Freitag, 5. August 2011

Ein Tag #Wikimania



Feedback: Regarding language, right now the preliminary results are: English 1; German 1. Still undecided.

Chiara: In meiner Stipendiumsbewerbung (danke, WMDE für den Aufenthalt hier!) hatte ich ja unter anderem geschrieben: Weil mein Vortrag "The strange tale of Chiara Ohoven and German work ethics" die Konferenz rocken wird. Und, bei aller gebotenen Bescheidenheit: Versprechen übererfüllt. Wow, was für eine Diskussion. Intensiv, am Thema, emotional aber nicht verletztend, und den ganzen Resttag auf den Gängen Komplimente für den Vortrag. Auch wenn sich die Diskussionsleitung anfühlte wie Wildwasserkajakfahren: Woow. (Chiara-Vortrag, mit diversem Finetuning, seit er das letzte mal im Blog auftauchte) Zuschauer so 40, 50 würde ich schätzen (nicht gezählt): aber dafür gibte s ein Foto vom Raum vom Abend vorher in deutlich anderer Bestuhlung als dann später:




Woow:
Apropos: die Organisation. Nahezu perfekt. Parties lasse ich ab jetzt nur noch von Wikimedia Israel veranstalten, und derzeit überlege ich, ob man nicht auch die nächste WMDE-Mitgliederversammlung in Haifa stattfinden lassen sollte. Außerdem haben sie Wikipedianer zum tanzen bekommen. In Israel passieren halt Wunder. Damit es nicht zu perfekt wirkt, haben sie sogar ab und an selten einen kleinen Glitch eingebaut.



Kleine Fehler: um nochmal auf das faszinierende Hotel zurückzukommen: das alte Bad hatte ich ja schon erwähnt, ausgerechnet hier - Wüste, drei Monate im Jahr Null Regen - ist lustigerweise das erste mal seit Jahren, dass ich eine Toilette ohne Wasserspartaste angetroffen habe. Andererseits muss ich mal erstlich überlegen, welche Session ich ausfallen lasse, um den Swimming-Pool mit echten 15 (20?)-Meter-Bahnen in seiner ganzen Grandiosität zu genießen.

Israel/Palästina-Konflikt: sollte ich auch mal erwähnen, und auch wenn Haifa der unlikeligste Ort in Israel ist, drüber zu stolpern, lässt er sich nicht komplett ignorieren. Andererseits muss ich ja noch einmal durch eine El-Al-Sicherheitskontrolle.

Der Bürgermeister: Fragt mich nicht warum, ich habe ausversehen das Grußwort des Haifarahner Bürgermeisters Yona Yahav gelesen, und, shocking!, ich war angetan. Zumindest die Hälfte war ernsthaft anlassbezogen und auch offenbar selbstgeschrieben. Selbes Erlebnis dann gestern auf der Party: Ansprache des Bürgermeisters und er hat echten enthusiastischen Applaus bekommen. Dass ich sowas noch mal in meinem Leben erleben darf.



Zum Thema es-könnte-noch-besser gehen: einen größeren Teil des gestrigen Vormittags verbrachte ich dann damit gespannt auf den Downloadbalken meines Vortrags zu schauen. Wlan funktioniert zwar allezeit überall (wow!), aber die Geschwindigkeiten erinnern mich bei voller Konferenz teilweise doch an alte ISDN-Zeiten. Dieses Starren war zwar schon so leicht nervenzerreibend, und sehr emotional, gibt als Blogthema nur bedingt was her. Grüner Balken, grüner Balken, grüner Balken. Okay, die erste Hälfte war Präsentatons-Finetung. Das ist aber ähnlich unspannend.

Da erzähle ich doch einfach mal, was Andere so erleben. Die Dorms liegen drei Berge weiter, und sind nur noch per Bus zu erreichen. Während die neue Dorm sehr schick zu sein scheint, gemahnen die älteren eher an Abenteuerurlaub: keine Klimaanlage, Lampen, die aus der reinen Glühbirne bestehen, und die aaalten israelischen Steckdosen, in die keine Eurostecker passen. Erfahrung am Rande: Wikipedia Stockholm trifft sich sogar zweimal im Monat zum gemütlichen Treffen, während Amerikaner und Inder Tagesordnungen und Progamm und Präsentationen bevorzugen - mit dem Ergebnis, dass es faktisch fast keine Treffen gibt, weil niemand hingegehen mag. Oder so.

Tagesordnung und Präsentationen gibt es natürlich auch. Mein gestriges Highlight war Ory Amitays Teaching the Humanities in a Wiki Environment, der einfach vielfach erfahrungsgesättigt, und ohne jede Sprechblase lange erzählt hat, was alles klasse an Wikis ist. Am Ende hatte ich dann wieder die leuchtenden Augen, und wusste, warum Wikis an sich, und Wikipedia im besonderen so unglaublich sind. Sehenswert noch Frank Schulenburgs Vorstellung der Public Policy Initiative in derselben Session, und Sue Gardners Einführung. Die anderen drei Vorträge, die ich sah, (eine Israelin zu "Lehrern Wikipedia-beibringen, eine Kroate zu Wikipedia-Kategorien, ein Spanier(?) zu taten sich durch volle Slides in kleiner Schrift hervor - und es gibt einfach bessere Wege, lange, komplexe Texte zu lesen als ihn Slides. Die Frage- und Antwort-Session mit dem Board hat den Vorteil, dass man danach alle Board-Members im Gang erkennt. Und den Nachteil, dass zumindest ich mir bei 9 Leuten gleichzeitig auf der Bühne echt nicht merken kann, wer nun was gesagt hat.





