen Stunde in Neukölln statt. Mehrere Hundert Leute waren gekommen, die waren mal sehr nett, und mal waren es die Bewohner der hämischen Prenzelberg-Kolumnen. Alle neugierig, und keiner wusste so recht was ihn erwartete. Außer Bass. Tief, wuchtig, einnehmend. Die Autos selbst eher enttäuschend. Das gelbe Gefährt hier auf dem Foto sah am ehesten noch so aus, wie ich mir ein solches Auto vorstelle, der Rest waren dann eher das was man beim Mietwagenverleiher so bekommt. Okay, ich hoffe mal, mit stärkeren Boxen.


Tausend Hipster kucken auf ein Auto.

Nur leider, es fehlte Power. Viel Power. Sehr viel Power. Und Bass. Viel Bass. Von den acht Autos sahen zwei ernstlicher nach Tuningszene aus. Die Geräusche, das Gefühl, das sich vermengen sollte, verlor sich im Raum. Auf dem Platz unter den Leuten, klang eines von den acht(?) Autos so, als hätte es Wumms: ein VW Bus. Die anderen hat man gehört wenn man etwas weiter weg war, die waren eindrucksvoll, wenn man direkt daneben stand, und Überlagerung und alles fand faktisch nicht statt,

Angekündigt waren drei Sätze: (1) Tuning (2) Movement (3) Resonanz. Bei eins nun standen sie herum, und man konnte mal einen Ton hören, wenn man näher ranging, und mal weniger, wenn man weiter wegging. Überlagerung: nada. Movement: Genau umgekehrt: wir standen, die Autos fuhren, sehr ähnlicher Effekt. Einzig bei Resonanz ließ sich erahnen, was man erreichen könnte: alle Autos spielten denselben Ton, man hörte Verstärkung, hörte plötzlich mehr als ein Auto, hatte ein vages Wummern tief in der Magengegend, konnte sich vorstellen wie es gewesen sein könnte.

Tolle Idee, enttäuschend Umsetzung. Da bleib ich doch vorerst lieber beim Tractorpulling.

Wikipedistik: Soziales Kapital, Zusammenarbeit und Netzwerke

Und noch ein Konferenzbericht zu Wikipedia-nahen-Themen in der Wissenschaft gibt es. Paolo Massa bloggt über "Report of ACM Hypertext 2011 conference", und dort auch über diverse Präsentationen zu/um/über Wikipedia. Diese sind:

* Paolo Massas eigener Text “Social networks of Wikipedia", der versucht Netzwerke über die Diskussionen auf den Benutzerseiten einzelner Wikipedianer zu ergründen.

* Brian Keegan über Wikipedia Articles affected by Tohoku Earthquake. Soweit ich das verstehe, will er an dem einen Themenkomplex des Fukushima-Erdbebens erforschen wie aktuelle Nachrichten Wikipedia beeinflussen, und mit welchen Mechanismen Wikipedia darauf reagiert. Zumindest der Kurzvorstellung nach steht da mE nicht soviel, was man nicht grob eh weiß. Aber es gibt ein lustiges Video, rote Punkte sind Artikel, blaue sind Autoren:

100 Hours of Wikipedia activity for Sendai earthquake from Brian Keegan on Vimeo.


* David Laniardo: “Co-authorship 2.0: http://www.blogger.com/img/blank.gifPatterns of collaboration in Wikipedia“ dessen Kernthese ist: We find evidence of the presence of a nucleus of very active contributors, who seem to spread over the whole wiki, and to interact preferentially with inexperienced users. The fundamental role played by this elite is witnessed by the growing centrality of sociometric stars in the network

Und zuletzt gab es noch Keiichi Nemoto von Fuji Xerox zusammen mit Peter Gloor und Robert Laubacher vom MIT Center for Collective Intelligence, die feststellten "Social Capital Increases Efficiency of Collaboration among Wikipedia Editors." Die haben in der englischen Wikipedia die verschiedenen ausgezeichneten Artikel untersucht, und untersucht, wer diese bearbeitet hat. Ergebnis: je höher das soziale Kapital der Autoren und je stärker die vorherige Zusammenarbeit, desto schneller wird ein Artikel ausgezeichnet. Nebenergebnis: je höher ein Artikel in der Auszeichnungsklasse steigt, desto kohärentere und breitere Zusammenarbeit ist nötig.

Im Ausblick wird Manuel Castells, eben, der Manuel Castells ("The 2000–09 research survey of the Social Sciences Citation Index ranks him as the world’s fifth most-cited social sciences scholar, and the foremost-cited communications scholar.") auf der ICWSM eine Keynote zum Thema Social Media and Wiki-Revolutions: The New Frontier of Political Change geben.



Sonntag, 19. Juni 2011

Editor-Trends: ein bißchen Wikipedianer-Statistik

Während Wikimedia Deutschland noch die Wikipedia-Autoren-Umfrage vorbereitet, ist die Wikimedia Foundation bereits bei der Auswertung der Ihrigen und veröffentlicht nun die "Top Line Data".

Die Top Line Data besteht aus Basisstatistik zu den 5000 befragten Wikipedianern an sich, und noch mehr Statistik zu ihren Aktivitäten; aus den Daten zu allgemeinem Online-Verhalten, zu Computern, zur Einschätzung anderer Wikipedianer und den Gründen sich zu beteiligen, sich nicht zu beteiligen. Insgesamt also genug Stoff für ein Dutzend Blogposts, weshalb ich erstmal mit der Basisstatikstik anfange.

Von denen waren 11% Admin, und quasi alle angemeldete Benutzer.

Zur Statistik: Medianalter knapp unter 30, Durchschnittsalter 32, mehr als die Hälfte haben einen Uni-Abschluss, knapp die Hälfte ist in Schule oder Uni. 42% arbeiten nicht (wobei in der Gruppe meinem Verständnis nach auch Schüler und viele Studenten drin sind); knapp die Hälfte sind in einer Beziehung, knapp ein Viertel hat Kinder. Und, wir müssen reden, 91% der Antwortenden ist männlich.

Nicht ganz so überraschend ist, dass über die Hälfte der Wikipedianer mehr als 6 Stunden am Tag vor dem Computer verbringt und 0% "less than an hour" angegeben haben. Immerhin ein Drittel meint, sie könnten Anwendungen schreiben, quasi alle können Programme installieren, und Dateien verwalten.

Von den Befragten lebten 12% in Deutschland (CH/AT nicht aufgeführt), und 18% bezeichnen deutsch als Muttersprache. 20% beteiligen sich an de.wp, 30% lesen sie zumindest. Von den 5000 beteiligen sich nur 13 % primär in de.wp, und 12% benutzen sie als Hauptinformationsquelle. Sprich: mehr als ein Viertel der deutsch-Muttersprachlicher beteiligt sich vor allem in anderen Sprachversionen.



