Sonntag, 4. Februar 2018

Schwimmbad Dahlen. Schwimmen in der Schwimmhalle Hüttenweg

Das Pionierbad liegt im Wald. Es hat fast immer geschlossen. Seine eigenwillige Geschichte ist nicht dokumentiert. Eine Betrübnis.

Einst war Berlin keine deutsche Stadt im engeren Sinne. Berlin stand unter alliierter Oberhoheit. Die Bedeutung der Alliierten war in den späten 1940ern und frühen 1950ern stark ausgeprägt, ließ dann aber nach. Die Stadt wurde immer DDR‘riger (Osten) beziehungsweise bundesrepublikanischer (Westen). Einige Besonderheiten bewahrte sich die Stadt dennoch.

Abbildung der Schwimmhalle Hüttenweg von der Eingangsseite. Zwei Fahnen der Berliner Bäder Betriebe. Gut zu erkennen ist die erhöhte Hallendecke unter der das Drei-Meter-Brett liegt.
Schwimmhalle Hüttenweg. Hier die Eingangsseite.


In Westberlin beispielsweise existierten drei große alliierte Wohn- und Stationierungsgebiete. In Wedding/Reinickendorf lag die französische Cité Foch, in Gatow wohnten die britischen Truppen und in Dahlem die Amerikaner. Zu allen diesen Wohngebieten Gebieten gehörte mindestens ein Schwimmbad – einst nur für die Alliierten zugänglich, nach der Wende für alle. Das Bad in Dahlem war das erste dieser Bäder, das komplett neu entstand und nicht einfach die Weiternutzung eines alten Bades und es gehört zu den frühen westdeutschen Typenbauten.


 
Dann begann das große Berliner Bädersterben der Jahrtausendwende. Das Bad in Gatow existiert nicht mehr. Das französische Bad der Cité Foch wurde auch letztens abgerissen. Einzig die amerikanischen Bäder in der Finckensteinallee und im Dahlemer Hüttenweg unweit des Jagdschlosses Grunewald existieren noch(*). Es ist Teil des Cole Sportzentrums, das wiederum direkt an das Alliiertenmuseum anschließt – hier gibt’s Westberliner Geschichte in größeren Mengen.


Zum Sportzentrum gehört eine große Tennishalle, eine Kletterhalle des Alpenvereins und größere Räumlichkeiten eines Tanzvereins. Als ich das erste Mal Richtung Schwimmhalle schlurfte, erschallte das unverkennliche „eins, zwei, drei, eins, zwei, drei“ des Tanzlehrers über den Parkplatz.

Ein echtes Stadtrandbad.Open Street Map © OpenStreetMap contributors, made available under the terms of the Open Database License (ODbL).


Das Bad Hüttenweg selbst stammt aus den 1970ern. Da es anders aussieht als alle anderen Berliner Bäder, mutmaßte ich lange, dass sich dort die US Army einen der ihren Architekten geschnappt hat und in Dahlem ein amerikanisch inspiriertes Bad entstand. Wie ich irrte. Dank Tobias Reckert wurde ich darauf hingewiesen, dass es sich hier um ein echtes deutsches Krupp-Bad handelte.

Das Unternehmen „Krupp Universalbau“, Tochter ebenjenes Krupp-Konzerns, entwickelte Ende der 1960er ein Typenbad und lag damit im Trend der Zeit. (Siehe in Berlin zum Beispiel die Kombibäder oder die Ostberliner Typen-Volksschwimmhallen). Zumindest in Berlin blieb der Typenbau ein Einzelstück, Krupp selbst schloss 1976 die Tochter Krupp-Universalbau, da der Unternehmensteil beständiger Verlustbringer war.



Krupp Universalbau entwickelte drei ähnliche Typen. Ein Bad mit einem Becken von 25x10 Meter, ein Bad mit einem Becken von 25x12,5 Meter und ein Bad mit größerem Becken und zusätzlichem Nichtschwimmerbecken. Der Typ entstand als sogenannter "Bau in Teilfabrikation", dessen Einzelteile noch an die Wünsche des Bauherrn und die Gegebenheiten vor Ort angepasst werden konnte.

Das Bad im Hüttenweg überlebte überraschenderweise, wurde in den 2010ernvom Architekten Nils Meyer saniert und steht jetzt ab und an der Öffentlichkeit zur Verfügung. 2017 konnte die Öffentlichkeit zum Frühschwimmen kommen, am Mittwochabend und Samstagnachmittag. Seit 2018 ist auch noch ein Besuch am Mittwoch- und Sonntagnachmittag möglich.

Gefühlt ist hier aber die Zahl der Überraschungsschließungen ziemlich hoch. Vor keinem anderen Bad stand ich derart oft und las Zettel, dass es nun doch überraschend geschlossen ist.

