Montag, 2. Januar 2012

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So, nach dem schnellem Jahresüberblick, der quasi zwischen fahrendem Auto, Hotel. und Fondue entstanden ist, sitze ich mittlerweile bei einer schönen Tasse Kaffee, höre gute Musik, und ein befreundetes Baby glucksen, schaue auf ein von Vögeln verschmähtes Vogelhaus, und bin auch ansonsten ganz gut eingerichtet.

Nachdem Lyzzy nun auch den zweiten Teil schrieb, von mir der gemeinsame Jahresrückblick in der Langversion:

Das wichtigste und schönste zuerst: Artikel. Ich glaube selten waren es so wenige Artikel, und selten dachte ich auch in der Rückschau: wau, was für ein spannendes Thema. Das gehört zu den Folgen des Wikipedia-Wachstums. Es gibt wenige Artikel, bei denen man denkt, dass sie geschrieben werden müssen, aber noch jede Menge, die geschrieben werden dürfen. Cherry picking ist gewissermaßen sinnvoll, und auf jeden Artikel bin ich auch mit einem Jahr Abstand noch stolz.

Leon Theremin

ToiletcleanersbyAlofok (4)

Squirrel-lift

Pizza box collection point Old Orchard Beach ME

2007-1019-PizzeriaUno

Deep-fried butter at State Fair of Texas 2010

Zwei Themenkomplexe begleiteten mich längere Zeit, und zogen den Ausbau benachbarter Artikel nach sich. Was ist ein Autor? im ersten Halbjahr, und das Theremin im zweiten.

In deren Umfeld habe ich dann eine ganze Menge Artikel etwas aufgemöbelt oder neu anlegt, wie etwa Konstantin Kowalski, die First Airphonic Suite, das Tannerin, der Themenkomplex Foucault und Recht oder Macht/Wissen, oder die neu gestellte Frage Was ist Aufklärung?.

Dann gab es noch diverses Kleinzeug, über das man im Leben stolpert, und die Recherche mit einem Wikipedia-Eintrag verbindet. Da tauchte zum Beispiel die Frage auf, was einen WC-Reiniger eigentlich zum WC-Reiniger macht, und wieso man einen Exra-Badreiniger hat? Oder: wieso stand in der Nachbarschaft mal die Schöneberger Müllverbrennungsanlage? Die WIPO-Development Agenda kam irgendwo im Internet dran, ebenso wie Digital Opportunity. Wo man Squirrel Fishing und die JenniCam findet ist ja eh klar.

Der Pizzakarton hat vielleicht auch mit meinem Bestreben zu tun, ungesundes Essen von den Löschkandidaten zu retten. Sowohl die Chicago-style Pizza als auch Deep Fried Butter las ich dort auf, und verhalf ihnen zu einem dauerhaften Platz in der Wikipedia.

Und überhaupt Löschkandidaten: mein erster Artikel, auf den jemals ein Löschantrag gestellt wurde: Medical Justice. Da wo ich den LA erwartet hätte, bei K/S - Fiktion über Fiktion, und das auch noch mit Sex, blieb er überraschenderweise aus. Vielleicht ja, weil das Lemma einfach wie eine Eisenbahnbaureihe klingt.

Rein gute Nachrichten gibt es von der Bildsammelstelle Commons. Da hat sich der Hochladeprozess mittlerweile wieder so verunkompliziert, dass ich freiwillig Bilder hochlade. Nicht so viel, wie ich gerne würde, aber doch mehr als die letzten Jahre, und insgesamt wohl eine locker dreistellige Zahl:

British dinosaurs to eat 14.09.2009 22-49-13

Kitesurftrophy buesum sprung 04.06.2011 16-23-55

Berlin-Schöneberg Berchtesgadener strasse 8 9 03.10.2011 15-47-12

Berlin marathon kilometer 34 Tauentzien 25.09.2011 11-31-07

Wasserkoog Tetenbüll Salzwiesen 20.08.2011 18-48-41

Mit zum Hochladen der Fotos hat sicher auch der Wettbewerb Wiki Loves Monuments beigetragen. Dem verdanke ich immerhin die Kenntnis zahlreicher denkmalgeschützter Wohnhäuser aus dem späten 19./frühen 20. Jahrhundert hier in Schöneberg. Und ein nettes Jurytreffen, sowie ein nettes Jury-Vor-Kochtreffen im heimischen Haushalt.

Schöne Treffen gab es auch so einige: die ganzen Berliner Stammtische. Der Hamburger Stammtisch, der quasi schon fast über der Elbe saß, die diversen schmackhaften Vortreffen zum Treffen der Redaktion Essen und Trinken; unbedingt die Wikicon in Nürnberg, und natürlich Wikimania bei 33 Grad mit 60% Luftfeuchtigkeit, mit den perfekt organisierenden Israelis. Bei all den Treffen verweise ich jetzt einfach mal auf die Blogposts hier, und kann freudig erzählen, dass ich nicht eines von ihnen bereut habe. Doch: Re:publica hatte echt ziemlich viel Schrott im Programm, aber das fällt ja nicht in das Wikimedia-Universum.