Wer sich das detailliert ansehen möchte, findet die Editor Trends Study auf Commons.




Wikipedistik: die Neutralitäts-Bots kommen

Das Neutralitätsgebot der Wikipedia weist ähnliche Effekte auf, wie die Wikipedia selbst: theoretisch eine große Katastrophe, praktisch funktioniert es überraschend gut. Nur wenn man den hands-on-lass-mal-diskutieren-Ansatz aufgibt, und versucht die Neutralität wirklich zu beschreiben, stellt man fest, welche erkenntnistheoretische Katastorphe der Grundsatz ist: fest verankert in den wissenschaftlichen Abwegen des 19. Jahrhunderts, unbefleckt von Allem, was die Menschheit in den letzten 100 Jahren gelernt hat. Aber praktisch funktioniert der neutrale Standpunkt überraschend oft.

Nun kann man sich aber meine Skepsis vorstellen, als ich das Paper von Livnat Herzig, Alex Nunes und Batia Snir mit dem Titel sah "An Annotation Scheme for Automated Bias Detection in Wikipedia", veröffentlicht für Proceedings of the Fifth Law Workshop (LAW V), pages 47–55, Portland, Oregon, 23-24 June 2011. Die ausführliche Beschreibung schränkt da schon etwas ein:

BiasML is a novel annotation scheme with
the purpose of identifying the presence as
well as nuances of biased language within
the subset of Wikipedia articles dedicated
to service providers.

Die Forscher haben sich ein besonders Werbe-anfälliges Artikelsegment gegriffen, und wollen dort die echten Artikel von den getarnten Anzeigen trennen. Eine gute Wahl: die Artikel dort sind meistens nur wenig beachtet, außer den Werbetreibenden interessiert das Thema nicht so richtig, und im Gegensatz zu den großen Firmen mit intensiver Artikelbetreuung (McDonalds und Enercon fielen mir in de spontan ein), sind die kleinen meistens weniger subtil in ihrer Werbung.

Ihr Verfahren ist komplexer als ich es jetzt schildern mag, ich bin ja kein Computerlinguist oder welche Fachrichtung auch immer zuständig ist, denke aber den Überblick verstanden zu haben: Herzig/Nunes/Snir griffen sich eine Zahl menschlicher Auswerter, die ein festes Schema an die Hand bekamen, um Artikel zu bewerten. Je einheitlicher diese Auswerter auswerten, desto besser das Schema. Herzig/Nunes/Snir wählten sich für das Schema Kriterien aus, die Hinweise auf werbliche Artikel geben können:

* wertende Adjektive - klar
* persönliche Einbeziehung (Ich, Du, Sie, Wir) - oft in werbenden Texten verwendet, eigentlich nie in WP-Artikeln
* Wiederholung - auch gern von werbenden benutzt, um die Vorzüge eines Geschäfts darzustellen
* Weasel words - Wörter, die versuchen illegitimen Behauptungen einen legitimen Anstrich zu geben "wird gesagt", "Kritiker meinen", "gilt als" etc.

Dagegen rechnen sie dann Verweise auf Quellen, die die Neutralität wieder erhöhen können. Noch ist das ganze bei weitem nicht fertig: noch sind sie auch fern von der Entwicklung der Software, sondern arbeiten noch an einem Schema, dass man irgendwann automatisieren kann. Das scheint noch ein weiter Weg: While the low individual scores on intrasentential tags is disconcerting, the overall higher scores for annotator B are a positive indication that a decent understanding and execution of the scheme and guidelines are possible klingt mir nicht nach baldiger Vollendung.

Kleinanzeigen kleiner Geschäfte sind eh die Qualitätskontrolle für Anfänger - die erkennt jeder, vielleicht sogar ein Bot. Und wenn man mal den engen Wikipedia-Bereich verlässt, und solche Bots auf die Menschheit loslässt stelle ich mir wilde Anwendungen irgendwo zwischen Spam-Kontrolle und automatisierter Buchkritik vor.

In Wikipedia selbst: Jede Arbeit, die ein Bot verrichtet, muss man nicht selber machen.


Samstag, 18. Juni 2011

"The Impossible happened with Wikipedia in our field of information"

Ein wunderbares Video des Anthropologen Michael Welsch über die Effekte und Möglichkeiten, die Wikipedia, Google, Blogs, Social Bookmarks etc. auf Bildung und Ausbildung haben, oder zumindest haben sollten.

Für Unserereins ist es inhaltlich wenig Neues, und für den bildungsbürgerlichen Europäer vielleicht etwas zu futuristisch-begeistert. Aber das Video ist soooo klasse gemacht, und einfach ein Genuß beim Ansehen. Und der eine oder andere oder noch weitere Bildungstätige sollten das vielleicht doch mal schauen.



Freitag, 17. Juni 2011

Traktorfreitag: Trakteur

Die Urzeiten des Traktorwesens liegen im Dunkeln. Neben der bedauerlichen Ignoranz der Historikerzunft gegenüber dem Traktorwesen liegt das auch an der unklaren Entstehungsgeschichte: Urform des Traktors war die Dampfmaschine auf Rädern. Die kam dann stationär neben oder auf den Acker, und hat von dort aus Maschinerie angetrieben. Erst im Laufe der Zeiten entwickelte sich daraus ein wirklich geländegängiges Fahrzeug mit Benzinmotor.

Der erste deutsche Traktor "mit Explosionsmotor" stammte vermutlich von einem Berliner Pionier des Traktorwesens. Der Ingenieur und "Sachverständige für das Gas- und Dampfautomobil" Adolf Altmann "hat sein Leben teils dem Dampf- teils dem Explosionsmitor gewidmet". Er war Besitzer und Direktor der "Motorfahrzeug und Motorenfabrik Berlin" und der Altmann Kraftfahrzeug-Werke, und ist damit quasi ein Gründungsvater der Daimler-Nutzfahrzeuge. Heute existiert das Berliner Werk immer noch, und produziert unter anderem die Mercedes-Zwölfzylinder. Wobei Daimler auch mal Traktoren bauen könnte meinetwegen.

Was hier aber wichtiger ist: Altmann baute nicht nur diverse Dampflokomobile für die Arbeit auf dem Acker. Von ihm stammt auch der "Trakteur" von 1896 (oder 1894 oder 1897..). Und so vage kann man den späteren Trecker erkennen. Der 12-18 PS-Petroleummotor ließ eine Fahrt zu, nur saß der Fahrer ganz ganz vorne. (Künstlerische Interpretation) Sonderlich sicher kann das nicht gewesen sein.