Gebäude


Von außen – von der Straße – versteckt sich das Bad. Zur Hauptstraße / dem Hüttenweg hin, liegt noch ein großer Platz, der mal ein Parkplatz war, länger eine größere Baustelle war und jetzt wieder ein Parkplatz ist. Von der Nebenstraße ist es besser. Wie üblich verlangen die Berliner Bäder ausgerechnet an jenen Parkplätzen - wie hier - hohe Gebühren, wenn es in der Nachbarschaft immer reichlich freie Parkplätze gibt.




Hat man sich dann mal bis zum Schwimmbad vorgearbeitet, ist es durch die hübsche Ausprägung im Dach erkennbar. Leider ist diesem der Umkleidegang vorgelagert, der sich durch seine komplette Fensterlosigkeit auszeichnet. Von innen bleibt das noch erträglich, so großzügig und weit ist alles geschnitten, von Außen wirkt es nicht wirklich einladend. Immerhin, das Dach rettet vieles und sein hoher Punkt erfüllt die ihm optisch zugedachte Aufgabe für etwas Spannung im Anblick zu sorgen, Unter dieser Erhöhung des Daches befindet sich das Sprungbrett.

Breite Glasfronten weisen in alle Richtungen. Insbesondere das Nichtschwimmerbecken zeigt dazu in eine vergleichsweise nett aussehende Wohngegend. So bleibt dieses das Becken mit echter Aussicht,

Dahlem beim Hüttenweg


Da das Bad quasi nur mitten in der Nacht im Winter vor 8 Uhr  für die Öffentlichkeit zugänglich ist, kann man auch der einladenden Beleuchtung über den dunklen Platz folgen. Das Foyer ist eher klein, dann geht es schnell zu den Umkleidekabinen.


Umkleiden/Duschen


Die Umkleiden wirken neu – die letzte Sanierung kann noch nicht lange her sein. So ein wenig fühlte ich mich wie in einer sympathischen Variante Ostberlins: Sammelumkleiden mit blauen Türen und ein Schuhausziehbereich vor den Kabinen. Und das ausgrechnet im noblen Dahlem.



Untypisch für Westberlin ist der Zieh-die-Schuhe-aus-Bereich bereits vor den Kabinen. Eine recht große Bank im Flur zu den Kabinen markiert den Übergang vom Stiefelgang zum Barfußgang. Eines der zahlreichen Schilder im Bad weist mich darauf hin, dass das Schuhregal keine Sitzbank ist.

Einmalig in Berlin: hier erklären Schilder, warum man die Schuhe nicht mit in die Kabine nehmen darf (machen die Schränke dreckig, deren Schmutz dann in die Schwimmhalle weiter getragen wird).
Die Umkleidekabinen sind ganz klassisch: je zwei Sammelkabinen für Männlein und Weiblein mit je (zumindest bei den Männern) einer Einzelumkleide.

Die Kabinen selbst sind aber riesig, da drinnen könnte man Street-Fußball spielen. Die Schränke in diversen Blau- und Weißtönen (Männer) bzw. den Fotos nach zu urteilen in Rot-Rosatönen (Frauen), durchaus nett. Alles sehr neu, alles funktioniert tadellos und bei jedem meiner Besuche kam mir das ganze Bad blitzsauber vor.

Die Duschen – eine kleine Kabine. Das einzige Hinweisschild ermahnt, keine Straßenkleidung im Bad anzuziehen – das scheint ein gewisses Problem zu sein mit Eltern, die ihre Kinder zu Kursen begleiten. Acht Wochen später war das Problem nicht verschwunden – die Zahl der „Keine Straßenkleidung!“-Schilder hatten sich deutlich vergrößert. Sie hatten auch einige Ausrufezeichen dazu gewonnen.

Wieder einige Zeit später, kamen neue Schilder hinzu, dass die Begleiteltern nicht selber duschen dürfen und dass sie auch Eintritt bezahlen müssen, wenn sie länger als eine halbe Stunde bleiben. Das Bad und die Begleiteltern scheinen eine schwierige Beziehung miteinander zu führen.

Schwimmhalle


Ein Schwimmbecken (25 Meter, 5 Bahnen) mit drei-Meter-Sprungturm, ein recht großes Nichtschwimmerbecken. Das Nichtschwimmerbecken ist leicht versetzt nach hinten, beide Becken zusammen sind vage L-förmig. 

Open Street Map © OpenStreetMap contributors, made available under the terms of the Open Database License (ODbL).


Zwei Bahnen waren abgeleint. Wie in anderen älteren der Zeit (Tempelhof, Lankwitz) auch, ist die eine Hälfte des Bades sehr flach (1,40 Meter), die andere unter dem Sprungturm mit 3,80 Metern entsprechend tief. Von einem Bereich zum anderen führt ein breiter Abgrund. Das Becken selbst ist aus Metall, die Wasseroberfläche auf Bodenhöhe.