Berlin Schoeneberg Resonanz Ebersstrasse 06.02.2011 17-11-34

In das Wiimedia-Universum hingegen fällt der Verein. Sollte ich darüber wirklich schreiben? Ist das hier nicht ausführlich gewürdigt? Viel Meta, viel Eitelkeit, viel Selbstherrlichkeit, viel Geld, viel um-sich-selbst-Kreisen, viel gestörte Kommunikation, und seit November bin ich im Zentrum des Geschehens. Positiv in Erinnerung blieb mir ausgrechnet die ziemlich sach- und themenbezogene Ausserordentliche MV Anfang des Jahres, und die überraschend konstruktive MV am Ende. Und, juche, mittlerweile habe ich auch ziemlich einen Überblick darüber, wer die Geschäftsstelle eigentlich ist.

Immerhin haben Wikimania und die elendige Bildfilterdebatte meinen internationalen Bekanntheitsgrad deutlich gesteigert. Der Sue-Gardner-Bildfilter-Blogposts war der meistgelesene aller Zeiten, und auch ansonsten gehen die Leserzahlen steil nach oben; insbesondere übrigens die Leserzahlen, wenn im Blog gar nichts neues erscheint, und trotzdem Leute kommen. Andere Blogerfahrung: manchmal ist es ein Konversationskiller. Ich will etwas Spannendes erzählen, und alle winken gelangweilt ab, weil sie das ja vor zwei Wochen schon gelesen haben.

Was gab es noch im Universum WM/P? 10 Jahre Wikipedia, ich kurz auf der Chapters Conference (ohne Vulkanausbruch), die Terms of Use kommen, Autorenschwinden wird Thema, die untergründig geführte Auseinandersetzung, ob WP/M mehr Frauen braucht oder als überwiegender Männerhaufen nicht viel glücklicher ist, diverse Presse - mal schlecht, meist gut, Lobbying wird immer mehr Thema. Die Frage wird drängender, wie ein Projekt es aushält, wenn Leute Belohnungen kriegen, und andere nicht.

Wikipedia selbst ruhiger und enger. Es gibt Autorenschwund, Editschwund, Kreativitätsschwund, und Streitschwund. Insgesamt eine höchst zwiespältige Entwicklung. Inhaltlich sicher eine schlechte: der Blick auf die Welt, den Wikipedia vermittelt, wird immer enger, immer homogener, immer einseitiger, und das bei einer Website, die Nachschlagen erfolgreich monopolisiert. Andererseits: der totale Unsinn, der drinsteht, wird weniger. Und im Alltag ist es weniger anstrengend, wenn alle Anwesenden denselben grundsätzlichen Ausblick auf das Leben teilen. Wikipedia und die geeigneten Personen finden sich langsam.

Doch, so insgesamt, aus persönlicher Sicht: 2011 war ein gutes Wikip/media-Jahr!

Und zum Abschluss noch ein Song, der mich dank Theremin und Tannerin doch oft durch das Jahr begleitet hat:



7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich hab ganz echt und wirklich auch grade an unser schönes Treffen zurückgedacht! #Hach müsste ich jetzt auf Twitter schreiben...

Schwäbin

poupou hat gesagt…

jetzt hab ich zig leuten gesagt, dass du was über den niedergang von kalp schreibst und warum sg das neue l ist und dann kommt nix :(

dirk franke hat gesagt…

Stimmt, Du hast Recht. Da fiel mir mittlerweile auch ein, dass das noch gefehlt hat. Andererseits ist das ja eigentlich auch ein Thema für einen längeren Blogpost, der ein bisschen ausführlicher ist.

Der Niedergang von KALP ist einfach zu erklären: Leute sind zu KALP gegangen, weil ihnen andere Leute, die sie respektieren konstruktives Feedback gegeben haben. Sie haben ihnen vermittelt, dass sie ihre Arbeit grundsätzlich wertschätzen, und zahlreiche Hinweise gegeben. Heute mosern Leute, die man nicht wirklich respektiert, an unwesentlichen Details herum.

SG ist das neue lesenswert. Ein schöner Ort, um lesbare Artikel zu finden, und aufmerksamkeit auf spannende Themen zu lenken, die sich noch bearbeiten lassen.

dirk franke hat gesagt…

SG = die "schon gewusst"-Rubrik auf der Hauptseite.

dirk franke hat gesagt…

Ich hoffe mal, ich erreiche hier den unangemeldeten Nutzer, der heute die ganzen im Blogpost erwähnten Artikel korrekturlas: Danke sehr! Das war echt die schöne Überraschung des Tages.

Anonym hat gesagt…

Machst du denn noch einen Blogpost über SG (kannst ja auch noch SG und SG mit einflechten, der Begriff ist ja mehrdeutig...)? Interessant ist ja, welche Unterschiede es im Aufrufverhalten gibt - sex and crime liegen wohl vorne, aber auch Themen ohne Brot und Spiele lagen im fünfstelligen Bereich.

Steinbítur

dirk franke hat gesagt…

Über Aufrufzahlen habe ich keinerlei Infos, da wird es für mich schwer etwas darüber zu schreiben.

SG und KALP ist spannend. Die Gute Nachricht: es steht auf meiner ungeschriebenen to-do. Die schlechte Nachricht: auf der geschriebenen to-do steht es noch nicht, und selbst die ist ziemlich voll. Mal schauen.