Stilsicher für einen Pionier des Treckerismus starb Altmann bei einer Explosion. 1905 forschte er in einem Breslauer Keller an einem billigeren Brennstoff.

Außerdem war grad großes Trecker-Treck in Schleswig-Holstein. Vermutlich mit mehr als 18 PS und ohne Petroleumfeuerung. Das muss hier auch kurz erwähnt werden:



Und da Altmann tatsächlich weitgehend vergessen ist, verdanke ich die meisten Informationen hier Julius Küster, seinem Buch "Personen- und Lastendampfwagen", Google, die das ganze digitalisierten und archive.org, wo das ganze sich lesen lässt.


Darummagichberlin (XXXIV)

Weil ich heute, rechtzeitig zum morgigen Langen Tag der Stadtnatur, gleich zwei überfahrene Ratten auf dem Heimweg getroffen habe.

Donnerstag, 16. Juni 2011

Wikipedistik: wie fühlt man sich so als Mutantenfliege?

Vorgestern hatten wir mit Wikimedia-De einen recht angeregten und fruchtbaren Austausch über die Zukunft des Zedler-Preises - schlagt mich, wenn ich bis Dienstag immer noch nichts drüber geschrieben hab, anyway, während des Gesprächs beschwerten sich diverse Leute, dass Wikipedia-Forscher eh immer dasselbe forschen: gerne kriegen sie raus, dass Spaß und Gute-Taten die 20-40-jährigen männlichen Wikipedianer begeistern. Das stimmt, dazu gibt es mittlerweile Studien im Sonderverkauf.

Aber nicht nur: Dank des Signposts kann ich hier einfach mal kurz auf den Eingang diese Woche verweisen. Ich fasse ihn jetzt einfach mal zusammen:

In der aktuellen Ausgabe bespricht er "eine Auswertung von 4 Millionen Diskussionsseitenbeiträgen", Kurzergebnis: auch nicht-Admins übernehmen Führungsrollen; die Studie "was denken andere über Wikipedianer"; Kurzergebnis: ".. an unflattering picture [where Wikipedians] are 'geeky' or 'nerdy,' technologically adept, unkempt, unhealthily obsessive, and absorbed with online life" - ich möchte darauf hinweisen, dass ich zwar ungekämmt bin, was sich aber bei 5mm-Haaren auch kaum ändern lässt.

Den üblichen "wer-sind-Wikipedianer"-Artikel gibt es natürlich auch. Spannender: eine statistisches Modell, welche Artikel wohl Edit-Wars anziehen. Um den Sinn von "Measuring Hyperlink Distances zu verstehen" muss ich dann wohl doch die Studie lesen.

Eine weitere Studie gibt xkcd recht. Wie sehr achten Leser auf Belege? "only 6 of the 23 participants noticed that the references were not related to the topic of the article in the low-quality condition. However, 17 participants indicated that they had paid attention to the references"

Der Signpost zitiert eine Diss: Andrew Famiglietti argues that Wikipedia "was shaped by an ideal I call, 'the cyborg individual,' which held that the production of knowledge was best entrusted to a widely distributed network of individual human subjects and individually owned computers. I trace how this ideal emerged from hacker culture in response to anxieties hackers experienced due to their intimate relationships with machines."

Und ebenfalls dem Signpost, wenn auch seinem Twitter-Account verdanke ich den Hinweis auf ein neues Journal: Critical Studies in Peer Production, das natürlich nicht ohne weitere Wikipedistik auskommt.

Ich zitiere dann einfach mal fröhlich den Signpost weiter, der irgendjemand zitiert: "Wikipedia is the Drosophila of social software." Und wie fühlt man sich so als Mutantenfliege, liebe Wikipedianer?

Mittwoch, 15. Juni 2011

Larry Sanger mit dem Strohmann auf der rutschigen Ebene

Larry Sanger hat vor ein paar Tagen einen Blogpost veröffentlicht: Is there a new geek anti-intellectualism?, der jetzt an sich nicht weiter bemerkenswert wäre, wenn er sich nicht so wunderbar selbst bloßstellen würde.

Sangers These: Geek-Chic ist gegen jede Form von Wissen, und infiziert damit die gesamte Gesellschaft; uns droht eine dumme, verarmte Gesellschaft. Und weil Sanger ja Wikipedia-irgendwie-auch-Mitgründer ist, ist Wikipedia irgendwie auch mit Schuld an dem Trend.

Seine praktischen Beweise sind in vielerlei Hinsicht einfach falsch. Bezogen auf Wikipedia gibt es ja schon eine Replik; eventuell sah es 2001 anders aus, und der Anteil echter Geeks und Technikaffinen Menschen war höher. Aber zumindest 2011 habe ich den Eindruck. größere Teile der Wikipedianer sind der festen Überzeugung, dass sich dieses komische Internet eh nicht durchsetzen wird. Vieles was er als Beweise bezeichnet, trifft zumindest auf Wikiepdia 2011 nicht zu.

Genauso konstruiert er einen Strohmann von Thesen, was Geeks denken. Wie er selber sagt, würde wohl Jeder Mensch widersprechen, solche Gedanken zu haben; eher dreist ist es dann, trotzdem ohne Beweise einfach zu behaupten, dass der Strohmann doch echt ist.

Aber auch wenn die Geeks gar nicht denken, was Sanger ihnen unterstellt, so sind wir doch Sanger zufolge auf einer schiefen Ebene, die einer hohen Wertschätzung der Intellektualität zu einer niedrigen Wertschätzung führt.

Mich irritiert sein Beklagen, dass praktisches Wissen soviel höher geschätzt wird, als schöne Bücher. Beziehungsweise, auch ich finde das beklagenswert, aber war es je anders? Und so abstrakt beklagenswert ich es finde: ich glaube ich lebe lieber in einer Gesellschaft in der ausreichend Menschen wissen, wie sie im Zweifel meine Heizung reparieren können.

Was mich dann aber doch sprachlos zurücklässt, ist Sangers Gleichsetzung von Expertenwissen/Büchern/College/Intellektualismus/theClassics und Wissen. Ja, irgendwie hängt das schon alles zusammen so. Aber dann doch nicht so direkt wie Sanger impliziert.