Ein schönes Bad. Über dem Dreimeterturm eine Erhöhung in der Decke, was dem Ganzen eine geschwungene und bewegte Form gibt. Einzelne Farbtupfer an der Decke unterstreichen das Ganze. Und einzelne, schuppenartig angebrachte Elemente, über dem Nichtschwimmerbecken, setzen das Ganze auch im Nichtschwimmerbereich fort.

Eine große Glaswand würde den Blick auf eine Grünfläche/Sportplätze öffnen und dort wäre eine Skateanlage genau im Sichtfeld – wäre das Ganze nicht durch eine sehr bedauerliche Sichtschutzwand hinter einer grünen Fläche verschwunden.  Der Rest sehr weiß, sehr clean, hier ist man zum Schwimmen.

Publikum



Das Bad ist de facto nur zum Frühschwimmen geöffnet. Frühschwimmen ist so ähnlich wie Bahn fahren / Zugreisen mit Geschäftsreisenden: nur Leute, die das öfters machen und wissen was sie tun. Um 6.30h waren vor allem ältere Menschen da, bis 7.00h rückten dann auch die jüngeren, sportlicheren nach.

Insgesamt hielten 20 bis 30 Leute im Becken auf. Alles recht entspannt. Ungewohnt: auch im Nichtschwimmerbecken waren noch ein halbes Dutzend Menschen, die zumindest zum Teil tatsächlich echt schwammen.

Einmal war ich dann doch noch abends da. Abgesehen vom Aqua-Fit-Kurs (mit deutlich besserer Musik als im Ernst-Thälmann-Park übrigens) war es wie beim Frühschwimmen. Draußen war es dunkel. Vielleicht 20 Freie Schwimmerinnen und Schwimmer da. Aber auch da: wer es schafft in ein Schwimmbad zu kommen, das nur sehr obskure Öffnungszeiten hat und neben dem Schwimmbecken selbst auch keine größeren Attraktionen, der weiß was er tut. Ein Vater mit Sohn, zwei Teenie-Mädchen, zwei Tratschweiber, mehrere einzelne Männer und Frauen. Was sich dann auch bei weiteren Besuchen bestätigte: Eltern mit Kindern, wobei die Eltern eher schwimmaffin wirkten und die Kinder das geerbet zu haben schienen, anderen sportlichere Schwimmer. Das übliche kommen-um-zu-Tratschen-Publikum fehlte überraschenderweise bei jedem Besuch.

Gastronomie

Der Baubeschreibug des Originals entnahm ich die Existenz der "Eingangshalle mit Milchbar (Blick auf das Badegeschehen)." Davon ist heute nichts mehr zu sehen. Gar keine Gastronomie ist zu sehen. Und anscheinend liegt auch keine in der Nähe. No coffee.

Fazit



Wenn es denn mal offen hätte, könnte es ein sehr angenehmes Stammbad sein. Sauber, alles funktioniert, schöne Hallenform, Duschen und Umkleiden funktional und ein Sanitärbereich der kurzen Wege. Die Halle ist angenehm und unaufgeregt, genauso wie das Publikum.

Sonstiges


Im Hüttenweg hängt mein Lieblings-Verbotsschild in einem Schwimmbad ever: in der Schwimmhalle selbst: Fahrräder verboten.

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Das andere Ex-US-Militärbad Berlins liegt nicht weit entfernt in Lichterfelde, ist sonst aber in jeder Hinsicht komplett anders: die Schwimmhalle Finckensteinallee.

Der West-Berliner Typenbau, der sich in der Stadt wirklich ausbreitete, ist das Typenbad. Recht originalgetrauen Versionen, stehen noch in Charlottenburg und Mariendorf.

Sämtliche Iberty-Schwimmbadposts liegen unter Schwimmbäder nah und fern. Rückblick und Ausblick.

Mehr zum Thema des namensloses Typenbaus der Krupp Universalbau schrieb damals zeitgemäß das Archiv des Badewesens in der Ausgabe 3/1969: Mobiler und flexibler Fertigbau:„Die Firma Fried. Krupp GmbH Universalbau Essen hat in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Dipl.-Ing. Heinz Goesmann, Hannover, 3 Typenbäder entwickelt: Typ l: Schwimmhalle mit 12,5 x 25,0 m Becken Typ II: Schwimmhalle mit 12,5 x 25,0 m Becken und einem Lehrschwimmbecken 6,0 x 12,5 m Typ III: Schwimmhalle mit 10,0 x 25,0 m Becken“

Anmerkungen


Das britische Bad im Olympiapark beim Olympiastadion existiert auch. Das ist aber nur für Vereine und insbesondere die Sportschule dort zugänglich, zählt damit nach Iberty-Regeln nicht als öffentlich zugänglich und somit auch nicht als existentes Bad.


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