Fotos und Videos: Weiß jemand was der Stand ist? Sind die Fotos von hier eher auf commons oder auf flickr? Oder woanders? Soweit ich mitbekommen habe, werden alle Präsentationen auf Video aufgezeichnet. Noch ist auf dem Youtube-Channel aber nicht soviel zu sehen. Und falls Fotografen mitlesen: lohnende Motiv sind sicher auch hunderte Wikipedia-T-Shirts aus der ganzen Welt. Und noch ein loser Gedanke zu Fotos: ich versuche ja, meine Internetzeiten zu minimieren, und mag deshalb nicht auch noch die ganzen Fotostreams durchkucken. Aber falls mir jemand eine Liste mit 10 besonders veröffentlichswerten Commons-Fotos von Wikimania mailen mag (gmail-Account dirkingofranke), stelle ich die gerne ins Blog.


Real man use paper.

Der Abgrund: Sue Gardner bemerkte am Anfang ihres Talks noch, dass der Wikimania-Talk für sie der anstrengendste des Jahres ist. Kritisches Publikum, und ich sehe ein Problem. Während mein Vortrag ja so grundsätzlich war "weniger Staub, weniger Keller, weniger angeschimmeltes Buch, mehr Luft, mehr Leben, mehr Liebe" dachte ich die ganze Zeit bei Sue's Kätzchen- Love- Mobile-Internet-Rede "und wo bleiben die Bücher? Wo die Bibliotheksregale?" Je mehr ich drüber nachdenke, desto größer erscheint mir da der Kulturkonflikt zwischen Foundation und Community. Das Board hat dann auch mehrfach und öfters ungefragt dementiert, dass sie eine facebookisierung der Wikipedia wollen.

Zahlen: was ich nun wiederum spannend fand an der Foundation: die Fokussierung auf Zahlen und Evaluation. Monthly metrics meeting ist einfach ein schöner Ausdruck, und auch wenn ich gerne und lange erzähle, warum Zahlen nur eine Drittelwahlrheit erzählen: meistens ist das besser als die Achtelwahrheit, die man ohne Zahlen hat. Mein Eindruck ist zumindest, dass die Foundation im allgemeinen und Sue im besonderen, da sehr Zahlen- und Evaluationsenthusiastisch sind.

Mobil: Um nur einmal ein Feld zu nennen: eine der großen Initiativen von WMF ist es, mobil editieren zu verbessern. Nun sagen die Studien aber auch, dass Mobil-Internet vor allem auf dem Weg von/zur Arbeit/Schule oder ähnlichem verwendet wird. Und wenn es eine Situation gibt, in der man weder Fokus, noch Zeit, noch Ressourcen hat, um sinnvoll beitragen zu können: dann ist es diese. Und ja, das fand ich auch irritierend: ein langer Sue-Gardner-Talk und eine lange Board-Session, mit sonstwas für Themen: nur der eigentlich Inhalt der Wikipedia wurde nicht ma erwähnt. Und taucht auch in der strategischen Planung soweit ich sehe nada auf. Ich halte es tatsächlich für gefährlich, den für so selbstverständlich zu halten.

Israel: Friedliche Gespräche über dem Lunch bei dem man als Deutscher dann doch schlucken muss: Ich: mein Großvater war Kapitän. Dame aus Haifa fröhlich und entspannt: mein Vater auch. Und er lebte auch zeitweise in Berlin. Meine Mutter kommt aus Westfalen. Seit Januar 1940 sind meine Eltern in Israel. Öchrz, Schluck, von ihr offensichtlich ohne jeden Hintergedanken gesagt, ich selbst will dann auch nicht irgendwie Holocaust als Smalltalkthema während des Lunches aufbringen.

Am Rande: Kaffee gibt es reichlich, auch wenn die Darreichungsform - Heißwasser plus Pulvertütchen - Gewöhnungsbedürftig ist. Der Strand scheint gefährlich: ich hörte von Wikimania-Teilnehmern von bösen Sonnebränden, und Einheimische erzählen auch gern von unvorsichtigen Touristen, die sich gleich ganz in die Notaufnahme grillen. Nett auch: obwohl es Wein bei den Parties in unbegrenzten Mengen gibt, wird der teurere Wein im vergleich zum preiswerteren Bier echt in homöopathischen Dosen ausgeschenkt, so dass man alle paar Minuten zurück zur Theke muss.



Wikimania 2012: Die Leute aus Washington, DC wirken wohl gerade etwas unglücklich, weil die Messlatte, die sie hier vorgesetzt kriegen, ist sehr sehr hoch. Dafür ist mir mein Vortragsthema für 2012 eingefallen: Freie Lizezen sind Ausgebeurt und Wegbereiter der turbokapitalistischen Ausbeutungsgesellschaft.



1 Kommentar:

Marcus Cyron hat gesagt…

Ich habe beim "Vortrag" von Sue Ähnliches gedacht. Und einmal mehr das Gefühl bekommen, ob es wirklich gut und sinnvoll ist, das Projekt von einem Kapitän(in) führen zu lassen, der den Ozean nicht kennt, auf dem er/sie steuert.