Um mal einfach anzufangen: da wo er Buch sagt, meint er wohl langen Text. Ich hoffe zumindest für Sanger, dass er einen 30.000-Wort-Digitaltext einem schmalen Buch als gleichwertig anerkennt. Also substituiere ich mal innerlich Text, da wo Sanger Buch scheibt. Ja, die Bedeutung von Text gegenüber Bildern und Zahlen nimmt ab. Was Bilder angeht: seit diversen Jahrzehnten schon. Was übrigens auch schon dem einen oder anderen Autor auffiel. Aber was den Bedeutungsgewinn von Zahlen angeht: auch der ist mindestens zweihundert Jahre alt. Wäre ich böse, würde ich sagen, er geht auf Galilei zurück, und der Sieg der Naturwissenschaften über die Scholastik war so rückblickend betrachtet, nicht das Schlechteste was der Menschheit passierte,

In Deutschland kamen dann irgendwann Realgymnasien an denen man Ingenieurwesen lernte, in den USA Schulen an denen man Handel lernte. Da mag Geek chic eine Ausprägung sein, neu ist das sicher nicht. Dito, Classics, die Diskussion kann man auch mindestens führen, seit ein Abiturient im Normalfall nicht mehr fließend altgriechisch beherrscht. Den Verlust, den Sanger da anklagt, halte ich für Phantomschmerz.

Spannender ist die Gleichsetzung von Experten/College mit Wissen. Und das ist sicher auch der spannendste Punkt. Sanger beklagt, dass "Experte" ein Schimpfwort ist, und Jeder meint, Alles zu können. Ich glaube die Grundsatzdebatten sind auch schon geführt, und die klassische (und auch meine Replik) darauf ist: wichtig ist nicht, wer es sagt, sondern was gesagt wird - was zugegebenermaßen im Widerspruch zu abendländischen Kulturkanon steht, und m.E. ein Hauptgrund ist, warum viele etablierte Wissenschaftler Probleme mit der Wikipedia haben.

Und hier bei diesem spannendsten aller Sangerschen Diskussionspunkte wird es wieder schade. Leider liefert Sanger keinen Maßstab, was "gutes und echtes Wissen" ist, gegenüber dem was es nicht ist. Wenn es um Reichhaltigkeit geht, würde ich deutlich sagen, dass der spontanere, offenere Prozess reichhaltigere Ergebnisse bringt. Wenn es um irgendwie geartete Qualität geht: sicher kann man da Qualität so auffassen, dass der hierarchische Prozess es besser produziert als der offene. Aber Larry, herrje, dann mach es auch, und sage wovon Du redest.

Da wo es unspannend ist, breitet Sanger sich aus. Da wo er eine schiefe Ebene sieht, ist seit Jahrzehnten bereits das Tal erreicht. Und da wo es spannend werden könnte, ist Sanger so sehr von seiner eigenen Großartigkeit überzeugt, dass er sich des Argumentieren enthoben fühlt.


Lamentatio eines unverstandenen Welterklärers. Die immerhin gibt es bereits, so lange wie es Intellektuelle gibt. Und sie erklärt, warum Sanger nie etwas Eigenes entwickeln wird.






Abschiedspost


Ich gestehe: Früher (tm) empfand ich Blogs als eine Seuche. Nun hat sich das Verständnis des Wortes Blog in den letzten Jahren grundlegend geändert, es ist eine ernstzunehmende Blogosphäre entstanden. Bezeichnete noch vor einigen Jahren ein Blog in aller Regel ein tatsächlich öffentlich im Web geführtes Tagebuch mit privaten Befindlichkeiten, die eigentlich niemanden interessieren, findet man heute darunter auch Fach- und Wissenschaftsblogs. Unwichtige "Statusmeldungen" wie den letzten Friseurbesuch und ein Foto vom Carpaccio des vergangenen Abends findet man nun eher bei Facebook oder Twitter.

Dank Southgeist hatte ich die Gelegenheit, mich erst einmal sechs Wochen als Gastblogger hier auf Iberty zu betätigen. Und ich muss sagen: Ich wurde erfolgreich angefixt. Die tragische Konsequenz der Aktion ist also ein weiteres Blog, das eigentlich niemand braucht.

Nun werde ich da sicherlich keine wissenschaftlichen oder hochgeistigen Abhandlungen verfassen. Aber vielleicht gelingt es mir ja, einige bisher noch nicht so recht verarbeitete Gedanken in essayistischer oder kolumnistischer Form in Bildpunkte zu bringen. ;-) Wenn es dann der eine oder die andere interessant findet, um so besser.

Meine Beiträge hier habe ich ganz frech in mein neues Blog eingestellt, um nicht mit einem völlig leeren Blog beginnen zu müssen.

Ich bin selbst gespannt, wie sich das entwickelt, und ob es eine dauerhafte und regelmäßige Betätigung wird, oder ob es wieder einschläft.

Also nochmals vielen Dank an Southgeist für die Gastfreundschaft!
Und zum Schluss wohl das Wichtigste: fee as in coffee

Der E-Postbrief der Deutschen Post


Man soll ja nicht immer nur meckern, daher nun auch mal wieder etwas positives. :-)

Es gibt leider noch immer zahlreiche Unternehmen oder Behörden, die mit Kundenkontakten via E-Mail irgendwie noch nicht allzuviel anfangen können und auf papiergetragene Kommunikation oder eine Unterschrift bestehen. Meist sende ich in solchen Fällen ein Fax. Dank Telefonflatrate ist das kostenlos, und ob meine Unterschrift gescannt und das ganze als Computerfax verschickt oder aber tatsächlich als altmodisches Papierfax versendet wurde, kann der Empfänger in der Regel nicht so schnell erkennen.

Nun gibt es Spezialisten, die noch nicht einmal eine Faxnummer angeben. Normalerweise bleibt in solchen Fällen nur das Telefon (ungünstig da abstreitbar) oder aber der klassische Brief. Allerdings existiert inzwischen auch eine günstige Alternative.

Vor einiger Zeit habe ich mich beim E-Postbrief angemeldet. Nach dem ganzen Prozedere wie Anmeldung, Postident-Verfahren, nochmalige Eingabe eines zugesandten Codes zur Adressverifikation war sich der gelbe Riese dann wohl ausreichend sicher, es tatsächlich mit mir zu tun zu haben.

Als ich also neulich mal wieder eine Kündigung losschicken wollte, probierte ich dieses Tool einfach aus: Online losgeschrieben, auf Senden geklickt, Meldung über fehlendes Guthaben erhalten. Genau, da war ja noch was. Die Aufladung funktionierte problemlos per Kreditkarte, ich wollte schon immer mal einen Centbetrag mit Mastercard bezahlen. :-) Aus mir unerfindlichen Gründen musste ich statt dem normalen Porto von 55 ct mindestens stolze 56 ct einzahlen. Jetzt habe ich 1 ct Guthaben bei der Post. Auch prima, die zinslose Geldanlage in dieser Höhe kann ich gerade noch so verkraften. Danach nochmal auf Senden geklickt, dann das Senden nochmal bestätigt, dann war der Brief weg. Die papierhaltige Zustellung erfolgt angeblich innerhalb von 2 Werktagen. Ich habe den Brief jetzt als pdf im Portal und kann ihn auch runterladen.

Vor allem letzterer Punkt begeistert mich: Sollte ich einmal in Beweislast geraten, lässt sich dies prima vorweisen. Im Gegensatz zu Einschreibe-Sendungen ist hier sogar der Inhalt auf dem Postserver nachvollziehbar gespeichert. Nur über den Punkt "Datenschutz" habe ich beschlossen nicht intensiver nachzudenken. Theoretisch kann "die Post" meine Briefe lesen.

Fazit: Tolle Sache. Blatt Papier, Umschlag, Druckertinte, Weg zum Briefkasten gespart. Außerdem habe ich einen Sendenachweis, den ich bei einem selbst eingeworfenen Papierbrief nicht hätte. Ich bin zufrieden.

Dienstag, 14. Juni 2011

Frauenfußball und die Medien


Die deutschen U19-Frauen sind Europameister! Seit Samstag!

Die Nachricht dürfte gleichermaßen überraschen und auch wieder nicht. Nicht überraschend ist das Ergebnis (übrigens ein 8:1-Sieg im Finale gegen Norwegen) aus sportlicher Sicht: Die deutschen Fußballdamen sind ja bekanntlich sehr erfolgreich. Überraschen dürfte hingegen die meisten Menschen die Tatsache, dass diese EM überhaupt stattfand.

Am Pfingstwochenende war ich internetlos. An sich ist das nicht weiter tragisch, und es hat mir gezeigt, dass sich meine Abhängigkeit noch im vertretbaren Rahmen bewegen dürfte. Allerdings wollte ich am Samstag Abend das Ergebnis des Finalspiels in Erfahrung bringen. Allein - es ist mir nicht gelungen.

In den Nachrichten wurde der Titelgewinn (zumindest für mich wahrnehmbar) nicht einmal erwähnt. Also ein Blick in den guten alten Videotext geworfen: Das Erste (vulgo: ARD) hat Tabellen zu allen möglichen und unmöglichen Männer-Ligen im In- und Ausland. Selbst "Exoten" wie Rumänien und Kroatien werden gewürdigt. Die Frauen-WM im eigenen Land wird zumindest auch erwähnt, es gibt auch eine (!) Seite zur 1. Bundesliga der Frauen. Jedoch keine Meldung zum Titelgewinn der deutschen U19-Damen.
Das 2DF schießt den Vogel komplett ab: Es gibt insgesamt 2 Seiten zu den Damen. Die 1. BL und der DFB-Pokal dürfen sich sogar eine Seite teilen (3 Unterseiten im Wechsel).

Also in die Sportsender geschaut. Eurosport: Ausführliche und zahlreiche Seiten zur U21-EM und zur U17-WM. Der Männer versteht sich. Der Europameistertitel der Frauen wird nicht erwähnt. Letzte Hoffnung DSF Sport1: Das gleiche in bunt. Jede Menge internationaler Männer-Ligen, 2 Seiten zur 1. BL der Frauen, die Frauen-WM. Sonst nix. Keine Titelerwähnung.
So langsam beginne ich zu verstehen, warum es so viele Feministinnen gibt. Diese Ignoranz kotzt selbst mich als Mann an.

Also: Herzlichen Glückwunsch an unsere Fußball-Juniorinnen zum Titelgewinn! Für den Nachwuchs wäre also gesorgt.
An die Medien: Schämt Euch!

Sonntag, 12. Juni 2011

TODESWIKIPEDIA

Letztens ging die Meldung durch die einschlägigen Quellen, dass 60% aller Mediziner in der Wikipedia nachschlagen. Ein Grund für die Mediziner in der Wikipedia ganz besonderen Wert auf hohe Qualitätsstandards zu legen.

Dem allerdings muss nicht immer so sein. Die Palm Beach Post berichtet vom Mordprozess Casey Anthony:

Witness John Dennis Bradley, the CEO and founder of SiQuest Corporation, revealed that someone searched the following terms on Google and Wikipedia:

•Internal bleeding

•Ruptured spleen

•Death

•Self-defense

•Chest trauma

•Inhalation

•Chloroform

•Hand to hand combat


Vielleicht sollte man doch mal gezielten Vandalismus einbauen, um Leben zu retten. Und verrat niemand den deutschen Politikern, dass man sowas nachkucken kann.

Samstag, 11. Juni 2011

Versuchswikipedianerkaninchen. Zwei Studien über die Community.

Für den Anfang was kleines kurzes:

Die Wikimedia-Foundation hat erste Resultate aus der Editor Trends Study 2011 veröffentlicht, den 5000 Wikipedianer in 22 Sprachen ausgefüllt haben.

Die Veröffentlichung ist in ihrer Ausführlichkeit eher übersichtlicht. Die Resultate bestätigen erstmal die Vorurteile: Wikipedianer haben zu >50% eine Uni-Ausbildung sind etwa hälftig über 30 und unter 30 und etwa 99,999% sind Männer. Letzter just kidding. 98% Männer. Stärkste Antriebskräfte sind ehrenamtliches weitergeben und Spaß.

Ed survey june 2011 demographic graph

Deutlich länger und ausführlicher ist die Darstellung der zweiten Studie - einer statistischen Analyse von Edits der englischen Wikipedia: Who writes Wikipedia? An information-theoretic analysis of anonymity and vandalism in user-generated content

Besonderes Augenmerk hat Lee- weißjemandwerdasist? - darauf gelegt, echte Edits von Vandalismus zu trennen.

Und siehe da, in en. wird fast genausoviel Vandalismus beigetragen wie echter Inhalt. Problematisch finde ich ja, dass Vandalismus anscheinend alles ist, was rückgängig gemacht wurde, und somit Edit-Wars mit unter Vandalismus fallen. Aber ignorieren wir das Problem mal als quantitativ nicht wichtig.

Angemeldete Nutzer tragen mehr Inhalt (und mehr Vandalismus) als Nicht-Angemeldete bei, wobei bei Angemeldeten auch der Anteil gut/schlecht besser ist. Leute, die viele Edits haben, tragen eher Content bei, der stehenbleibt, denn Leute mit wenigen Edits. Soweit nicht total überraschend.

Als wirklich überraschend fand ich den 2007er-Berg. Sowohl bei Angemeldeten wie bei IPs hat die Menge der Vandalismus-Edits nach 2007 stark nachgelassen. Die Menge der konstruktiven Edits auch, aber bei weitem nicht in dem Ausmaß. Während der Anteil von echten zu schlechten Edits noch nicht wieder auf dem guten Niveau wie 2004 war, so entwickelt er sich doch stark in die Richtung.

Würde man übrigens Editrechte auf diejenigen beschränken, bei denen nie eine Bearbeitung rückgängig gemacht wurde, dann hätte sie nur ein Viertel des Inhalts.

Und zum Abschluß dann noch ein Direktzitate mit der Warnung vor zu einfachen mathematischen Modellen;

The top registered editors give much more good content than the top anonymous editors. Who are these fantastically productive registered users? Those people have contributed enormous amounts, they must work like machines!

Sie sind:

SmackBot, 9227561 *
RjwilmsiBot, 6828002 *
Dr. Blofeld, 3936971
Ram-Man, 3050752
Kotbot, 2885893 *


Was also haben wir: die Bestätigung vieler intuitiver Gefühle, die nicht wirklich überraschend sind. Wer so editiert, dass die Edits stehen bleiben, wird sich eher anmelden, wer es schafft die Akzeptanz der Community zu treffen, wird eher viele Bearbeitungen machen.

Spannend finde ich aber den 2007er-Berg, den Lee auch gar nicht versucht zu erklären. Auch der trifft ja meine Intuition: 2007 war der Höhepunkt des Hypes, und die meisten Passanten kamen einfach mal vorbei, und probierten sich aus. Mittlerweile sind wir wieder näher an 2004, wo es einen bestimmten Menschenschlag gibt, der editiert. Homogenere Gruppe, mit vielen Nachteilen, aber auch konflikt- und problemärmer als 2007-

Lesetipp zum Copyright als Großen und Ganzen

Theoretical Inquiries Into Law hat eine ganze Sonderausgabe zum Thema Copyright Culture, Copyright History Persönlich am gespanntesten bin ich ja über soziale Bewegungen und Copyright, die es durchaus schon im 19. Jahrhundert gab. Copyright und Wahrheit klingt zumindest spannend, und eher so ungewohnte Perspektiven wie das jüdische Gesetz bringen einen meistens noch auf viele Ideen.

Kompliziertes Lesen von zu Hause aus beispielsweise über den Gast-Zugang, der ein bißchen Arbeit fordert, oder, wer über die Bibliothek hat, über HeinOnline.

Und noch zwei Linktipps mit diversen und vielen Aufsätzen:

CaseWestern: Intellectual Property and the Construction of Authorship - Bibliography (leider ohne Links)

Caslon Analytics Intellectual Property. (mit Links, umständlich aufbereitet)

Freitag, 10. Juni 2011

Kollaboratives Wikimedia-Board-Kandidaten-Raten

Die Wikimedia Foundation zählt ihr Board. Wie jedes Jahr. Und wie jedes Jahr herrscht große Verwirrung, weil die meisten Kandidaten nur auf Bokmal-Wikisource aktiv sind, und niemand sie kennt. Meine einzige Bank, der alkoholfreudige Finne, tritt auch nicht mehr an, so dass ich ein Problem habe. Wir alle, denn abgesehen von den 10-Foundation-Freaks in Deutschland kennt die Kandidaten doch im deutschsprachigen Raume niemand.

Also werden wir kollaborativ. Ich fange mal ein kleines Stückchen weit an, und hoffe, Andere zu motivieren.

Hier die Kandidatenliste und ich schreibe erstmal meine spontane Eindrücke und Erinnerungen auf. Diese können gern in den Kommentaren ergänzt werden, und vielleicht komme ich ja doch noch zu einigen Recherchen, zum Beispiel auf der Seite mit den beantworteten Fragen oder der Seite mit den beantworteten Extrafragen.

Die beiden Schweizer sind weit weit jenseits von gut und böse. Nicht bösartig, nur in einer anderen Welt lebend als Du und ich und die anderen Kandidaten.

Ting taucht ja immer mal wieder auf Veranstaltungen in Deutschland auf, und macht da einen netten Eindruck. Aber nun ja, der extrovertierteste ist er auch nicht, und ob er sich so durchsetzen kann?

James Forrester habe ich immerhin mal 2005 auf der ersten Wikimania getroffen und da machte er einen sehr guten Eindruck. Ähnliches gilt für SJ.

Harel Cain wiederum war auf der Chapters Conference in Berlin, und war dort präsent und kompetent. Wusste was er wollte, und konnte es erreichen. Da zudem alles was ich von der Wikimania in Israel mitkriege, auch durchdacht und sinnvoll wirkt, ist das auf jeden Fall einer meiner Kandidaten.

Milosh ist meinem Eindruck nach in Serbien durchaus rührig, und macht vernünftige Sachen. Aber ob er den Profis bei WMF gewachsen?

Apropos, Kat Walsh (und SJ) dürfte da zu gehören. Wobei ich denke, dass das eine von einer handvoll Kandidaten ist, die auf en. und internationaö ernsthaft bekann sind, und so schon jede Menge Stimmen kriegen.

Bei GerardM habe ich undefinierbare skeptische Erinnerungen, und jetzt kenne ich ihn natürlich durch seinen Blog. Der Blog wiederum macht einen guten Eindruck.

Zum ersten mal in meinem Leben höre ich von Joan Gomà, Tom Morton, Claudi Balaguer, Jane S. Richardson, Patricio Lorente, Marc-André Pelletier, Esteban Zárate, Ferdinando Scala, William H. DuBay. Muss erstmal lesen.

Was ich nicht verstehe: das ist eine Wahl, bei der ein Großteil der Wähler die Kandidaten nicht kennen wird, und nur aufgrund des ersten Eindrucks geht. Warum sind auf der Seite so viele schlechte Fotos?

Donnerstag, 9. Juni 2011

Wissenschaft ist öffentlich: ein Widerspruch zum Birchlog

Wohl jeder, der sich schon einmal mit echten Professores über die Wikipedia unterhalten hat, wird den Gesprächsablauf kennen. Ein bißchen Geplänkel über die Zuverlässigkeit, ein paar Fragen nach dem Konzept und vor allem aber ein Thema: der Artikel über mich selbst! Auch Professores sind halt nur Menschen, und, mit allem Verlaub, ich würde einfach mal behaupten, Menschen mit einem eher überdurchschnittlichen Ego.

Sie sind selten zufrieden mit ihren Artikeln, aber meistens geht es dann darum, dass die neueste Forschungsarbeit nicht ausreichend gewürdigt ist, dass sie darauf bestehen Professor für politische Theorie zu sein, und nicht etwa für politische Ideenlehre, der unwichtige Wissenschaftspreis von 2008 erwähnt ist, aber der viel viel viel wichtigere von 2004 nicht, und sowas. Eitelkeiten halt, die jeder hat, und an denen jeder leidet, über den oder dessen Projekt schon mal irgendwo öffentlich berichtet wurde. Die Öffentlichkeit hat keine Ahnung!

Nun hat Wikipedia Artikel zu vielen Professoren, von diesen Artikeln sind einige wenige sehr gut, einige wenige sehr schlecht, und sehr viele sehr la la. Der Normalfall dürfte die abgeschriebene zusammengefasste Website bei der Uni sein. Während insbesondere diese Selbstdarstellungs-Zusammenfassungs-Artikel nicht wirklich informativ sind, so sind sie doch harmlos. Problematischer sind die, wo mehr steht. Wenn es gut läuft, steht da eine umfassende Würdigung, wenn es schlecht läuft steht ein Miniaturlebenslauf plus die eine verbürgte Teilnahme am New York Marathon, und wenn es ganz schlecht läuft, steht da eine echte Verleumdung.

Letzteres wiederum ist ein gravierendes Problem, aber kein häufiges, weil selten vorkommend und meiner Erfahrung anch durch das Support-Team oder Wikipedia auch relativ schnell abstellbar. Konfliktreicher sind da komisch gewichtete Darstellungen, in denen beispielsweise ein Nebenaspekt den Artikel dominiert, während die eigentliche Forschung kaum vorkommt. Das Birchlog hat sich dem unter Wikipedia: Bild oder doch eher FAZ? einmal gründlicher angenommen:

All dies ist leider kein Scherz, ich beobachte das immer wieder, insbesondere im Bereich Wissenschaftler, bei dem viele Benutzer jeden Professor als relevant erachten, ungeachtet dass die meisten dieser nicht in der Öffentlichkeit stehen und so viele Artikel zu Professoren in der Wikipedia ein Zerrbild liefern oder Selbstdarstellungen von Leuten sind, die die Relevanzkriterien ausnutzen, um sich zu verewigen.

Daraus schließt er dann:

Ich schlage vor, dass die bestehenden Relevanzkriterien mit zwei wesentlichen anderen Richtlinien in Wikipedia abgeglichen werden: Dem Neutralen Standpunkt und der zu Artikeln über lebende Personen. Kurz gesagt kann ein qualitativ guter und ethisch vertretbarer Wikipediaartikel über eine lebende Person nur dann geschrieben werden, wenn ausreichend neutrale Quellen zur Person vorhanden sind. Ist bei der Personengruppe, um die es sich in dem Relevanzkriterium dreht, nicht der Fall, wird das Relevanzkriterium entsprechend verschärft.

Ehrlich gesagt, verstehe ich das nur halb, würde da aber sowieso für den radikaleren Ansatz plädieren, den Torsten Kleinz vorschlägt: weg von der labyrinthigen Gruppenbeurteilung hin zu einer klaren Aussage: Artikel gibt es über Themen, über die es brauchbare Quellen gibt. Wenn es Wikipedia jemals schaffte, von den unseligen Relevanzkriterien hin zu Quellenkriterien zu kommen, würde das vieles retten. Die ließen sich vermutlich kürzer und eindeutiger formulieren als die kafkaeseken Relevanzkriterien, und ließen sich stringenter Anwenden, da es weniger zu füllende Löcher gibt.

Wirklich schlimm an den Löschkandidaten ist es ja nicht, dass gelöscht wird, oder dass zuviel gelöscht wird - irgendwo gibt es immer Grenzen und Ränder. Problematisch ist, dass zuviele Diskussionsteilnehmer ihre mangelnde Bildung und ihren mangelnden Horizont wie ein geblähtes Kampfbanner vor sich hertragen, und alles was ihre Auffassungsgabe übersteigt, rüde für unwichtig erklären. Wenn man mal kurz Wichtigkeit aus dem Handgelenk diskutiert. Praktisch demonstrierte Leseinkompetenz gepaart mit Null Neugier ist einfach ein schlechtes Aushängeschild für eine Enzyklopädie. Bitte, lasst uns endlich mal das freihändige Relevanz- durch ein begründbares Quellenkriterium ersetzen.

Konkret bezogen auf Professoren würde ich Birken aber dann doch sehr widersprechen:

Wissenschaft ist öffentlich. Wissenschaftler stehen in der Öffentlichkeit. Und zu jedem Wissenschaftler gibt es natürlich neutrale Quellen: er veröffentlicht, andere veröffentlichen über seine Veröffentlichungen. Wichtig am Wissenschaftler ist ja das Werk, und das lässt sich eigentlich immer ausgewogen und neutral beschreiben.



Mittwoch, 8. Juni 2011

Luxus ist..

..an der Hauptstraße im Cafe zu sitzen, heimlich an den frischen Bergpfirsichen vom Markt (1,99/kg) zu nibbeln, und zuzusehen, wie abwechselnd Feuerwehr und THW mit Blaulicht in die tiefer gelegenen Stadtteile eilen.

Buesuem emma sonnenluecke

Dienstag, 7. Juni 2011

Sarah Palin, Perez Hilton und Stephen Colbert reiten durch Wikipedia-Diskussionsseiten. Mit Musketen.

Washington Crossing the Delaware by Emanuel Leutze, MMA-NYC, 1851

Wie der ein oder andere Leser vielleicht mitbekommen hat, ist offensiver Patriotismus in den USA durchaus weit verbreitet. Der Geschichtsunterricht kann sich dem nicht entziehen. Sicher wiederkehrende Themen eines jeden zweiten Schuljahres sind große Präsidenten (Lincoln, Washington, Jefferson, die doppelten Roosevelts, Reagan), die Gettysburg-Adress, Theodore Roosevelt und der Big Stick, und natürlich der amerikanische Unabhängigkeitskrieg.

Sherpherd aulos Louvre G536

Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg wird durch ein ikonisches Bild und ein ikonisches Gedicht vermittelt. Wieder und wieder und wieder und wieder. Das Bild wie George Washington, den Fluss Delaware überschreitet, und das Gedicht wie der tapfere, einsame Reiter Paul Revere, die amerikanischen Kolonisten in Massachusetts vor den anrückenden Briten warnt. (Winter, kalt, einsam, tapfer, mutiges Individuum..). Das ist Grundschul- Mittelschul und Highschool-Stoff.(*)

So through the night rode Paul Revere;
And so through the night went his cry of alarm
To every Middlesex village and farm,—
A cry of defiance, and not of fear,
A voice in the darkness, a knock at the door,
And a word that shall echo for evermore!
For, borne on the night-wind of the Past,
Through all our history, to the last,
In the hour of darkness and peril and need,
The people will waken and listen to hear
The hurrying hoof-beats of that steed,
And the midnight message of Paul Revere.

Sarah Palin nun in Boston im Fernsehen, Revere warnte die Briten, sich nicht mit Amerikanern anzulegen, und verwandelte den Propheten des Aufstands flugs in ein Gangmitglied mit halbgaren Drohungen. In einem Themenfeld, in dem jeder Grundschüler sich besser auskennt als Palin. Soweit so trivial so gewöhnlich. Bei jemand, dessen Appeal darin liegt, dass die "einfachen Leute" sich mit ihr identifizieren können, gehört ein löchriges Geschichtsbild eher zum Konzept. Zumal das "korrekte verbreitete Geschichtsbild" das aus dem Gedicht, und auch nicht korrekt ist. Nur sollte man die historischen Fehler nicht in dem Bereich machen, wo jedes Grundschuldkind mitreden kann.



Die Medien freuten sich wie jedesmal, wenn sie skandalöses über Palin berichten konnten, die Palin-Fans regten sich über die Medien auf, woraufhin sich die Medien über die Palin-Fans.. Da es aber diesmal um historische Wahrheit geht, gibt es ja mittlerweile eine allgemein anerkannte Instanz für diese: Wikipedia! Sofort danach begannen Palin-Fans den Revere-Artikel zu ändern, und die Palin-Version in den Rang der Wahrheit zu erheben. Danach dann begannen nicht Palin-Fans sich als Palin-Fans auszugeben, und mehr Unsinn zu schreiben, während unter den Wikipedianern sofort eine Grundsatzdiskussion ausbrach. Wenig erfolgreich natürlich, aber dabei ein wunderschönes Beispiel an Wiki-Diskussionen abgebend.

Und wir reden ja von Palin, alles äußerst auffallend, und zur Freude der Medien. Während die am Wochenende schon ausführlich über Palin-Revere berichten durften, konnten sie gleich Palin-Revere-Wikipedia nachliefern. Zur Freude von Andrew Sullivan, und The Atlantic, und HuffPo, und Slate der New York Times und Perez Hilton.

Stephen Colbert hat nun wiederum ein unterhaltsames Reenactemet des Revere-laut-Palin-Rides durchgeführt, sich über die "Hardcore-Fact-Addicts" bei Wikipedia aufgeregt und dazu aufgerufen statt des mittlerweile gesperrten Revere-Artikels doch den über Glocken zu bearbeiten. Der Artikel ist mittlerweile auch gesperrt. Woraufhin die Medien wieder über die Glocken und Colbert, hach, es ist ein lustiges Ballspiel.

An dem ich mich natürlich gerne beteilige: Morgen folgt hier die minutengenaue Analyse wer wann wie editiert hat. Conservapedia hat natürlich die Palin-Version zu Paul Revere.

Und nebenbei, Michele Bachmann wird sich gegen irgendeinen langweiligen Rep-Mann den Vorwahlkampf-Showdown liefern aber letztlich verlieren. Sarah wer?


(*) Übrigens tatsächlich schwer einen für Deutschland verständlichen Vergleich zu finden. Während die US-Staatsräson ist "wir sind toll", ist die Deutsche "wir sind keine Nazis"; jeder halbwegs passende Vergleich zur Geschichtspolitik involviert Nazis, und wird schnell unappetitlich.

Samstag, 4. Juni 2011

Kurz gestubbt: K/S, WIPO, In Praise of Copying, Freie Kultur

Aus den letzten Tagen gibt es ein paar neue oder stark überarbeitete Wikipedia-Artikel zu vermerken:

K/S ist ein Thema der Slash-Fiction. Es behandelt die Beziehung zwischen Captain Kirk und Mr. Spock aus der Fernsehserie Raumschiff Enterprise. K/S wird meist in Form von Geschichten beschrieben, kann aber auch Thema von Bildern und seit einigen Jahren auch von Videos sein. Die meisten der Fan-Fiction-Geschichten sind homoerotisch aufgeladen und enthalten oft detailliert sexuelle Beschreibungen. Seltenere Bezeichnungen sind Kirk/Spock oder Spirck.[1] Wie alle Slash-Fiction wird diese überwiegend von heterosexuellen Frauen geschrieben.

Eakins, Thomas (1844-1916) - Lottatori 2

In Praise of Copying (dt. Lob des Kopierens) ist ein Buch des kanadischen Anglisten Marcus Boon. Es erschien 2010 bei Harvard University Press und steht unter einer nichtkommerziellen nichtwandelbaren CC-Lizenz. Boon beschäftigt sich dabei philosophisch gegründet mit dem Wesen der Kopie. Ausgehend von Dekonstruktivismus und Mahayana-Buddhismus entwickelt er einen Standpunkt, der die westliche Unterscheidung zwischen Original und Kopie gegenstandslos macht. Kopien sind allgegenwärtig und integraler Bestandteil menschlichen Daseins, jedes Original ist auch Kopie, jede Kopie auch

Everybody is Dolly

Die WIPO-Development-Agenda ist ein Programm der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) in Form von 45 Empfehlungen. Die Generalversammlung der WIPO am 27. September 2007 verabschiedet.[1] Nach der Doha-Runde der WTO von 2001 handelt es sich damit seit Jahrzehnten um das zweite internationale Abkommen, dass einer stetigen Ausweitung intellektueller Eigentumsrechte kritisch gegenübersteht.

Carl Spitzweg - Die päpstliche Zollwache


Freie Kultur - Wie die großen Medienunternehmen die Technologie und das Recht ausnutzen, um die Kultur wegzusperren und die Kreativität zu kontrollieren, ist ein Buch des Juraprofessors der Harvard Law School Lawrence Lessig aus dem Jahr 2004. Es wurde im Internet am 25. März 2004 unter der Creative Commons-Lizenz cc-by-nc 1.0 veröffentlicht. Die gedruckte Ausgabe des Buches wurde durch Penguin Books unter vollem Urheberrechtsschutz veröffentlicht. Der englische Originaltitel lautet: Free Culture: How Big Media Uses Technology and the Law to Lock Down Culture and Control Creativity. In deutscher Sprache ist das Buch unter dem Titel Freie Kultur, Wesen und Zukunft der Kreativität in gedruckter Form im Januar 2006 bei Open Source Press erschienen.



Freitag, 3. Juni 2011

Darummagichberlin (XXXIII)

Weil der Tür- und Schlüsseldienst bereits seit zwei Jahren sein "Hammerangebot" anpreist.